Der Bundestag hatte am 24.9.2015 den Entwurf eines "Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (kurz: GzUdPe-ZollkodexAnpG)" in " Steueränderungsgesetzes 2015 " umbenannt.
Das Steueränderungsgesetz beruht überwiegend auf gesetzgeberischen Initiativen aus den Bundesländern, welche in den beiden großen Steueränderungspaketen in 2014 nicht untergebracht werden konnten. Dass diese "Restanten" zeitnah in 2015 in ein Gesetzgebungsverfahren einfließen sollen, wurde dem Bundesrat durch die Bundesregierung am 19.12.2014 in einer Protokollerklärung zum ZollkodexAnpG zugesichert – daher der ursprüngliche Name des Gesetzesentwurfs.
Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens sind weitere 24 Änderungen hinzugekommen, Davon sind folgende Änderungen mit größerer Breitenwirkung hervorzuheben:
- Anpassung der § 6b-Rücklage an die Rechtsprechung des EuGH,
- Unterhaltsleistungen können nur mit Angabe der ID-Nummer des Unterhaltsempfängers als Sonderausgaben abgezogen werden,
- Zeitpunkt der Steuerentstehung bei unrichtigem Ausweis der Umsatzsteuer,
- “Klarstellung“ zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen,
- Neuregelung der Umsatzbesteuerung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts,
- Anpassung der Ersatzbemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer an die Rechtsprechung des BVerfG,
- Erhöhung des zulässigen Betrags für eine Gegenleistungen in Einbringungsfällen.
Der Änderungen im Steueränderungsgesetzes 2015 sollen grundsätzlich am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten. Soweit es sich aber um Änderungen im EStG, KStG und GewStG handelt, werden diese erst ab dem 1.1.2016 gelten. Abweichende Zeitpunkte sind nachfolgend ausdrücklich erwähnt.
Die gesamten geplanten und für die Praxis relevanten Änderungen werden gegliedert nach den jeweiligen Steuergesetzen aufgeführt:
Einkommensteuergesetz
Der ertragsteuerliche erweitere Inlandsbegriff wird ausgedehn. Damit werden alle aus dem UN-Seerechtsübereinkommen ableitbaren Besteuerungsrechte für Deutschland nutzbar. Durch die Erweiterung im Rahmen des StÄnd-AnpG-Kroatien wurde dies vor allem für die Windenergieerzeugung aus Offshore-Anlagen ermöglicht. Doch auch für andere wirtschaftliche Tätigkeiten, die im Bereich des Festlandsockels und der ausschließlichen Wirtschaftszone erfolgen, wie z. B. die gewerbliche Fischzucht, werden bisher mögliche steuerliche Vorteile ausländischer gegenüber inländischen Steuerpflichtigen verhindert (§ 1 Abs. 1 Satz 2 EStG).
Das Teileinkünfteverfahren wird für Gewinnanteile aus Unterstützungskassen ausgeschlossen. Dies rechtfertigt sich dadurch, dass für Zuwendungen des Trägerunternehmens an eine Unterstützungskasse grundsätzlich ein voller Betriebsausgabenabzug möglich ist. Folglich kann eine Betriebsvermögensmehrung aus der Beteiligung an der Unterstützungskasse auch nicht nur zu 60 % besteuert werden (§ 3 Nr. 40 Satz 4 und 5 EStG).
Eine Gesetzesänderung stellt die Besteuerung der privaten Nutzung von betrieblichen Elektro- oder Hybridelektrofahrzeugen klar. Erfolgt die Ermittlung des Entnahmewerts nach der Fahrtenbuchmethode, sind die Gesamtkosten hinsichtlich der AfA insoweit zu mindern, als das Batteriesystem die AK/HK erhöht hat. Bei wortwörtlicher Auslegung des bisherigen Gesetzestextes wäre auch eine Minderung des (anhand der ungekürzten Gesamtaufwendungen) ermittelten Entnahmewerts um die Mehrkosten für die Batterie herauslesbar. Bei angemieteten Batterien gehört der Mietaufwand nicht zu den Gesamtkosten; eine zusätzliche Minderung der AfA-Bemessungsgrundlage entfällt dann aber (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG).
Der EuGH (Urteil v. 16.4.2015, C-591/13) hatte die bestehende Regelung zu der Rücklagenübertragung nach § 6b EStG als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gewertet. Deshalb wird ein neuer Absatz 2a geschaffen. Dieser ermöglicht es auf Antrag bei einer beabsichtigten Reinvestition des Veräußerungsgewinns im EU-/EWR-Raum die darauf entfallende Steuer über einen Zeitraum von 5 Jahren zu verteilen (§ 6b Abs. 2a EStG). Diese Änderung gilt rückwirkend für alle offenen Fällen.
