AktG-Reform: stärkt Rechte und Information für Aktionäre, Nachhaltigkeit und Ökologie
Die EU will die Einflussmöglichkeiten der Aktionäre auf börsennotierte Unternehmen stärken und ihren Wissensstand über die Unternehmen verbessern, indem die Kommunikationspflichten gegenüber den Aktionären erheblich ausgeweitet werden.
Brisante Themen sind dabei Mitspracherechte der Aktionäre bei der Vergütung von Aufsichtsrat und Vorstand („say-on-pay“) sowie bei Geschäften mit der Gesellschaft nahestehenden Unternehmen und Personen („related-party-transactions“).
EU-Richtlinie bringt Reform des AktG an und stärkt Aktionärs-Mitbestimmungsrechte
Die EU hat „die Förderung und langfristige Mitwirkung der Aktionäre“ mit der Richtlinie (EU) 2017/828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017 zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG vorgegeben.
Bis zum 10. Juni 2019 hatten die Mitgliedsstaaten Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Deutschland hatte zwar einen frühen Entwurf für das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) zu entsprechenden Änderungen insbesondere des Aktiengesetzes vorgelegt, ist dann mit der Umsetzung zum 1.1.2020 aber doch fast ein halbes Jahr in Rückstand geraten.
Umfassende Erneuerung des AktG soll EU-Vorgabe zu Aktionärsmitsprache erfüllen
Vor allem das Aktiengesetz (AktG) wurde in großen Teilen ergänzt und reformiert. Kommunikation, Transparenz und Mitspracherechte der Aktionäre sind die Stichworte, mit denen die Neuerungen kurz beschrieben werden können. Die weitreichendsten Änderungen wurden vorgenommen in den Bereichen
- des Informationsflusses zwischen Gesellschaft, Aktionären und Intermediären,
- der Nachvollziehbarkeit der Vergütung von Aufsichtsrat und Vorstand,
- der Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen und Personen,
- der Durchschaubarkeit der Tätigkeit institutioneller Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater.
Neue Informationspflichten zwischen Gesellschaft, Intermediären und Aktionären
Börsennotierte Unternehmen sind aufgefordert die Kommunikation zwischen Aufsichtsrat/Vorstand, Aktionären und Intermediären (=Verwahrer von Aktien) zu verbessern und erheblich auszuweiten (§§ 67a bis 67f AktG). Für Aktionäre wichtige Informationen wie beispielsweise
- die Einberufung der Hauptversammlung oder
- Mitteilungen über Aktionärsrechte wie Umtausch-, Bezugs-, Einziehungs- und Zeichnungsrechte und über Wahlrechte bei Dividenden
müssen ihnen von der Gesellschaft über die dazwischen geschalteten Intermediäre unverzüglich elektronisch weitergeleitet oder alternativ auf einer Internetseite zugänglich gemacht werden.
Auch der umgekehrte Informationsfluss muss funktionieren. So haben die Intermediäre der Gesellschaft die personenbezogenen Daten ihrer Aktionäre zu liefern, wenn sie darum gebeten werden.
Nachhaltigkeit und verbindliches, einsehbares Vergütungssystem für Vorstandsmitglieder
Laut #Aktienrechtsreform muss der #Aufsichtsrat ein allgemein verständliches System zur #Vergütung der #Vorstandsmitglieder beschließen (§ 87a AktG).
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Die Vorstandsvergütung soll dabei auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung unter Berücksichtigung sozialer und ökologischer Gesichtspunkte ausgerichtet sein. Dies umfasst gemäß § 87 a Abs. 1 AktG u.a. folgende Mindestbedingungen:
- die Festlegung einer Maximalvergütung der Vorstandsmitglieder,
- die Aufschlüsselung der festen und variablen Vergütungsbestandteile, ggf. aktienbasierter Vergütung und ihre Bedingungen,
- die Benennung der Leistungskriterien für variable Vergütung zusammen mit einer Erläuterung, auf welche Art und Weise sie die Geschäftsstrategie fördern und zur langfristigen Entwicklung des Unternehmens beitragen,
- Aufschubzeiten für die Auszahlung von Vergütungsbestandteilen,
- die Benennung der Möglichkeiten der Gesellschaft, variable Vergütungsbestandteile zurückzufordern,
- sowie etwaige Entlassungsentschädigungen, Ruhegehalts- und Vorruhestandsregelungen.
