Regelungen für einen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan
Außergerichtliche Einigung mit Gläubigern
Bevor bei einem Schuldner die Möglichkeit besteht, ein Verbraucherinsolvenzverfahren durchzuführen, muss dieser versuchen, eine außergerichtliche Einigung mit seinen Gläubigern herbeizuführen. Dies ergibt sich aus § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Scheitert dieser Einigungsversuch, kann der Antrag gestellt werden, das Scheitern ist aber nachzuweisen. Da in diesen Versuch auch die Finanzbehörden einzubeziehen sind, wenn sie denn Gläubiger im jeweiligen Verfahren sind, bietet das BMF-Schreiben einen guten Hinweis darauf, wann die Finanzbehörden bereit sein sollten, einem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan zuzustimmen.
Außergerichtlicher Schuldenbereinigungsplan
Es bietet sich aber darüber hinaus auch dann an, wenn ein Schuldenbereinigungsplan vorbereitet wird, da das Schreiben die wesentlichen Aspekte eines solchen Planes darstellt. Ohne fachkundige Hilfe dürfte ein solcher Plan allerdings regelmäßig nicht aufzustellen sein, da die Anforderungen nicht gering sind. Das Verbraucherinsolvenzverfahren nach Scheitern eines außergerichtlichen Einigungsversuches ist dann quasi ein abgespecktes Insolvenzverfahren, an dessen Ende die Restschuldbefreiung gemäß § 287ff. InsO erstrebt wird. Nach der neuen geltende Rechtslage kann diese Befreiung dabei bereits nach einer Wohlverhaltensperiode von drei Jahren (früher fünf Jahren) erreicht werden. Voraussetzung ist aber weiterhin, dass sich der Schuldner in dieser Zeit "wohlverhalten" im Sinne des Gesetzes hat, also vor allem seinen Mitteilungspflichten nachgekommen ist und sein pfändbares Vermögen an einen Treuhänder abgetreten hat.
Gesetzliche Grundlagen
Die gesetzlichen Regelungen für das Verbraucherinsolvenzverfahren finden sich in den §§ 304ff. InsO. Ein solches kann durchgeführt werden von einem Verbraucher, aber auch von Personen, die eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt haben, wenn die Vermögensverhältnisse überschaubar sind und keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen. Dies sind aber nicht nur die Ansprüche von Arbeitnehmern, sondern auch Forderungen, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen, also insbesondere Sozialabgaben und Lohnsteuern. Von einer Überschaubarkeit ist auszugehen, wenn es weniger als 20 Gläubiger gibt. Wie erwähnt, setzt die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens voraus, dass ein vorheriges außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren gescheitert ist.
Der wesentliche Inhalt des BMF-Schreibens ist: Der erste Abschnitt des Schreibens stellt die allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen für die außergerichtliche Schuldenbereinigung dar.
Verfahren des Schuldenbereinigungsversuchs
Der zweite Abschnitt des BMF-Schreibens betrifft das Verfahren des Schuldenbereinigungsversuches. Die Verhandlungen erfolgen hierbei auf der Grundlage eines Schuldenbereinigungsplanes. Für die Finanzverwaltung ist bei den Verhandlungen aber zu berücksichtigen, dass diese bei der Frage, ob sie auf eine Forderung verzichtet, an die Bestimmungen der AO (§§ 163, 227 AO) unter Einbeziehung der Zielsetzungen der InsO, redlichen Schuldnern unter Einbeziehung der Gläubigern einen wirtschaftlichen Neuanfang zu ermöglichen, gebunden ist. Sachliche Billigkeitsgründe, die aber eher die Ausnahme im steuerlichen Verfahrensrecht darstellen, sind hierbei von insolvenzrechtlichen Kriterien unabhängig. Ob eine Person allerdings persönliche Billigkeitsgründe in Anspruch nehmen kann, ist nach der AO sowie den ergänzenden Regelungen der InsO zu prüfen.
Die Zustimmung oder Ablehnung eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplanes durch die Finanzbehörde ist ein Verwaltungsakt. Stimmt die Finanzverwaltung zu, weil der Schuldner erlassbedürftig und erlasswürdig ist, kann der Erlass zunächst nur verbindlich in Aussicht gestellt werden, da dieser erst wirksam wird, wenn alle Bedingungen erfüllt sind. Insbesondere müssen die übrigen Gläubiger zugestimmt haben oder der Schuldner, so dies Gegenstand des Planes ist, noch Zahlungen leisten. Der Erlass wird erst dann wirksam, wenn diese Bedingungen erfüllt sind. Ist der Schuldenbereinigungsplan erfüllt, erlischt der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis automatisch, es bedarf also keines weiteren Verwaltungsakts.
Lehnt die Finanzverwaltung eine Zustimmung zum außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan hingegen ab, kann gegen den Verwaltungsakt Einspruch eingelegt werden. Anschließend ist der Finanzrechtsweg eröffnet.
Zu einer Entscheidung durch die Finanzbehörden kommt es nicht, wenn einer der anderen Gläubiger nach der Aufnahme der Verhandlungen Vollstreckungsmaßnahmen ergreift. Das Verfahren ist dann nach § 305a InsO gescheitert. Zudem kommt ein Scheitern aus anderen Gründen in Betracht.
