Rotbäckchen ist laut BGH lernstark und konzentrationsfördernd

Jedenfalls darf der Fruchtsaft nach einer grundlegenden Entscheidung des BGH mit diesen Attributen beworben werden. Die in der EU geltende „Health-Claim-VO“ hat der BGH überraschend weit und damit herstellerfreundlich ausgelegt.

Der rheinland-pfälzische Rotbäckchen-Vertrieb bietet verschiedene von der Fa. Rabenhorst hergestellte Fruchtsäfte an. Auf dem Etikett der Multivitaminsäfte ist ein Kinderkopf mit roten Bäckchen und blauem Kopftuch abgebildet. Darunter befinden sich die Attribute „lernstark“ und  „mit Eisen zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit“.

Verbraucherschützer auf den Plan gerufen

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen sah in diesen Angaben eine irreführende Werbung für den Verbraucher mit Gesundheitswerten, die wissenschaftlich nicht belegt und nachweisbar seien.

Er mahnte das Unternehmen ab und forderte Unterlassung sowie Ersatz der Abmahnkosten. Über zwei Instanzen waren die Verbraucherschützer auch erfolgreich. Das OLG Koblenz bewertete die Werbung als eindeutig irreführend und als einen Verstoß gegen die EU-VO Nr. 1924/2006 (Health-Claim-VO).

Rotbäckchensaft ist ein kinderspezifisches Produkt

Die „Health-Claim VO“ regelt die Zulässigkeit von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben auf Lebensmitteln. Bei Produkten, die speziell für den Verzehr durch Kinder bestimmt sind, ist die Verordnung besonders streng und enthält einen Katalog der zulässigen Angaben.

Die Einlassung der Beklagten, der Multivitaminsaft sei nicht in erster Linie für Kinder gedacht, sondern werde besonders häufig von älteren Menschen getrunken, überzeugte das Gericht nicht. Sowohl die Aufmachung der Flaschen als auch der Hinweis auf den Etikettrückseiten, dass das Getränk besonders auch für Kinder geeignet sei, sprächen eine andere Sprache.

OLG hat keine Zweifel an der Unzulässigkeit der Angaben

Nach Auffassung des OLG entsprechen die auf den Rotbäckchenflaschen gemachten Aussagen nicht den nach der EU-VO zulässigen Angaben. Darüber hinaus schloss sich das OLG der Auffassung der Verbraucherschützer an, dass die Angaben eindeutig irreführend seien, weil die darin aufgestellten Behauptungen wissenschaftlich nicht erwiesen sind. Der Senat hatte an der Richtigkeit seiner Auffassung auch keinerlei Zweifel und ließ deshalb die Revision gegen sein der Klage der Verbraucherschützer stattgebendes Urteil nicht zu (OLG Koblenz, Urteil v. 11.12.2013, 9 U 405/13).

Erfolgreiche Beschwerde gegen Nichtzulassung der Revision

Das traditionsreiche Rotbäckchen entschloss sich, den steinigen Weg der Nichtzulassungsbeschwerde zu beschreiten und hatte nicht nur hiermit, sondern auch im Hauptverfahren Erfolg. Dabei kam es nach Auffassung des Senats auf die Frage, ob der Saft in erster Linie für ältere Menschen oder für Kinder gedacht ist, nicht entscheidend an.

Nach Ansicht der Richter halten die auf dem Etikett gemachten Angaben auch den strengen Anforderungen der “Health-Claim-VO“ in Bezug auf Kinder stand.

Die Katalog Aussagen dürfen auch sinngemäß übernommen werden

Nach Art. 10 Abs. 3 der „Health-Claim-VO“ ist folgende Produktangabe im Hinblick auf den Verzehr durch Kinder zulässig: „Eisen trägt zur normalen kognitiven Entwicklung von Kindern bei“.

Auf diese Bestimmung stellte der BGH maßgeblich ab.

  • Die Angabe „lernstark“ auf dem von der Beklagten verwandten Flaschenetikett werde von der Katalogaussage der VO gedeckt.
  • Die Etikettangabe „mit Eisen zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit“ entspreche ebenfalls der Katalogaussage, zumal das Etikett ausdrücklich auf diese Katalogaussage hinweise.

Nostalgie? BGH sah keine leeren Gesundheitsversprechen

Vor diesem Hintergrund beinhaltet die Gestaltung des Rotbäckchen-Etiketts nach Auffassung des BGH keine leeren Gesundheitsversprechen und enthält damit keine unzulässigen gesundheitsbezogenen Angaben. Damit seien die Angaben für den Verbraucher auch nicht irreführend. Die Etikettgestaltung ist hiernach insgesamt zulässig und zu Unrecht von den Verbraucherschützern beanstandet worden.

(BGH, Urteil v. 10.12.2015, I ZR 222/13).


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