Umsatzsteuer bei Kunstgegenständen und Sammlungsstücken
Die rechtliche Problematik
Die bis 31.12.2013 geltende Ermäßigung des Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 i. V. m. den Nr. 49 Buchst. f, Nr. 53 und Nr. 54 der Anlage 2 zum UStG verstieß gegen die verbindlichen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts, indem sie uneingeschränkt auf sämtliche Umsätze und die Vermietung dieser Gegenstände anwendbar war. Der Verstoß betraf insbesondere den gewerblichen Kunsthandel sowie die Vermietung von Kunstgegenständen und Sammlungsstücken. Mit den Änderungen zum 1.1.2014 wurde zur Abwendung eines Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland die Steuerermäßigung für Kunstgegenstände und Sammlungsstücke auf das gemeinschaftsrechtlich zulässige Maß beschränkt. Durch die Änderungen werden insbesondere die Lieferungen von Sammlungsstücken sowie die Vermietung von Sammlungsstücken und Kunstgegenständen dem Regelsteuersatz unterworfen.
Wichtig: Die Lieferung, der innergemeinschaftliche Erwerb, die Einfuhr und die Vermietung dieser Gegenstände unterlag bis zum 31.12.2013 einheitlich dem ermäßigten Steuersatz.
Ab dem 1.1.2014 ist die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes eingeschränkt. Weiterhin bleibt er nach § 12 Abs. 2 Nr. 12 UStG anwendbar für die Einfuhr von Kunstgegenständen und Sammlungsstücken.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 13 UStG kann der ermäßigte Steuersatz für die Lieferung und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Kunstgegenständen nur noch in bestimmten, abschließend aufgeführten Fällen zur Anwendung kommen. Dazu muss der Kunstgegenstand vom Urheber selbst bzw. seinem Rechtsnachfolger erworben worden sein oder - bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen - von einem Unternehmer geliefert werden, der kein Wiederverkäufer ist. Im gewerblichen Kunsthandel (z. B. Galeristen und Kunsthändler) kommt der ermäßigte Umsatzsteuersatz nicht mehr zur Anwendung.
Im Zusammenhang mit der Beschränkung der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes bei dem gewerblichen Handel mit Kunstgegenständen ist – ebenfalls zum 1.1.2014 – in § 25a Abs. 3 UStG eine neue Pauschalregelung bei der Differenzbesteuerung mit aufgenommen worden.
Die im Rahmen der Differenzbesteuerung anfallende Umsatzsteuer wird grundsätzlich nach dem Betrag bemessen, um den der Verkaufspreis den Einkaufspreis eines Gegenstands übersteigt (§ 25a Abs. 3 Satz 1 UStG).
Nach einer Protokollerklärung des Rates und der Kommission zur Richtlinie 94/5/EG des Rates vom 14.2.1994, mit der die unionsrechtlichen Grundlagen für die Anwendung der Differenzbesteuerung geschaffen wurden, können die Mitgliedstaaten in bestimmten Fällen vorsehen, dass die der Berechnung der Umsatzsteuer zugrunde zu legende Differenz mindestens 30 % des Verkaufspreises beträgt (sog. „Pauschalmarge“; vgl. Begründung des Finanzausschusses des Bundestags, BT-Drucks. 17/11220). Zwingende Voraussetzung für die Anwendung der Pauschalmarge ist, dass sich der Einkaufspreis für den Kunstgegenstand nicht genau ermitteln lässt oder dieser Einkaufspreis unbedeutend ist. Mit der Ergänzung des § 25a Abs. 3 UStG ist von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht worden. Durch die Änderung sollen Nachteile ausgeglichen werden, die dem gewerblichen Kunsthandel durch den Wegfall des ermäßigten Steuersatzes auf die Lieferung von Kunstgegenständen entstehen.
Das BMF-Schreiben vom 18.12.2014
Nach fast einem Jahr nimmt die Finanzverwaltung zu den seit dem 1.1.2014 geltenden Neuregelungen Stellung und ergänzt insbesondere im Bereich der Differenzbesteuerung den UStAE.
Im ersten Teil des BMF-Schreibens stellt die Finanzverwaltung die geltende gesetzliche Rechtslage dar.
Wichtig: Damit ein Kunstgegenstand auch ab dem 1.1.2014 dem ermäßigten Steuersatz unter den Bedingungen des § 12 Abs. 2 Nr. 13 UStG unterliegen kann, muss zuerst geprüft werden, ob ein Kunstgegenstand i. S. d. Anlage 2 zum UStG vorliegt. Die Abgrenzung ergibt sich weiterhin ausschließlich anhand der Zolltarifpositionen.
