So entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 18.9.2012 (L 11 KR 472/11). In dem zugrunde liegenden Streitfall zeigt sich, dass die Krankenkassen nicht bei jeder Lücke in der Krankschreibung die Krankengeldzahlung einstellen dürfen.
Nach Entlassung aus Klinik arbeitsfähig?
Das Arbeitsverhältnis des Versicherten K endete zum 30.9.2007. Bereits seit dem 13.8.2007 bestand Arbeitsunfähigkeit wegen einer depressiven Störung und Alkoholkrankheit. Die Kasse zahlte Krankengeld bis zum 30.9.2007. Im Anschluss bezog K Arbeitslosengeld. Aufgrund der ab dem 22.10.2007 erneut bestehenden Arbeitsunfähigkeit wegen einer schweren depressiven Episode gewährte die Kasse wieder Krankengeld. Eine stationäre psychiatrische Behandlung wegen der Depressionen und der Alkoholkrankheit endete am 4.3.2008. Der Versicherte K wurde aus psychiatrischer Sicht arbeitsfähig entlassen.
Bereits einen Tag später, am 5.3.2008 attestierte der Hausarzt Arbeitsunfähigkeit und stellte eine Folgebescheinigung aus. Als Diagnose gab der Hausarzt Arthrose (Schulterschmerzen) an, die den arbeitslosen Versicherten K an der Ausübung seines Berufs als Taxifahrer hindern würde.
Einstellung der Krankengeldzahlung
Die Kasse befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Von dort wurde mitgeteilt, dass die Entlassung der Klinik als "arbeitsfähig" verbindlich sei. Mit Bescheid vom 26.3.2008 stellte die Krankenkasse daraufhin das Ende des Krankengeldbezugs zum 4.4.2008 fest. Vom 5.3.2008 bis 4.4.2008 bestehe nur ein nachgehender Leistungsanspruch.
Verweisung irrtümlich falsch ausgelegt
Der Versicherte K ging gegen die Einstellung des Krankengeldes vor. Das LSG hat dem – zwischenzeitlich verstorbenen - Versicherten Recht gegeben und dazu eine Bewertung des Entlassungsberichts der Klinik vorgenommen:
Bei Versicherten, die bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit in einem Arbeitsverhältnis stehen, liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn diese Versicherten die an ihrem Arbeitsplatz an sie gestellten Anforderungen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erfüllen können.
Endet jedoch das Arbeitsverhältnis - wie im verhandelten Fall - nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, sind nicht mehr die konkreten Verhältnisse am früheren Arbeitsplatz maßgebend, sondern es ist abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen. Der Versicherte darf nach Ende des Arbeitsverhältnisses auf gleiche oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten eng zu ziehen ist.
Die psychiatrische Klinik hatte seinerzeit die Entlassung „arbeitsfähig“ wegen der zwischenzeitlichen Arbeitslosigkeit lediglich auf leichte Tätigkeiten bezogen. Diese sind im vorliegenden Fall aber nicht maßgeblich. Die Richter des Sozialgerichts waren überzeugt: Arbeitsunfähigkeit bestand während des gesamten streitigen Zeitraums. Die Klinik hat den Versicherten irrtümlich „gesundgeschrieben“, da sie aufgrund der Arbeitslosigkeit eine unzutreffende Bezugstätigkeit zugrunde gelegt hat.
Mitglied muss sich nicht aktiv um eine Korrektur bemühen
Die rechtzeitige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit wurde im vorliegenden Fall somit durch Umstände verhindert, die der Krankenkasse zugerechnet werden müssen. Der Versicherte muss sich in einem solchen Fall nicht selbst um eine Korrektur (etwa durch Aufsuchen weiterer Ärzte) bemühen. Der Anspruch auf Krankengeld bestand daher durchgehend.
Das LSG Baden-Württemberg hat keine Gründe für die Zulassung der Revision gesehen. Das Urteil ist rechtskräftig.
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