Änderungen für alle Unternehmen


Erbschaftsteuerreform 2016 alle Unternehmen

Obwohl das Grundkonzept der Begünstigungen beibehalten wird, enthält der finale Entwurf zahlreiche Änderungen im Detail, die teilweise zu Vorteilen aber auch zu Nachteilen für die Betroffenen führen. Die finalen Änderungen werden im Folgenden dargestellt.

Sinkende Unternehmenswerte beim vereinfachten Ertragswertverfahren

Vorteile können in Zukunft Unternehmen haben, die ihren Wert nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren ermitteln. Ein Ergebnis des Vermittlungsausschusses war die Einführung eines einheitlich anzuwendenden Kapitalisierungsfaktors von 13,75. Hierdurch sinken die Unternehmenswerte. 

Hinweis: Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf

Im ursprünglich vom Bundestag gebilligten Entwurf war noch geplant, die bisherige Berechnung aus Risikoprämie und risikolosen Zins beizubehalten, wobei der Basiszins nur noch zwischen 3,5% und 5,5% liegen sollte. Dies hätte zu Kapitalisierungsfaktoren in einer Bandbreite zwischen 10 und 12,5 geführt.

Durch den nun einheitlich zur Anwendung kommenden Kapitalisierungsfaktor sinkt der Kapitalisierungsfaktor im Jahr 2016 von bisher 17,8571 auf 13,75. Bei einem Unternehmen mit einem Gewinn vor Steuern von 1 Mio. EUR sinkt dadurch der Unternehmenswert von ca. 12,5 Mio. EUR auf nur noch 9,625 Mio. EUR. Dies entspricht einer Unternehmenswertminderung im Jahr 2016 von 2,875 Mio. EUR.

Die Anwendung des neuen Kapitalisierungsfaktors soll bereits für alle Bewertungen im Jahr 2016 und damit nicht nur für Übertragungen nach dem 30.6.2016, sondern auch bereits für solche, die wischen dem 1.1.2016 und dem 30.6.2016 erfolgt sind, anzuwenden sein. Dies kann in vielen Fällen vorteilhaft sein. Allerdings kann die rückwirkende Anwendung den Steuerpflichtigen auch Nachteile bringen, wenn z. B. durch den geringeren Unternehmenswert das Verwaltungsvermögen aus Finanzmitteln erhöht wird oder dadurch der Verwaltungsvermögenstest rückwirkend nicht bestanden wird.

Neu: Vorab-Abschlag für Familienunternehmen

Neu und in letzter Minute ins Gesetz aufgenommen wurde ein sog. Vorab-Abschlag für Familienunternehmen. Dieser wird bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen vor der Anwendung der anderen Begünstigungen gewährt. Allerdings kommt dieser nur auf den begünstigten Teil des Unternehmensvermögens und nicht auf den gesamten Unternehmenswert zur Anwendung.

Die Höhe des Abschlags ergibt sich aus den gesellschaftsvertraglichen Regelungen und entspricht der dort vorgesehenen prozentualen Minderung der Abfindung gegenüber dem gemeinen Wert. Maximal ist der Abschlag allerdings auf 30 % beschränkt.

Als Voraussetzung für die Gewährung des Vorab-Abschlags müssen im Gesellschaftsvertrag Entnahme- bzw. Ausschüttungsbeschränkungen, Verfügungsbeschränkungen über die Anteile am Familienunternehmen sowie die die Höhe des Vorab-Abschlags beeinflussenden Abfindungsbeschränkungen enthalten sein. Diese Voraussetzungen müssen zudem 2 Jahre vor und 20 Jahre nach der Übertragung vorliegen.

Im Vermittlungsausschuss wurde im finalen Kompromiss noch die im Gesellschaftsvertrag für die Inanspruchnahme des Vorab-Abschlags enthaltene Entnahmeregelung konkretisiert. Danach dürfen Entnahmen auf höchstens 37,5 % des um die auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttungen aus der Gesellschaft entfallenden Steuern vom Einkommen gekürzten Betrages des steuerrechtlichen Gewinns beschränkt sein. Dabei sollen Entnahmen zur Begleichung der auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttungen aus der Gesellschaft entfallenden Steuern vom Einkommen von der Beschränkung der Entnahme oder Ausschüttung unberücksichtigt bleiben. Bisher war nur eine qualitative Beschränkung allerdings ohne zahlenmäßige Begrenzung vorgesehen.

