Umsetzung des EuGH-Urteils "van Caster"
Durch dieses Schreiben der Finanzverwaltung vom 23.5.2016 wurde das bis dato geltende BMF-Schreiben v. 28.7.2015 (IV C 1 – S 1980–1/11/10014 :005, BStBl I 2015, 610) aufgehoben, und das BMF hat die Möglichkeit des Nachweises der tatsächlichen Höhe der Einkünfte aus intransparenten ausländischen Investmentfonds wieder auf Investmentfonds aus Drittstaaten ausgedehnt und somit den Status im Wesentlichen wieder auf die Situation des ersten Schreibens des BMF v. 4.2.2015 zurückgedreht.
Hintergrund: EuGH-Urteil v. 9.10.2014
Mit EuGH-Urteil v. 9.10.2014 (C-326/12, "van Caster") wurde entschieden, dass die pauschale Besteuerung der Einkünfte aus intransparenten ausländischen Investmentfonds nach § 6 InvStG gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt und damit europarechtswidrig ist. Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach, wenn ein ausländischer Investmentfonds die in dieser Regelung vorgesehenen, unterschiedslos für inländische und ausländische Fonds geltenden Verpflichtungen zur Bekanntmachung und Veröffentlichung bestimmter Angaben nicht erfüllt, die Erträge, die der Steuerpflichtige aus diesem Investmentfonds erzielt, pauschal zu besteuern sind, da diese Regelung dem Steuerpflichtigen nicht ermöglicht, Unterlagen oder Informationen beizubringen, mit denen sich die tatsächliche Höhe seiner Einkünfte nachweisen lässt.
Diese Vorschrift zieht Konsequenzen für den Anleger nach sich, wenn der Fonds, an dem er beteiligt ist, bestimmte Nachweisvorschriften nicht einhält. Dann wird der Anleger nicht mit den ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen im Sinne des § 1 Abs. 3 InvStG, sondern pauschal besteuert. Es wird fingiert, der Anleger habe eine Rendite von 6 % erzielt.
Erste Reaktion der Finanzverwaltung
Das BMF hatte mit Schreiben v. 4.2.2015 entsprechend reagiert und die Anforderungen an den Nachweis grundlegend aufgezeigt, wobei der Nachweis auch für Drittstaatenfonds ermöglicht wurde.
2. BMF-Schreiben
Das BMF hat mit Schreiben v. 28.7.2015 die Entscheidung des EuGH aufgegriffen und die Anforderungen an einen individuellen Nachweis der tatsächlichen Einkünfte aus einem Investmentfonds präzisiert. Das BMF bezieht sich in seinem Schreiben allerdings ebenfalls ausschließlich auf Investmentfonds mit Sitz in einem EU-/EWR-Staat und nimmt Investmentfonds mit Sitz in einem Drittstaat – entgegen dem vorhergehenden BMF-Schreiben v. 4.2.2015 – unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH v. 21.5.2015 (C-560/13, "Wagner-Raith") ausdrücklich aus.
3. BMF-Schreiben
Das BMF-Schreiben v. 23.5.2016 dreht nun das BMF-Schreiben v. 28.7.2015 wieder zurück und eröffnet wieder die Möglichkeit des Nachweises für Investmentfonds aus Drittstaaten.
Die erneute Änderung der Verwaltungsauffassung geht auf das BFH-Urteil v. 17.11.2015 (VIII R 27/12) zurück, wonach die Regelung des § 6 InvStG nicht der Stand-Still-Clause des Art. 64 Abs. 1 AEUV unterfällt, so dass dieser bzgl. Investmentfonds aus Drittstaaten am Maßstab der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen ist. Der BFH ist in diesem Urteil zu dem Schluss gelangt, dass - entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung gemäß BMF-Schreibens v. 28.7.2015 - den inländischen Anteilscheininhabern eines Investmentfonds mit Sitz in den USA zur Vermeidung der pauschalen Ermittlung der Kapitalerträge nach §§ 2, 6 InvStG die Möglichkeit zusteht, die Besteuerungsgrundlagen des ausländischen Investmentvermögens laut § 5 Abs. 1 InvStG nachzuweisen.
Erneute Änderung war unumgänglich
Wie erwartet, musste die Finanzverwaltung auf dieses BFH-Urteil reagieren, so dass eine erneute Änderung des BMF-Scheibens v. 28.7.2015 unumgänglich war. Diese Änderung wurde durch "Reaktivierung" des vorhergehenden BMF-Schreiben v. 4.2.2015 ausgestaltet (siehe hierzu die Kommentierung), so dass die Grundsätze des Nachweises zu den Pflichtangaben gemäß § 5 Abs. 1 InvStG auch für Drittstaatenfonds anwendbar sind.
Erleichterungen nur in einem engen Rahmen zulässig
Nach wie vor ist das aktuelle Schreiben zur Anwendung des § 6 InvStG vor dem Lichte des BFH-Urteils v. 17.11.2015 zu sehen: Der BFH hat entschieden, dass der Nachweis der tatsächlichen Höhe der Einkünfte auch bei einem Investmentfonds mit Sitz in einem Drittstaat zulässig ist. Voraussetzung ist allerdings, dass der deutschen Finanzverwaltung aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens mit dem Sitzstaat des Investmentfonds oder einer anderen Rechtsgrundlage ein Auskunftsanspruch gegenüber der ausländischen Finanzverwaltung zusteht. Ein solcher Auskunftsanspruch soll es ermöglichen, die Angaben des Investors zu verifizieren. Der BFH bestätigt in seinem Urteil allerdings auch, dass der Nachweis zu den Pflichtangaben gemäß § 5 Abs. 1 InvStG durch den inländischen Anleger so zu führen ist, wie die Finanzverwaltung es im (zur Urteilszeitpunkt anzuwendenden) BMF-Schreiben v. 28.7.2015 vorgegeben hat. Erleichterungen zu Gunsten der Steuerpflichtigen in Form einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen des Fonds sind nur in einem engen Rahmen zulässig. An diesen Grundsätzen hat sich auch mit dem BMF-Schreiben v. 23.5.2016 nichts geändert.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit im laufenden Gesetzgebungsverfahren für ein Investmentsteuerreformgesetz (InvStRefG, siehe hierzu das Top-Thema) der Gesetzgeber die Anforderungen der Urteile des EuGH und des BFH zur Pauschalbesteuerung umsetzen wird (siehe dazu die Stellungnahme des Bundesrates zum InvStRefG v. 22.4.2016 und die Gegenäußerung der Bundesregierung v. 4.5.2016)
Literatur-Tipp: Höring, Die Pauschalbesteuerung im Investmentsteuerrecht - EuGH-Rechtsprechung in der Praxis, 1. Auflage 2016.
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