DAK: Krankschreibungen erreichen Rekordmarke

Rekordstand bei den Krankschreibungen im ersten Halbjahr 2016. Auch in den 1980er und 1990er Jahren war die Zahlen ähnlich hoch. Welche sind die häufigsten Ursachen dafür? Gibt es einen Zusammenhang von Krankenstand und Konjunktur?

Die Krankschreibungen in Deutschland haben nach Angaben der DAK-Gesundheit im ersten Halbjahr 2016 eine neue Rekordmarke erreicht. In diesem Zeitraum betrug der Krankenstand 4,4 Prozent. Er lag damit um 0,3 Prozentpunkte höher als im ersten Halbjahr 2015.

Erkrankung dauert im Schnitt 12,3 Tage

Mehr als jeder dritte Berufstätige (37 Prozent) wurde demnach mindestens einmal krankgeschrieben. Im Schnitt dauerte eine Erkrankung 12,3 Tage. Im Vorjahreszeitraum waren es 11,7 Tage, so die Analyse der DAK-Gesundheit.

Ursache: psychischen Leiden, Muskel-Skelett-Erkrankungen und Rückenschmerzen

Verantwortlich für den vergleichsweise hohen Krankenstand ist vor allem der Anstieg bei den Fehltagen aufgrund von psychischen Leiden und Muskel-Skelett-Erkrankungen wie Rückenschmerzen. Bei diesen Diagnosen stieg die Zahl der Fehltage den Angaben zufolge um jeweils 13 Prozent.

Hängt der Krankenstand von Konjunktur ab?

Als in den 1980er und 1990er Jahren der Krankenstand ähnlich hoch oder noch höher war als heute, gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Den Arbeitnehmern wurde damals gerne unterstellt «krankzufeiern», um zusätzliche Freizeit zu bekommen. Damals lief die Konjunktur insgesamt nicht ganz so rund wie in den vergangenen Jahren. Heute wird bei guter Konjunktur und hoher Beschäftigung der mit 4,4 Prozent höchste Krankenstand seit rund 20 Jahren relativ gelassen zur Kenntnis genommen.

Ist der Krankenstand bei schlechter Konjunktur höher?

Nein, nicht zwingend, sagt der Mit-Autor des regelmäßig erscheinenden DAK-Gesundheitsreports, Jörg Marschall, vom IGES-Institut. «Man nimmt vielmehr an, dass in Zeiten schlechter Konjunktur und hoher Arbeitslosigkeit Arbeitnehmer sehr zurückhaltend sind mit Krankschreibungen.» Wenn dann Beschäftigte entlassen würden, seien dies tendenziell eher Leute mit schlechterer Gesundheit. Es finde also eine Auswahl dahingehend statt, dass die gesünderen Arbeitnehmer im Arbeitsmarkt verbleiben, die dann wiederum zu einem geringeren Krankenstand beitrügen.

Ist der Krankenstand bei guter Konjunktur besonders niedrig?

Umgekehrt gelte in Zeiten guter Konjunktur und guter Arbeitsmarktlage, dass die Arbeitnehmer «Erholungsrückstau» abbauen und dann vielleicht doch die dringend benötigte Kur endlich machen. Zudem würden in Beschäftigungshochzeiten auch kränkere Arbeitnehmer eingestellt, so dass auch von daher in solchen guten Konjunkturphasen eher ein höherer Krankenstand erklärt werden könne.

Marschall fügt hinzu, es sei auf jeden Fall nicht so, dass Arbeitnehmer bei guter Konjunktur eher blau machten. «Das ist bestimmt nicht so. Das Gegenteil ist der Fall: Arbeitnehmer gehen öfter krank zur Arbeit, als dass sie zuhause bleiben.»

Wieso nehmen psychische Erkrankungen zu?

Die Krankheit wird nach und nach enttabuisiert. Ärzte und Patienten sind zunehmend bereit, über psychische Probleme zu sprechen und sie als Diagnose auch aufzuschreiben. Das Robert-Koch-Institut geht davon aus, dass jeder Dritte im Jahr wenigstens einmal an einer psychischen Erkrankung leidet. Das seien in der Regel keine schweren Erkrankungen wie Schizophrenie, sondern vermutlich vielfach leichtere Depressionen, die der Arbeitnehmer vielleicht gar nicht mal richtig wahrnehme, sagt Marschall. Er merkt nur, dass er sich zeitweise etwas antriebslos oder eben deprimiert fühle.

Ist die Zunahme auch auf die Arbeitsverhältnisse selbst zurückzuführen?

Viele Arbeitnehmer klagen anderen Studien zufolge über eine Zunahme der Stressfaktoren am Arbeitsplatz - unter anderem wird ständige Erreichbarkeit genannt. Der Vorsitzende der Partei Die Linke, Bernd Riexinger, meint: «Dauerstress, Überstunden, Unsicherheit und Angst vor Arbeitsplatzverlust sind Stressfaktoren, die psychisch und körperlich krank machen.» Prekäre Arbeitsverhältnisse oder Arbeitsverdichtung durch Personalmangel führen ebenfalls zu steigenden gesundheitlichen Belastungen.


dpa

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