Vergütung von Aufsichtsräten und Vorstand soll künftig ständig überprüft und veröffentlicht werden
Die gem. § 87a AktG beschlossene Vergütungspolitik ist danach einzuhalten und steht ständig auf dem Prüfstand. Die Hauptversammlung – auch das ist neu – erstellt bei jeder wesentlichen Änderung, spätestens aber alle vier Jahre - ein Votum zur Vergütungspolitik (§ 120a AktG). Das bedeutet, dass sie die vom Aufsichtsrat
- aufgestellten Richtlinien prüft und
- entscheidet, ob sie sie billigt oder etwas an ihr auszusetzen hat.
Sowohl das Vergütungssystem als auch die Beschlüsse des Aufsichtsrats hierzu sind auf der Internetseite der Gesellschaft zu veröffentlichen, § 120 a Abs. 2 AktG. Eingeführt ist damit das in Deutschland bisher umstrittene Say-on-pay - also eine billigende oder missbilligende Aussage der Anteilseigner zu dem vom Aufsichtsrat entwickelten Vergütungssystem. Entsprechende Anläufe waren im nationalen Recht 2013 gescheitert.
Dieses Aktionärsvotum ist unverbindlich, zieht keinerlei Rechte oder Pflichten nach sich, jedoch soll der Aufsichtsrat bei der Aufstellung seiner Vergütungspolitik das Votum sowie weitere Kriterien berücksichtigen und muss auch erläutern, inwiefern er das getan hat (§ 87a Abs.1 Nr. 9, 10 AktG). Am Vorwurf der Zahnlosigkeit waren frühere nationale initierte Gesetzesvorhaben in dieser Richtung gescheitert.
Vergütungsbericht: Offenlegung der Vorstands- und Aufsichtsratsgehälter
Neben den Richtlinien zur Vergütung haben Aufsichtsrat und Vorstand börsennotierter Gesellschaften jährlich einen "klaren und verständlichen" Vergütungsbericht (§ 162 Abs. 1 AktG) zu erstellen.
- Hierin erscheinen in allgemein verständlicher Form die konkreten Einkommen der einzelnen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder des letzten Jahres, und zwar mit allen Details.
- Der Vergütungsbericht ist durch den Abschlussprüfer zu prüfen und mit einem entsprechenden Prüfungsvermerk zu versehen, § 162 Abs. 3 AktG.
- Dieser Bericht muss zehn Jahre lang auf der Internetseite der Gesellschaft kostenfrei einsehbar sein.
Zu oft war in den letzten Jahren Unverständnis angesichts hoher Einkommen aufgekommen, die mit dem Gang der Unternehmensgeschäfte auch für die Aktionäre nicht immer leicht in Einklang zu bringen waren und deren Steigerung sich kontinuierlich stärker abhoben von dem Anstieg der Durchschnittsentwicklung der Arbeitnehmergehälter (s.u.).
Bei umfangreichen Geschäften mit nahestehenden Personen muss der Aufsichtsrat zustimmen
Auch das Thema Compliance findet im Entwurf verstärkt Beachtung: Will die Gesellschaft mit nahestehenden Unternehmen oder Personen Handel treiben, braucht sie, wenn das Geschäft ein bestimmtes Volumen überschreitet, die Zustimmung des Aufsichtsrats sowie eines hierzu errichteten Aufsichtsratsausschusses (§ 111b Abs. 1 AktG). Daneben besteht in diesen Fällen eine Publizitätspflicht, d.h. die Gesellschaft muss alle wesentlichen Informationen zu einem Geschäft mit nahestehenden Personen unverzüglich veröffentlichen, § 111 c Abs. 1 Satz 1 AktG.
- Wer „nahestehend“ ist, bestimmen der internationale Rechnungslegungsstandard (Verordnung (EG) Nr. 1126/2008) und § 111a AktG.