Ein Kunstgegenstand unterliegt bei Lieferung oder bei innergemeinschaftlichem Erwerb dem ermäßigten Steuersatz, wenn die Lieferung vom Urheber oder dessen Rechtsnachfolger bewirkt wird. Wer als Urheber oder dessen Rechtsnachfolger anzusehen ist, richtet sich ausschließlich nach dem UrhG. Urheber ist danach der Schöpfer des Kunstwerks (§ 7 UrhG). Rechtsnachfolger können nur die Personen sein, die in die Rechtsposition des Urhebers eintreten und das Urheberrecht im Ganzen erhalten (z. B. Erben oder Vermächtnisnehmer).
Wichtig: Personen, denen nur Nutzungsrechte oder andere Befugnisse nach § 29 Abs. 2 UrhG eingeräumt worden sind, sind keine Rechtsnachfolger.
Der Verkauf eines Kunstgegenstands kann auch dann ermäßigt besteuert werden, wenn der Verkauf durch einen Unternehmer ausgeführt wird, der kein Wiederverkäufer ist und der Gegenstand
- vom Unternehmer in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt wurde,
- von seinem Urheber oder dessen Rechtsnachfolger an den Unternehmer geliefert wurde oder
- den Unternehmer zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt hat.
Wichtig: Voraussetzung ist in diesen Fällen aber jeweils, dass der Unternehmer kein Wiederverkäufer ist. Um einen Wiederverkäufer handelt es sich nach § 25a Abs. 1 Nr. 1 UStG bei einem Unternehmer, der im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit üblicherweise Gebrauchtgegenstände erwirbt und sie dann im eigenen Namen verkauft oder versteigert. Auf den Umfang der Umsätze mit Kunstgegenständen kommt es nicht an.
Kunstgegenstände können unter 2 verschiedenen Voraussetzungen der Differenzbesteuerung unterliegen:
- Der Kunstgegenstand ist ohne Entstehung von Umsatzsteuer (z. B. Erwerb von einem Nichtunternehmer, von einem Kleinunternehmer oder einem selbst der Differenzbesteuerung unterliegenden Unternehmer) erworben worden.
- Der Unternehmer hat gem. § 25a Abs. 2 Satz 1 UStG spätestens bei Abgabe der ersten Voranmeldung eines Kalenderjahrs gegenüber dem Finanzamt erklärt, die von ihm eingeführten bzw. die ihm mit Umsatzsteuer gelieferten Kunstgegenstände auch der Differenzbesteuerung zu unterwerfen.
Die Finanzverwaltung stellt in ihrem Schreiben klar, dass bei einem Antrag nach § 25a Abs. 2 UStG nicht nur die ab diesem Zeitpunkt erworbenen Gegenstände der Differenzbesteuerung unterliegen, sondern auch die vor dem Optionszeitpunkt erworbenen Gegenstände, wenn sie danach veräußert werden (Abschn. 25a.1 Abs. 7 Satz 3 und 4 UStAE).
Wichtig: Wurde ein Kunstgegenstand noch unter den Bedingungen der Regelbesteuerung erworben, dann aber nach Antrag nach § 25a Abs. 2 UStG im Rahmen der Differenzbesteuerung veräußert, führt dies dazu, dass eine bei Erwerb entstandene Umsatzsteuer oder Einfuhrumsatzsteuer nicht zum Vorsteuerabzug zugelassen ist (§ 25a Abs. 5 Satz 3 UStG). Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass die Umsatzsteuer unter den Bedingungen des § 15a UStG zu korrigieren ist (Abschn. 15a.2 Abs. 2 Nr. 8 und Abschn. 25a Abs. 7 Satz 7 ff. UStAE). Dies bedeutet insbesondere, dass die Berichtigung eine Umsatzsteuer von mehr als 1.000 EUR voraussetzt (§ 44 Abs. 1 UStDV). Die Korrektur erfolgt für den Besteuerungszeitraum, in dem der Kunstgegenstand veräußert worden ist.
Die Finanzverwaltung nimmt auch zu der im Gesetz nicht näher erläuterten Pauschalmarge für Kunstgegenstände Stellung. Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Pauschalmarge von 30 % nur für Kunstgegenstände anzuwenden, bei denen der Einkaufspreis nicht feststellbar oder unbedeutend ist. Bei Anwendung der Pauschalmarge wird die Marge mit 30 % des Verkaufspreises angesetzt und die Umsatzsteuer – immer mit dem Regelsteuersatz – aus dieser Marge herausgerechnet. Die Finanzverwaltung legt die gesetzlichen Vorgaben wie folgt aus:
- Aufgrund der besonderen Aufzeichnungspflichten (§ 25a Abs. 6 UStG) bei Anwendung der Differenzbesteuerung kann die Nichtermittelbarkeit des Einkaufspreises nur der Ausnahmefall sein. Der Unternehmer muss nachweisen, dass er alle ihm zumutbaren Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft hat. Soweit dieser Nachweis nicht geführt werden kann, ist der Einkaufspreis im Rahmen einer sachgerechten Schätzung zu ermitteln (Abschn. 25a.1 Abs. 11a Satz 5 ff. UStAE). Wichtig: Die Voraussetzung liegt dann vor, wenn ein Wiederverkäufer einen Nachlass aufkauft, in dem auch Kunstgegenstände enthalten sind oder er erwirbt eine Sammlung von Kunstgegenständen als Sachgesamtheit, ohne dass den einzelnen Gegenständen ein Kaufpreis zuzurechnen ist. Eine Nichtermittelbarkeit des Einkaufspreises liegt aber nicht alleine schon deshalb vor, weil der Unternehmer Aufwendungen für die Durchführung von Verkaufsförderungsmaßnahmen trägt (z. B. bei in Kommission genommenen Kunstgegenständen).