Eine Änderung gibt es auch zum Investitionsabzugsbetrag. Dort ist aktuell erforderlich, dass für die geplante Investition das Wirtschaftsgut zwar nicht exakt umschrieben, aber doch seiner Funktion nach benannt werden muss. Diese Benennung der Funktion entfällt. Stattdessen ist künftig Voraussetzung für einen Investitionsabzugsbetrag, dass der Steuerpflichtige die Summen der Abzugsbeträge bzw. der hinzugerechneten oder rückgängig gemachten Beträge i. S. d. § 7g EStG nach amtlichen vorgeschriebenen Datensätzen durch Datenfernübertragung übermittelt (§ 7g Abs. 1 bis 4 EStG). In diesem Zusammenhang wird auch der bisher ausdrücklich geforderte Nachweis für eine Investitionsabsicht aus dem Gesetz genommen. Dies rechtfertigt sich durch die rückwirkende Nachversteuerung einschließlich Verzinsung bei Nichtinvestition. Diese Änderungen werden wird erstmals gelten für Investitionsabzugsbeträge, die in einem nach dem 31.12.2015 endenden Wirtschaftsjahr in Anspruch genommen werden.
Der Abzug von Unterhaltszahlungen an geschiedene oder dauernd getrennt lebende Ehegatten wird erschwert. Als neue tatbestandliche Voraussetzung wird die Angabe der erteilten Identifikationsnummer (§ 139b AO) der unterhaltenen Person in der ESt-Erklärung des Unterhaltsleistenden verlangt. Wird diese ID-Nummer vom Unterhaltsempfänger nicht herausgegeben, kann der Zahlende diese beim BZSt erfragen. Die Änderung sichert eine Versteuerung der Zahlungen beim Empfänger als sonstige Einkünfte - das sog. Korrespondenzprinzip - ab (§ 10 Abs. 1a Nr. 1 Satz 7 bis 9 EStG). Eine analoge Regelung gibt es bereits für den Abzug von Unterstützungszahlungen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33a Abs. 1a EStG.
Die sog. Mutter-Tochter-Richtlinie wird durch § 43b Abs. 2 EStG umgesetzt. Dazu wurde eine redaktionelle Änderung erforderlich, da die Richtlinie 2014/86/EU des Rates vom 8.7.2014, ABl. L 219 v. 25.7.2014, S. 40 Änderungen zum Anhang I mit sich brachte. Konkret wurden weitere polnische und rumänische Gesellschaftsformen aufgenommen. Diese werden nun auch in die Anlage 2 zum EStG übernommen (§ 43b Abs. 2 Satz 1 EStG).
Zum Steuerabzug bei Kapitalerträgen wird einer vorteilhaften Rechtsprechung des BFH die Grundlage entzogen. Der BFH hatte entschieden (BFH, Urteil v. 12.12.2012, I R 27/12), dass eine Bank bei einem Widerspruch eines Kunden, der sich auf den Wortlaut und Zweck des EStG stützt, vom Steuerabzug Abstand nehmen muss, auch wenn ein BMF-Schreiben den Steuerabzug anordnet. Dazu wird nun in das Gesetz eingefügt, dass ein Steuerabzug "unter Beachtung der im BStBl veröffentlichten Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung" zu erfolgen hat. Damit wird die bisherige Meinung der Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 12.9.2013, BStBl 2013 I S. 1167) zu Gesetz, wonach Kreditinstitute beim Steuerabzug die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung anzuwenden haben (§ 44 Abs. 1 Satz 3 EStG).
Durch eine Änderung im AktG wird künftig der Anspruch auf Dividendenzahlung frühestens am dritten auf den Hauptversammlungsbeschluss über die Gewinnverwendung folgenden Geschäftstag fällig werden (§ 58 Abs. 4 Satz 2 AktG). Dementsprechend wird auch das EStG geändert, um zu vermeiden, dass ein Zufluss der Dividendenzahlung vor Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs angenommen wird. Es müsste sonst die Kapitalertragsteuer bereits vor dem Zufluss der Dividende erhoben werden. In solchen Fällen wird dann der Tag der Fälligkeit als Zeitpunkt des steuerlich relevanten Zuflusses bestimmt (§ 44 Abs. 2 Satz 2 EStG).
Als redaktionelle Klarstellung wird eine Änderung dargestellt, die einen Freistellungsauftrag nur noch bei unbeschränkt steuerpflichtigen Gläubigern von Kapitalerträgen zulässt. Durch eine vorhergehende Änderung im Rahmen des AmtshilfeRLUmsG sollte eigentlich keine Erweiterung von § 44 EStG auf Steuerausländer erfolgen (§ 44a Abs. 1 Satz 1 EStG).
Die Einkommensteuer kann bei beschränkt Steuerpflichtigen ganz oder teilweise erlassen werden, wenn dies im "besonderen öffentlichen Interesse" liegt. An den Erlass ist ein hoher Maßstab anzulegen. Das Gesetz nennt die möglichen Gründe in einer Aufzählung; diese soll abschließend sein. Deshalb macht das im Gesetzestext enthaltene Wort "insbesondere" keinen Sinn - es wird gestrichen (§ 50 Abs. 4 Satz 1 EStG). Diese "Klarstellung" gilt in allen offenen Fällen.