Wann sind Vertragsstrafen in vorformulierten Verträgen zulässig?
Hintergrund
Der klagende Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V. nahm ein Immobilienmaklerunternehmen wegen der Verwendung des Firmenbestandteils „Haus und Grund“ in Anspruch. Die Beklagte verpflichtete sich gemäß der der Abmahnung beigefügten Unterlassungserklärung für den Fall der Zuwiderhandlung zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 25.000 EUR. Nach Abgabe der Unterlassungserklärung war die Beklagte weiterhin in Online-Fernsprech und -Branchenverzeichnissen wie "11880.com", "gelbeseiten.de" und im Kartendienst "Google Maps" mit der Firmenbezeichnung "Eigentum Haus & Grund GmbH“ aufgeführt. Die Klägerin verlangte daraufhin die Zahlung der Vertragsstrafe. Die Beklagte meinte, die Klausel sei nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, da die Höhe der Vertragsstrafe das nur regional tätige Unternehmen unangemessen benachteilige.
BGH, Urteil v. 13.11.2013, I ZR 77/12
Der BGH verneinte eine unangemessene Benachteiligung durch die Vertragsstrafe in Höhe von 25.000 EUR zur Durchsetzung der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungserklärung. Das von der Klägerin vorformulierte Vertragsstrafeversprechen unterliege zwar der Inhaltskontrolle des AGB-Rechts. Vertragsstrafen dienten jedoch in erster Linie dazu, den Unterlassungsschuldner derart zur Einhaltung der von ihm versprochenen Unterlassungspflicht zu bewegen, dass er aufgrund der versprochenen Strafe vor weiteren Verstößen zurückschreckt. Deshalb müsse die Vertragsstrafe so hoch sein, dass sich ein Verstoß für den Unterlassungsschuldner voraussichtlich nicht mehr lohne. Die zulässige Höhe richte sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls; entscheidende Kriterien seien Schwere und Ausmaß der begangenen Zuwiderhandlung, deren Gefährlichkeit für den Gläubiger, das Verschulden sowie Art und Größe des Unternehmens des Unterlassungsschuldners. Angesichts des Hauptzwecks der Vertragsstrafe, der Abschreckungswirkung vor weiteren Verstößen, liege eine unangemessene Benachteiligung nicht schon dann vor, wenn die Höhe der Vertragsstrafe über dem typischerweise zu erwartenden Schaden liegt. Eine Vertragsstrafe sei nur dann nach § 307 Abs.1 BGB unwirksam, wenn sie bereits auf den ersten Blick außer Verhältnis zu dem mit der Vertragsstrafe sanktionierten Verstoß und den Gefahren steht, die mit möglichen zukünftigen Verstößen für den Unterlassungsgläubiger verbunden sind.
Anmerkung
Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe ist auch in AGB möglich, jedoch unterliegt diese auch im unternehmerischen Verkehr der Inhaltskontrolle. Unangemessen hohe Vertragsstrafenregelungen in AGB sind unwirksam, sie können anders als in Individualvereinbarungen auch nicht auf das noch zulässige Maß herabgesetzt werden.
An die wirksame Vereinbarung stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen. Dabei richtet sich die Zulässigkeit der Höhe nach dem jeweiligen Vertragstyp und dem Zweck der Vertragsstrafe. Für Vertragsstrafen in wettbewerbsrechtlichen Unterlassungserklärungen hat der BGH den Vertragspartnern nun einen großzügigen Beurteilungsspielraum eingeräumt. Dieser ermöglicht die Vereinbarung durchaus hoher Vertragsstrafen, ehe sie auf den ersten Blick unverhältnismäßig erscheinen gegenüber dem sanktionierten Verstoß und den Gefahren, die für den Unterlassungsgläubiger mit zukünftigen Verstößen verbunden sind.
Auch die Durchsetzung anderer Unterlassungspflichten, z.B. aus Geheimhaltungsvereinbarungen, Wettbewerbsverboten sowie Kunden- und Mitarbeiterschutzklauseln kann an empfindliche Beträge geknüpft werden, solange die Sanktion nicht außer Verhältnis zum Gewicht des Verstoßes und zu seinen Folgen für den Vertragspartner steht. Bei einer pauschalen Höhe der Vertragsstrafe muss sie auch noch für den typischerweise geringsten Vertragsverstoß angemessen sein.
Im Gegensatz dazu sind in Austauschverträgen der Höhe von Vertragsstrafen bei Verzug des Auftragnehmers enge Grenzen gesetzt. Die Höhe der Vertragsstrafe muss sowohl in der Gesamthöhe als auch bezogen auf den einzelnen Tag beschränkt sein. Als Leitlinie gilt, dass Vertragsstrafen von 0,2 % der Auftragssumme pro Arbeitstag des Verzugs und maximal 5 % der Auftragssumme wirksam sind. Die letztgenannte Obergrenze betrifft nicht die Gesamtauftragssumme, sondern nur die bis zum Zeitpunkt des Verzugs angefallene Auftragssumme. Wird die Vertragsstrafe dagegen für angefangene Wochen vereinbart, richtet sich die Angemessenheit danach, ob ihre Höhe für die gesamte Woche auch bei einer nur geringfügigen Überschreitung der Frist noch angemessen ist.
Rechtsanwälte Dr. Hendrik Thies, Stephanie von Riegen, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg
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