- Als unbedeutend gilt ein Einkaufspreis, wenn er 500 EUR (ohne evtl. anfallende USt) nicht übersteigt (Abschn. 25a.1 Abs. 11a Satz 10 UStAE).
Konsequenzen für die Praxis
Die Abschaffung des ermäßigten Steuersatzes zum 1.1.2014 hatte erhebliche Unruhe in der Kunsthandelsbranche verursacht. Insbesondere die Anwendung der nur für die Lieferung von Kunstgegenständen geschaffenen Pauschalmarge war unklar, da die gesetzlichen Vorgaben unbestimmt und auslegungsfähig sind. Da auch in den Reihen der Finanzverwaltung umstritten war, ob diese Voraussetzungen weit oder eher eng auszulegen sind, dauerte es fast ein Jahr, bis die Finanzverwaltung sich zu diesen Punkten jetzt geäußert hat.
Die Finanzverwaltung legt die unbestimmten gesetzlichen Begriffe eher eng aus. Dabei wird es wohl einer gerichtlichen Prüfung vorbehalten bleiben, ob ein unbedeutender Einkaufspreis von der Finanzverwaltung (willkürlich) bei 500 EUR festgelegt werden kann.
Wichtig: Es ist alleine schon fraglich, ob ein unbedeutender Einkaufspreis absolut (so jetzt die Finanzverwaltung) oder relativ (abhängig vom Verkaufspreis) zu bestimmen ist. Allerdings muss grundsätzlich bedacht werden, dass die Pauschalmarge sowieso zu den weniger gelungenen gesetzlichen Vorschriften gehört. Es kann hinterfragt werden, ob – ohne ersichtlichen systematischen Grund – eine Gruppe von Gegenständen mit einer besonderen Bemessungsgrundlage begünstigt werden kann. Zumindest bei den Sammlungsstücken und anderen Gebrauchtgegenständen liegen vergleichbare tatsächliche Verhältnisse vor, sodass die Reduzierung der Pauschalmarge auf Kunstgegenstände eine willkürliche gesetzliche Regelung darstellt.
Die Grundsätze sind für alle nach dem 31.12.2013 ausgeführten Umsätze anzuwenden. Die Ausführungen der Finanzverwaltung, dass eine eventuelle Korrektur der Vorsteuer bei Antrag nach § 25a Abs. 2 UStG unter den Bedingungen des § 15a UStG zu erfolgen hat, gelten in allen noch offenen Fällen.
-
Geänderte Nutzungsdauer von Computerhardware und Software
12.6655
-
0,03 %-Regelung für Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte
7.390
-
1. Neuregelungen ab 2023 und BMF-Schreiben
6.442
-
Steuerbonus für energetische Baumaßnahmen
3.1826
-
Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung
3.049
-
Offenlegung der Jahresabschlüsse bis zum 2.4.2024
2.826
-
Umsatzsteuerliche Behandlung kleiner Photovoltaikanlagen ab 2023
2.606
-
2. Voraussetzungen der Sonderabschreibung
2.195
-
Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG für kleinere Photovoltaikanlagen ab 2022
1.97239
-
1. Wachstumschancengesetz verbessert Sonderabschreibung für neue Mietwohnungen
1.471
-
Lohnsteuerabzug im Verfahren der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale
20.12.2024
-
Grundsteuer in den verschiedenen Bundesländern
20.12.2024
-
Von Luftfahrtunternehmen gewährte unentgeltliche oder verbilligte Flüge
17.12.2024
-
AdV von auf § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG gestützten Bescheiden
17.12.2024
-
Bis 1.4.2025 keine Sanktionen für verspätete Offenlegung
16.12.2024
-
Finanzämter wahren Weihnachtsfrieden
16.12.2024
-
Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2024
16.12.2024
-
Umsatzbesteuerung der in Luxemburg ansässigen Unternehmer
16.12.2024
-
Anwendungsschreiben zur Mitteilungsverordnung ab 2025 neugefasst
13.12.2024
-
Bewertung einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung für Stichtage ab 1.1.2025
13.12.2024