Werden diese Voraussetzungen innerhalb des 20-jährigen Behaltenszeitraums nicht eingehalten, entfällt die Steuerbefreiung mit Wirkung für die Vergangenheit.

Erbschaftsteuerliche Begünstigungen für Unternehmen

Die derzeitige Grundkonzeption der Verschonungsregelung für begünstigtes Unternehmensvermögen mit der Gewährung eines Verschonungsabschlags von 85 % (Regelverschonung) bzw. von 100 % (Optionsverschonung) und eines Abzugsbetrags von maximal 150.000 EUR bleibt grundsätzlich erhalten.

Beibehaltung einer Verwaltungsvermögensgrenze von 20% für Anwendung der Optionsverschonung

Um in den Genuss der Optionsverschonung zu kommen, wurde durch den Vermittlungsausschuss noch eine weitere Voraussetzung eingeführt. Konkret darf das Verwaltungsvermögen nicht mehr als 20% des Unternehmenswerts ausmachen. Der Anteil des Verwaltungsvermögens am gemeinen Wert des Betriebs bestimmt sich dabei nach dem Verhältnis der Summe der gemeinen Werte der Einzelwirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 3 und 4 ErbStG zum gemeinen Wert des Betriebs. Bei der Berechnung dieser Quote dürfte – anders als bei der Ermittlung des begünstigten Vermögens - keine Schuldenkürzung beim Verwaltungsvermögen vorzunehmen sein. Hier ist demnach das Bruttoverwaltungsvermögen dem gemeinen Wert gegenüberzustellen.

Hinweis: Verschlechterung gegenüber geplanten Regierungsentwurf aber Verbesserung gegenüber dem bisherigen Recht

Damit steigt zwar die Verwaltungsvermögensgrenze, ab der die Optionsverschonung anzuwenden ist, von derzeit  10% auf 20%. Gegenüber den bisherigen geplanten Gesetzesfassungen bedeutet diese Änderung des Vermittlungsausschusses allerdings eine Verschlechterung, da diese keine einzuhaltende maximale Verwaltungsvermögensgrenze vorgesehen haben.

Allerdings ändern sich die erbschaftsteuerlichen Begünstigungen sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen für deren Inanspruchnahme als auch hinsichtlich deren Höhe, insbesondere auch bei der Übertragung von Anteilen an "Großunternehmen" teilweise erheblich. Zudem wurde für Erbfälle mit der Einführung einer weiteren Stundungsmöglichkeit eine weitere neue Begünstigung geschaffen.

Änderungen bei der Ermittlung des begünstigten Unternehmensvermögens

Der Ermittlung des begünstigten Vermögens kommt in Zukunft eine erheblich größere Bedeutung zu. Denn jeder Euro des Anteilswerts, der dem nicht begünstigten Vermögen zuzurechnen ist, unterliegt in vollem Umfang der Besteuerung.

Bisher wird bei der Ermittlung des nicht begünstigten Vermögens auf einen fest im Gesetz definierten Katalog an Verwaltungsvermögen abgestellt, der im Anschluss mit dem Unternehmenswert ins Verhältnis gesetzt wird. Wird die so ermittelte Verwaltungsvermögensquote gewahrt, ist das gesamte Unternehmensvermögen nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip begünstigt.

Auch in Zukunft bleibt es für die Ermittlung des begünstigten Unternehmensvermögens bei der Anwendung des Verwaltungsvermögenskatalogs. Dieser wird jedoch in einzelnen Teilen modifiziert und an die Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts angepasst. 

Hinweis: Kein Hauptzweckprinzip

Die ursprünglich angedachte Ermittlung des begünstigten Unternehmensvermögens nach dem sog. Hauptzweckprinzip hat sich am Ende des Gesetzgebungsverfahrens nicht durchgesetzt.

