Zu weit gefasstes nachvertragliches Wettbewerbsverbot für Geschäftsführer kann unwirksam sein
Zum Sachverhalt der Entscheidung
Der Kläger war Geschäftsführer der Beklagten. Sein Geschäftsführerdienstvertrag enthielt ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, welches ihm jegliche Tätigkeit für Konkurrenzunternehmen untersagte. Nach Beendigung seiner Tätigkeit wollte der Kläger eine Geschäftsführungstätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen aufnehmen. Zu diesem Zweck beantragte er eine einstweilige Verfügung, welche ihm diese Tätigkeit erlauben sollte. Das LG München sprach ihm diese Erlaubnis vorläufig zu. Der 7. Senat des OLG München erließ im Rahmen des Berufungsverfahrens einen Hinweisbeschluss, in welchem er seine Rechtsansicht darlegte.
Der Hinweisbeschluss des OLG München (Beschluss vom 02.08.2018 – 7 U 2107/18)
Das OLG München zeigte an, dass das angeführte nachvertragliche Wettbewerbsverbot inhaltlich zu weit gefasst und damit wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig sei.
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zulasten von Geschäftsführern seien grundsätzlich zulässig. Sie seien jedoch am Maßstab des § 138 BGB zu messen, dürften also insbesondere nicht sittenwidrig sein. Dies ist nach Ansicht des BGH der Fall, wenn das Wettbewerbsverbot nicht den berechtigten Interessen der Gesellschaft dient und die wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers nach Zeit, Ort und Gegenstand unbillig erschwert (zuletzt: BGH v. 07.07.2008, Az. II ZR 81/07).
Diese Maßgabe legt das OLG München dahingehend aus, dass jedes inhaltlich zu weit gefasste Wettbewerbsverbot nichtig sei. In diesem Zusammenhang sei auf den Wortlaut der Vereinbarung abzustellen. Überschreite dieser die Grenze des Zulässigen sei das Wettbewerbsverbot sittenwidrig. Dies könne auch nicht durch die Höhe einer vereinbarten Karenzentschädigung ausgeglichen werden.
Dadurch entstehe nach Ansicht des OLG München zwar eine erhebliche Umgehungsgefahr: Geschäftsführer könnten in Zukunft pro forma untergeordnet bei einem Konkurrenzunternehmen angestellt werden, faktisch aber dennoch Insiderwissen weitergeben. Diese Umgehungsgefahr sei allerdings hinzunehmen. Denn einerseits überwiege die Berufsfreiheit des Geschäftsführers nach Art. 12 Abs. 1 GG das Interesse der Gesellschaft an einer Verhinderung von Umgehungstatbeständen. Und andererseits sei dieses Interesse der Gesellschaft auch durch das Strafrecht, insbesondere § 85 GmbHG (Verletzung der Geheimhaltungspflicht), ausreichend geschützt.
Erfasst ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot dem Wortlaut nach auch untergeordnete Tätigkeiten, sei dem Geschäftsführer demnach sogar eine Organtätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen zu gestatten. Denn solche Wettbewerbsverbote seien gesamtnichtig. Eine teilweise Aufrechterhaltung nichtiger Wettbewerbsverbote komme nach Ansicht des BGH nur in zeitlicher Hinsicht, nicht aber in inhaltlicher Hinsicht in Betracht.
Außerdem stellten solche Wettbewerbsverbote allgemeine Geschäftsbedingungen dar, wenn sie etwa als Musterklausel mehrfach verwendet werden oder werden sollen. Diese AGB-Eigenschaft entfalle erst dann, wenn die Klausel selbst nachweisbar individuell ausgehandelt worden sei. Wenn einzelne Regelungen des Geschäftsführerdienstvertrages – nicht aber die Klausel zum Wettbewerbsverbot selbst - individuell ausgehandelt wurden, genügt dies noch nicht. Deshalb könne auch eine salvatorische Klausel eine teilweise Aufrechterhaltung des Wettbewerbsverbots nicht bewirken.
Eine teilweise Aufrechterhaltung käme allenfalls in Betracht, wenn das Wettbewerbsverbot individuell ausgehandelt wurde oder Teile der Klausel auch ohne den überschießenden Teil des Wettbewerbsverbots sprachlich und inhaltlich schlüssig bleiben (sog. „blue-pencil-test“).
Anmerkung
Die Rechtsansicht des OLG München überzeugt inhaltlich nicht, wird aber erhebliche Auswirkungen auf die vertragliche Praxis haben.
Inhaltlich übergeht die Rechtsansicht des OLG München die berechtigten Interessen einer Gesellschaft und belegt umfassende Wettbewerbsverbote mit dem pauschalen Vorwurf der objektiven Sittenwidrigkeit. Die wirtschaftlichen Parameter eines Wettbewerbsverbots, die auch die Interessen des Geschäftsführers sicherstellen, bleiben dabei außer Ansatz. Das gilt auch für die subjektiven Zielsetzungen der Parteien.
Dies wird dem Sinn des § 138 BGB, der sittenwidrige Verträge verbietet, nicht gerecht. Denn er soll nur solche Vertragsschlüsse verbieten, die insgesamt mit dem Gerechtigkeitsgefühl unvereinbar sind. Deshalb ist stets auch eine Gesamtbetrachtung entsprechender Vereinbarungen erforderlich. Im Ergebnis verbietet die Ansicht des OLG München den beteiligten Parteien auch, eine individuelle und insgesamt sachgerechte Lösung auszuhandeln – und insbesondere eine höhere Reichweite eines Wettbewerbsverbots durch eine höhere Karenzentschädigung zu kompensieren.
Angesichts der drohenden Sanktion – der Nichtigkeit des gesamten Wettbewerbsverbots – muss die Rechtsansicht des OLG München jedoch in der Vertragspraxis berücksichtigt werden. Dafür ist insbesondere ein nachweisbares Aushandeln des Wettbewerbsverbots einschl. der Karenzentschädigung ratsam, um das Wettbewerbsverbot auf einen wirksamen Kern reduzieren können – wenngleich auch dann unsicher bleibt, ob Gerichte einer Reduktion auf den wirksamen Bestandteil folgen werden. Zudem muss damit gerechnet werden, bei Verstößen eines Geschäftsführers gegen das Wettbewerbsverbots zukünftig auch zum Inhalt seiner Tätigkeit bei Konkurrenzunternehmen vortragen zu müssen. Daher sollten neben einer Konkretisierung der nicht gestatteten Tätigkeiten auch Nebenabreden – wie zum Beispiel eine Beweislastumkehr oder Auskunftspflichten – vereinbart werden, die einen solchen Vortrag entbehrlich machen oder erst ermöglichen.
Rechtsanwalt
Arnt Göppert, LL.M. (McGill)
Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Köln
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