- Ein Nahestehen wird u.a. vermutet, wenn ein Aktionär mit mehr als 20 % der Stimmrechte an der Gesellschaft beteiligt ist, eine Schlüsselposition in der Gesellschaft bekleidet oder eine enge familiäre Beziehung zu einer solchen Person hat.
- Der Schwellenwert, ab dem zugestimmt werden muss, liegt bei 1,5 % der Summe aus dem Anlage- und Umlaufvermögen der Gesellschaft nach dem letzten Jahresabschluss (§ 111b Abs. 1 AktG).
Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, kann der Vorstand verlangen, dass die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt.
Wichtige Ausnahmen von der Zustimmungspflicht
Von der Zustimmungspflicht ausgenommen sind unter anderem Geschäfte, die im ordentlichen Geschäftsgang und zu marktüblichen Bedingungen mit nahestehenden Personen getätigt werden, § 111 b Abs. 2 AktG. Dies gilt auch, wenn ein besonderer Schutz der Aktionärsminderheit nicht erforderlich oder bereits auf andere Weise sichergestellt ist, § 111 a Abs. 3 AktG.
Berichtspflichten für institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater
Die Reform enthält Definitionen und umfangreiche Offenlegungs-, Mitteilungs- und Berichtspflichten der institutionellen Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsinhaber (§§ 134a bis d AktG).
Institutionelle Anleger und Vermögensverwalter müssen jährlich einen Bericht veröffentlichen, in dem sie im Kern ihre Arbeit beschreiben, § 134 b AktG. So müssen sie etwa informieren
- wie sie auf Portfoliogesellschaften Einfluss nehmen,
- wie sie Aktionärsrechte für ihre Anlagestrategie einsetzen,
- wie sie sich mit den Gesellschaftsorganen und Interessenträgern der Gesellschaft austauschen,
- wie sie mit anderen Aktionären zusammenarbeiten,
- wie ihr Abstimmungsverhalten aussieht und
- ihre Anlagestrategie und -entscheidungen.
Stimmrechtsberater berichten ebenfalls jährlich. U.a. müssen sie folgende Mitteilungen machen:
- eine Erklärung, ob und wie weit sie den Verhaltenskodex eingehalten haben,
- zu den eingesetzten Methoden, Modellen und Hauptinformationsquellen,
- zur Qualitätssicherung,
- zur Stimmrechtspolitik für die einzelnen Märkte,
- wie sie nationale Marktbedingungen, rechtliche, regulatorische und unternehmensspezifische Bedingungen berücksichtigen.
Empfindliche Geldbußen, wenn Informationspflichten nicht eingehalten werden
Der Gesetzgeber möchte die Einhaltung der neuen
- Offenlegungs-,
- Auskunfts-,
- Berichts-
- und Mitteilungspflichten
absichern. Dies findet – für den Fall eines Verstoßes - Niederschlag im Ordnungswidrigkeiten-Katalog des Aktiengesetzes (Ergänzung von § 405 AktG). Geahndet als Verstoß werden
- nicht richtige,
- nicht vollständige oder
- nicht rechtzeitig übermittelte Informationen.
Die Geldbuße kann gem. §405 Abs. 4 AktG bis zu 25.000 Euro betragen.
Hintergrund:
Auch das Thema Vorstandsvergütung wurde schon in vielen Gesetzgebungsvorhaben aufgegriffen.
Unbestritten sind die Vorstandsvergütungen im Verhältnis zu den Gehältern der Arbeitnehmer in den vergangenen Jahren ungleich stärker angestiegen.
Das führt nicht nur im Zusammenhang mit Armutsberichten und Rentenängsten zu gesellschaftlichen Diskussionen. Auch die Gesetzgebung griff das Thema schon mehrfach auf. Diesmal kam der zwingende Anstoß von der EU.
- In den Jahren 1980 bis 1990 lag das Jahresgehalt eines Aktienvorstandes im Durchschnitt um das 15-fache höher als das eines durchschnittlichen Arbeitnehmers des gleichen Unternehmens.
- Zehn Jahre später stieg die Differenz auf das 20-fache,
- bis zum Jahr 2005 auf das 40-fache
- und bis heute auf das ca. 50-fache.
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