Ermittlung des Sachverhalts durch die Finanzbehörden
Abschnitt 3 des BMF-Schreibens betrifft die Ermittlung des Sachverhalts durch die Finanzbehörden. Diese haben sich zur Prüfung des Schuldenbereinigungsplanes verschiedene Unterlagen vorlegen zu lassen. Dies sind insbesondere
- Nachweis über die Beteiligung am Erwerbsleben,
- ein Verzeichnis über Vermögen und Einkommen (Vermögensverzeichnis),
- eine Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts des Vermögensverzeichnisses (Vermögensübersicht),
- ein Gläubigerverzeichnis mit Auflistung der Verbindlichkeiten,
- den eigentlichen Schuldenbereinigungsplan, der darstellt, welche Zahlungen wann geleistet werden und woher die Mittel kommen,
- Nachweise über Bürgschaften, Pfandrechte, Schenkungen und Veräußerungen an nahe Angehörige und andere Personen,
- Erbfälle sowie die Erklärung, dass Vermögen aus Erbschaften und Schenkungen zur Hälfte zur Befriedigung von Gläubigern eingesetzt werden, keine weiteren Gläubiger vorhanden sind und die Angaben vollständig und richtig sind.
Anforderungen an den Schuldenbereinigungsplan
Der vierte Abschnitt des Schreibens stellt die Anforderungen an den Schuldenbereinigungsplan dar. Dieser muss so ausgestaltet sein, dass er ein zielgerichtetes Vorgehen des Schuldner erkennen lässt, eine umfassende Lösung seiner Verschuldungsprobleme gegenüber allen Gläubigern zu erreichen. Die Finanzbehörden können auf eine zweckdienliche Änderung des Planes drängen. Der Plan muss deshalb alle in Abschnitt 3 aufgeführten Aspekte darstellen. Der Plan kann Ratenzahlungen oder eine quotenmäßige Befriedigung gegen Teilverzicht vorsehen. Angesetzt werden können auch Stundung oder Vollstreckungsaufschübe. Eine Einmalzahlung kann ebenfalls vorgesehen werden, auch ein Plan, der keine Zahlung vorsieht, schließt einen Plan nicht von vorherein aus.
Weitere Regelungen:
Der Schuldenbereinigungsplan kann darüber hinaus Regelungen beinhalten über Eingriffe in Absonderungsrechte, Lohnabtretungen zugunsten von Gläubigern, Vereinbarungen über sonstige Sicherheiten, Anpassungen für den Fall zukünftiger Erwerbe, Regelungen im Fall von Aufrechnungen, Klauseln zum Wiederaufleben von Forderungen sowie Obliegenheiten des Schuldners, also Pflichten, die er einzuhalten hat.
Erlassbedürftigkeit und -würdigkeit
Abschnitt 5 des Schreibens betrifft dann die für die Finanzverwaltung zentrale Frage, wann ein Schuldner erlassbedürftig und erlasswürdig ist und damit eine Zustimmung der Finanzbehörden zum vorgelegten Schuldenbereinigungsplan erfolgt. Die Erlasswürdigkeit ist dabei grundsätzlich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners zu beurteilen.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Ehegatten sind nur insoweit zu berücksichtigen, als Zahlungen über den gesetzlich zustehenden Unterhaltsanspruch erfolgen. Bei der Frage der Erlasswürdigkeit kommt es zentral darauf an, ob das Verfahren erfolgversprechend ist und die an alle Gläubiger zu entrichtenden Zahlungen in Anbetracht der wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen sind. Auch muss der Plan so ausgestaltet sein, dass der Schuldner sein gesamtes Vermögen für einen gewissen Zeitraum und sein künftig pfändbares Einkommen zur Schuldentilgung einsetzt. Hierbei sind die Höhe des Vermögens, sein Einkommen sowie sein Alter zu berücksichtigen.
Alle Gläubiger sind regelmäßig mit der gleichen Quote zu befriedigen, es sei denn, es bestehen werthaltige Pfandrechte oder Sicherheiten, die eine Vorwegbefriedigung ermöglichen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze dürfte die Zustimmung zu einem vorgelegten Schuldenbereinigungsplan, der den oben angeführten Grundsätzen genügt, an der Erlassbedürftigkeit selten scheitern.
Wann keine Erlasswürdigkeit besteht
Zentral ist aus der Sicht der Finanzverwaltung die Erlasswürdigkeit. Das BMF stellt einige Konstellationen dar, in denen grundsätzlich keine Erlasswürdigkeit besteht. Dies sind Fälle, in denen ein Antrag auf Restschuldbefreiung unzulässig wäre, etwa weil dem Schuldner in den letzten 11 Jahren eine Restschuldbefreiung gewährt wurde oder diese in den letzten drei bzw. fünf Jahren versagt wurden.
Weiterhin darf die Restschuldbefreiung nicht versagt worden sein, weil der Schuldner wegen einer Insolvenzstraftat verurteilt wurde, er schriftlich falsche Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht hat oder er seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist. Bestimmte Forderungen sind zudem von einem Schuldenbereinigungsplan ausgenommen, etwa solche, die im Zusammenhang mit einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat stehe.
Weitergehende Ausführungen zur Frage der Erlasswürdigkeit macht das BMF-Schreiben nicht. Es gelten somit die allgemeinen Regelungen der AO zur Erlasswürdigkeit. Gerade an dieser Stelle, die für Schuldner von zentraler Bedeutung sind, hätte man sich in dem BMF-Schreiben etwas weitergehende Ausführungen gewünscht. Es werden lediglich drei Fallkonstellationen geschildert, in denen keine Erlasswürdigkeit besteht. Hier wäre eine Aufstellung von Kriterien, wann von Erlasswürdigkeit im Regelfall auszugehen ist, wünschenswert gewesen. Und dies nicht nur im Interesse der Steuerpflichtigen und ihrer Berater, die einen Schuldenbereinigungsplan aufstellen, sondern sicherlich auch der Finanzbeamten, die einen solchen Plan zu prüfen haben.
BMF, Schreiben v. 27.1.2021, IV A 3 - S 0550/20/10008 :001, veröffentlicht am 19.2.2021
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