Ermittlung des begünstigungsfähigen Vermögens

Das begünstigungsfähige Vermögen ermittelt sich in Zukunft durch zahlreiche zum Teil komplexe Berechnungsschritte. 

Hierbei ist zunächst das Verwaltungsvermögen zu ermitteln und zu bewerten. Anschließend wird das Verwaltungsvermögen in Höhe der Altersvorsorgeverpflichtungen ausgesondert. Das danach noch verbleibende Verwaltungsvermögen wird um die noch berücksichtigungsfähigen Schulden gekürzt und ergibt den Nettowert des Verwaltungsvermögens.

Dieser Nettowert des Verwaltungsvermögens kann sich anschließend nochmals um 10% des begünstigten Unternehmensvermögens mindern. Dies ergibt das sog. unschädliche Verwaltungsvermögen. Das endgültige begünstigte Unternehmensvermögen ermittelt sich anschließend, indem vom Unternehmenswert das soeben ermittelte unschädliche Verwaltungsvermögen abgezogen wird. Dabei ist zu beachten, dass sog. junges Verwaltungsvermögen und junge Finanzmittel niemals begünstigt übertragen werden können.

Keine Begünstigung bei mehr als 90% Verwaltungsvermögen

Vor der Ermittlung des vorstehend beschriebenen begünstigten Vermögens muss künftig zudem noch geprüft werden, ob das Unternehmensvermögen zu mehr als 90% aus Verwaltungsvermögen besteht. Beträgt das Verwaltungsvermögen mehr als 90% des Unternehmenswerts, kommen überhaupt keine Begünstigungen in Betracht.

Hinweis: Verschlechterung gegenüber geplanten Regierungsentwurf aber Verbesserung gegenüber dem bisherigen Recht

Hier wird eine neue Alles-oder-Nichts-Barriere geschaffen, deren Bestehen allerdings nicht mehr wie bisher zur gesamten Begünstigung des Unternehmensvermögens führt. Stattdessen muss nach Bestehen der 90 %-Grenze weiter das begünstigte Vermögen unter Aussonderung des Verwaltungsvermögens ermittelt werden. Hierbei sind Änderungen zu beachten, die im Folgenden kurz dargestellt werden.

Nur umgekehrt greift künftig das Alles-oder-Nichts-Prinzip. Denn macht das Verwaltungsvermögen mehr als 90% des Unternehmensvermögens aus, werden in vollem Umfang keine Begünstigungen gewährt.

Änderungen am Verwaltungsvermögenskatalog:

1. Einführung einer weiteren Ausnahme bei Dritten zur Nutzung überlassenen Grundstücken

Grundsätzlich bleibt es dabei, dass Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke Verwaltungsvermögen darstellen, soweit keine der Ausnahmen greift. Künftig kommt eine neue Ausnahme hinzu. Danach stellen Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, die vorrangig überlassen werden, um im Rahmen von Lieferungsverträgen dem Absatz von eigenen Erzeugnissen und Produkten zu dienen, kein Verwaltungsvermögen dar. Dies betrifft z. B. Brauereigaststätten und Tankstellen.

2. Deckungsvermögen für betriebliche Altersversorgungsverpflichtungen

Verwaltungsvermögen, das ausschließlich und dauerhaft der Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen dient, zählt in Zukunft in Höhe der Altersversorgungsverpflichtungen nicht mehr zum Verwaltungsvermögen. Weitere Voraussetzung für die Aussonderung aus dem Verwaltungsvermögen ist, dass diese dem Zugriff aller übrigen nicht aus den Altersversorgungsverpflichtungen unmittelbar berechtigten Gläubiger entzogen sind

Liegen diese Voraussetzungen vor, zählen Teile des begünstigungsfähigen Vermögens bis zur Höhe des gemeinen Werts der Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen nicht zum Verwaltungsvermögen. Zugleich sind die hier verrechneten Schulden aus der Altersvorsorgeverpflichtung bei den folgenden Schritten zur Ermittlung des schädlichen Verwaltungsvermögens nicht mehr einzubeziehen.

