Zur wettbewerbsrechtlichen Haftung bei mehrstufigem Auftragsverhältnis
Manchmal weiß die eine Hand nicht, was die andere tut. In vielen Branchen wird mit einem komplizierten Geflecht aus Subunternehmern gearbeitet, so dass die Frage nach den eigentlichen Verantwortlichkeiten oft schwer zu beantworten ist. Wettbewerbsrechtlich schützt jedoch auch die Unkenntnis über ein mehrstufiges Beschäftigungsverhältnis nicht vor der Haftung des Auftraggebers, so ein kürzlich ergangenes Urteil des BGH.
Viele Köche …
Ein Energieversorgungsunternehmen, das seine Produkte sowohl im Rahmen von Haustürgeschäften als auch über Telefon-Direktmarketing vertreibt, schloss mit einem Vertriebspartner einen Kooperationsvertrag. Dieser sollte im Wege des Telefonvertriebs Verträge für das Energieversorgungsunternehmen vermitteln. Zusätzlich wurde vertraglich vereinbart, dass es dem Vertriebspartner nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Energieversorgungsunternehmens erlaubt sein sollte, für die Vermittlungstätigkeit Untervertriebspartner (z.B. Call Center) zu beauftragen.
… verderben den Brei
Der Vertriebspartner setzte sich jedoch über diese Vereinbarung hinweg und beauftragte seinerseits einen Untervertriebspartner ohne Zustimmung des Hauptauftraggebers. Statt Telefon-Direktmarketing führten die Mitarbeiter des Subunternehmens Haustürgeschäfte durch. Dabei wurden Kunden eines Mitwettbewerbers gedrängt, doch besser Verträge mit dem Hauptauftraggeber abzuschließen, anderenfalls erhielten sie gar keinen Strom mehr. Zusätzlich warben die Mitarbeiter mit einer Kostenersparnis von ca. 200 EUR gegenüber dem Mitbewerber.
Irreführende geschäftliche Handlung
Das Konkurrenzunternehmen sah darin einen wettbewerbsrechtlichen Verstoß wegen irreführender geschäftlicher Handlung nach § 5 Abs. 2 UWG und verklagte das Energieversorgungsunternehmen auf Unterlassen. Über § 8 Abs. 2 UWG habe die Beklagte nach Auffassung der Klägerin für das Verhalten der unterbeauftragten Mitarbeiter einzustehen.
Wettbewerbsrechtliche Erfolgshaftung ohne Entlastungsmöglichkeit
Das beklagte Unternehmen verteidigte sich damit, von dem Subunternehmer nichts gewusst zu haben. Die Beauftragung von Untervertriebspartnern hätte der Zustimmung der Beklagten bedurft, die nicht vorlag. Dieses Argument ließen die Bundesrichter jedoch nicht gelten: Die Bestimmung in § 8 Abs. 2 UWG regelt den Unterlassungsanspruch gegen einen Unternehmensinhaber bei Wettbewerbsverstößen seiner Mitarbeiter und Beauftragten im Sinne einer Erfolgshaftung. Dies bedeutet, dass es auf die Kenntnis oder Unkenntnis der Beklagten nicht ankomme. Eine Entlastung wegen des vertraglichen Ausschlusses ist ebenfalls nicht möglich, da es für die Einstandspflicht unbedeutend ist, wie die Beteiligten Ihre Rechtsbeziehungen untereinander ausgestalten.
Ausnahme: Tätigkeiten in einem anderen Geschäftsbereich
Etwas anderes könne nach Auffassung des BGH nur dann gelten, wenn der wettbewerbsrechtliche Verstoß des Beauftragten oder des Dritten einem völlig anderen Geschäftsbereich zugeordnet werden müsste. Dies wurde vorliegend jedoch ausgeschlossen: Auch wenn die Beauftragung der Beklagten auf Telefon-Direktmarketing beschränkt war, so fällt auch der „Vertriebszweig Haustürgeschäft“ in denselben Geschäftsbereich, nämlich „Stromverträge“. Damit lag der Wettbewerbsverstoß nicht außerhalb eines beherrschbaren Risikos der Beklagten, eine hinreichende Kontrolle der übertragenen Tätigkeit war ihr möglich oder zumutbar.
(BGH, Beschluss v. 4.4.2012, I ZR 103/11).
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