Kein Versicherungsschutz wenn Analyse der Fahrzeugdaten nach Unfall verhindert wird
Der Fahrer eines Audi A8 Einen Schaden von gut 15.000 Euro machte bei seinem Vollkaskoversicherer geltend. Er habe bei Schneeregen die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren. Als Konsequenz sei er nach links von der Fahrbahn abgekommen und habe dann die Leitplanken touchiert.
Fragwürdiges Ausbrechen des Fahrzeugs trotz Fahrassistenzsystem
Die Versicherung wurde bei der Unfallbeschreibung hellhörig. Sie schaltete einen Sachverständigen ein, der zu der Einschätzung kam, dass ein Ausbrechen des Fahrzeugs aus seiner Spur angesichts der vorhandenen Fahrassistenzsysteme nicht erklärbar sei.
Auslesung des Fahrzeugdatenspeichers Eingriff in die Privatsphäre?
Daraufhin bat die Versicherung den Autofahrer um Zustimmung zur Auslesung des Fahrzeugdatenspeichers. Dieser lehnte mit der Begründung ab, dabei handele es sich um einen erheblichen Eingriff in seine Privatsphäre. Er befürchte, dass seitens der beklagten Versicherung beim Auslesen des Fahrzeugdatenspeichers Datenschutzverletzungen begangen würden. Insbesondere deshalb, weil die Versicherung aus diesen Daten Rückschlüsse auf sein Fahrverhalten ziehen könne.
Das Fahrzeug habe er inzwischen unrepariert nach Polen verkauft, weil er dringend Geld benötigt habe. Zum Käufer gebe es keinen Kontakt mehr. Es gebe deshalb auch keine Möglichkeit mehr das Fahrzeug zu untersuchen.
Versicherung bezweifelt den geschilderten Unfallhergang
Der Versicherer lehnte es daraufhin ab, den Schaden zu regulieren. Es sprächen Indizien dafür, dass es sich um ein manipuliertes Unfallereignis handele, bei dem der Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt worden sei. Aus technischer Sicht bestünden erhebliche Bedenken an dem vom Kläger behaupteten Unfallhergang.
Da das Fahrzeug mit Assistenzsystemen und ESP ausgestattet gewesen sei, könne ein Ausbruch des Fahrzeugs, so wie es der Kläger beschrieben habe, ausgeschlossen werden.
Arglistige Verletzung der Aufklärungsobliegenheit
Der Kläger sei aufgrund der Versicherungsbedingungen verpflichtet, eine Überprüfung des Fahrzeugspeichers zuzulassen. Wegen einer arglistigen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit des Klägers, sei die beklagte Versicherung leistungsfrei. Das Landgericht Köln gab der Versicherung Recht. Sie muss nicht für den Schaden an dem Fahrzeug aufkommen:
- Die beklagte Versicherung ist nach E.5.2 AKB i.V.m § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei.
- Der Kläger hat seine Aufklärungsobliegenheit gemäß E.1.3. AKB arglistig verletzt.
- Der Kläger muss der Versicherung Untersuchungen zu den Umständen des Schadensereignisses sowie zu ihrer Leistungspflicht ermöglichen, soweit im das zumutbar ist.
- Durch seine Weigerung, den Fahrzeugdatenspeicher auslesen zu lassen, hat der Kläger hiergegen verstoßen.
In seiner Urteilsbegründung wies das LG Köln darauf hin, dass keine Umstände ersichtlich seien, dass dem Kläger die Gestattung der Speicherauslesung unzumutbar gewesen wäre. Das Verhalten des Klägers wertete das Gericht als arglistig, weil er erkennbar auf die Regulierungsentscheidung habe Einfluss nehmen wollen. Zumindest in der Form, die Prüfung des Anspruchs auf Versicherungsschutz aufgrund verringerter Tatsachenbasis für sich unkomplizierter und zügiger zu gestalten.
Kläger kann Kausalitätsgegenbeweis nicht führen
Selbst wenn man nur von einer vorsätzlichen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit des Klägers ausgehen würde, bliebe die Versicherung leistungsfrei, so das Gericht. Das Fahrzeug stehe für eine Untersuchung offensichtlich nicht mehr zur Verfügung. Der Kläger könne folglich den Kausalitätsgegenbeweis nicht führen.
(LG Köln, Urteil v. 26.03.2020, 24 O 236/19)
Hintergrund:
Verschuldeter Versicherungsfall
§ 81 VVG unterscheidet bei der Herbeiführung eines Versicherungsfalls zwischen:
- einem vorsätzlichen Herbeiführen des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer und
- einem grob fahrlässig herbeigeführten Versicherungsfall.
Hat der Versicherte den Schaden vorsätzlich herbeigeführt, muss der Versicherer nicht zahlen (sog. Leistungsfreiheit § 81 Abs. 1 VVG).
Der Versicherungsverband GDV geht davon aus, dass sieben Prozent aller in der Kraftfahrtversicherung gemeldeten Fälle sogenannte Dubiosschäden sind, also Schäden mit erheblichen Ungereimtheiten (GDV, Pressemitteilung vom 4. Mai 2017).
Massendelikt Versicherungsbetrug
Die Dunkelziffern für Versicherungsbetrug sind so hoch, dass nicht zu leugnen ist, das etwas mehr Ehrlichkeit in diesem Bereich die Versicherungsprämien drastisch senken müsste: Betrüger sahnen nach Milliarden pro Jahr ab.
Ohne die Betrugsschäden könnte für die Autofahrer die Prämie in der Haftpflicht-Versicherung um einige Prozente, in der Kasko-Versicherung sogar um einen zweistelligen Prozentsatz niedriger sein.“
Dabei gibt es neben den fingierten Verkehrsunfällen auch ander Vorlieben für bestimmte Versicherungssparten und Gegenstände. Brillen und IT-Geräte stehen ganz oben auf der Versicherungsbetrugs-Hitliste, beim Autodiebstahl wird eine Betrugsquote von 50 % gemutmaßt, und nach Einbrüchen - so wird geschätzt - wird der Schaden in 60-70 % der Fälle nach oben frisiert. Besonders bei kleineren Schäden haben die Betrüger gut Karten. Bei Bagatellschäden gilt bei vielen Versicherungsunternehmen die Zok-Regelung (= Zahlen ohne Kontrolle).
Doch allgemein versuchen die Unternehmen angesichts immenser Schäden verstärkt, Versicherungsbetrügern das Handwerk zu legen. In der Versicherungswirtschaft gibt es seit längerer Zeit ein Hinweis- und Informationssystem (HIS), das u. a. zur Aufdeckung und Prävention von Versicherungsbetrug Verwendung findet. Dieses System wird auch Uniwagnis-Datei oder "Schwarze Liste" genannt. Allerdings muss in Zeiten der DSGVO diese Liste transparenter geführt werden als zuvor.
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