3. Verschärfungen beim Finanzmitteltest

Eine Änderung ergibt sich auch beim derzeit bereits durchzuführenden Finanzmitteltest. Im Rahmen dieses Tests wird ermittelt, in welcher Höhe Finanzmittel zu Verwaltungsvermögen umqualifiziert werden. Dabei werden die Finanzmittel derzeit um die Schulden und 20% des Unternehmenswerts gemindert. Nur ein danach verbleibender positiver Betrag stellt Verwaltungsvermögen dar.

Bei dieser Berechnung bleibt es grundsätzlich auch in Zukunft. Künftig werden aber die Finanzmittel neben dem Schuldenabzug nur noch um 15 % des Unternehmenswerts gemindert. Dies dürfte in vielen Fällen zu einem höheren Verwaltungsvermögen aus Finanzmitteln führen. Dies ist umso gravierender, da die diese Grenze übersteigenden Finanzmittel nun künftig die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage erhöhen, während sie bisher regelmäßig „nur“ die Verwaltungsvermögensquote erhöhten, was in vielen Fällen keine Auswirkungen auf die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage hatte.

Zu Verhinderung von Gestaltungen verschärfte der Vermittlungsausschuss diese Regelung noch. Um noch in den Genuss des zweiten Abzugs von 15% des Unternehmenswerts zu kommen, wird künftig als zusätzliche Voraussetzung verlangt, dass das begünstigte Betriebsvermögen einer originär gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit dient. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, wird der 15%-Abzug nicht gewährt und das Verwaltungsvermögen bestimmt sich bei diesen Unternehmen nur aus der Differenz zwischen den Finanzmitteln und den verbleibenden Schulden.

4. Yachten, Oldtimer als Verwaltungsvermögen

Ebenfalls zur Vermeidung von Gestaltungen hat der Vermittlungsausschuss den Verwaltungsvermögenskatalog, der bisher schon Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken und Archive, Münzen, Edelmetalle und Edelsteine umfasste um weitere Gegenstände erweitert. Künftig gehören dazu auch Briefmarkensammlungen, Oldtimer, Yachten, Segelflugzeuge sowie sonstige typischerweise der privaten Lebensführung dienende Gegenstände.

Allerdings bleibt es bei der Rückausnahme. Danach liegt kein Verwaltungsvermögen vor, wenn der Handel mit diesen Gegenständen, deren Herstellung oder Verarbeitung oder die entgeltliche Nutzungsüberlassung an Dritte der Hauptzweck des Betriebs ist.

5. Einführung einer Investitionsklausel

Neu ist auch die Einführung einer sog. Investitionsklausel, die allerdings nur für Erbfälle gilt. Danach entfällt die Zurechnung von Vermögensgegenständen zum Verwaltungsvermögen, wenn diese innerhalb einer Investitionsfrist von 2 Jahren nach dem Tod des Erblassers gemäß einem vorgefassten Willen des Erblassers für Investitionen im Unternehmen verwendet werden. Dabei müssen die Investitionen einer originären gewerblichen Tätigkeit dienen und dürfen kein Verwaltungsvermögen sein. 

6. Besonderheiten bei mehrstufigen Unternehmensgruppen

Besitzt das übertragene Unternehmensvermögen Anteile an Tochtergesellschaften, so wird auch deren Vermögen in die Ermittlung des begünstigten Unternehmensvermögens einbezogen. Dies soll allerdings nicht mehr – wie bisher - nach dem Kaskadeneffekt erfolgen, wonach die Beteiligung an einer Tochter-Gesellschaft nicht zum Verwaltungsvermögen der jeweiligen Muttergesellschaft zählt, wenn diese über nicht mehr als 50 % Verwaltungsvermögen verfügt.

Künftig wird grundsätzlich die Ermittlung des begünstigten und nicht begünstigten Vermögens auf Ebene der Gesellschaft durchgeführt, deren Anteile übertragen werden (Obergesellschaft). Auf Ebene der Obergesellschaft ist eine sog. Verbundvermögensaufstellung aufzustellen, in der das Verwaltungsvermögen, die Finanzmittel und die Schulden aller Tochtergesellschaften einfließen (Konsolidierung). Anschließend wird auf Ebene der Obergesellschaft das begünstigte Vermögen entsprechend der vorstehend beschriebenen Schritte ermittelt.