Gesellschaftsrechtliche Wahlfreiheit für Berufsausübungsgesellschaften
Der Bundestag hatte das Gesetz am 10.6.2021 verabschiedet. Der Bundesrats hat keinen Einspruch eingelegt. Eine Zustimmung des Bundesrats ist bei diesem Einspruchsgesetz nicht erforderlich.
Es sieht eine umfassende Neuregelung des Rechts der Berufsausübungsgesellschaften im Steuerberatungsgesetz (StBerG), in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und in der Patentanwaltsordnung (PAO) vor. Ziel der Neuregelung ist es, der Rechtsanwaltschaft, der Patentanwaltschaft und den Steuerberaterinnen und Steuerberatern gesellschaftsrechtliche Organisationsfreiheit zu gewähren, weitgehend einheitliche und rechtsformneutrale Regelungen für alle rechtsanwaltlichen, patentanwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften zu schaffen und die interprofessionelle Zusammenarbeit zu erleichtern.
Außerdem wird die Berufsausübungsgesellschaft als zentrale Organisationsform rechtsanwaltlichen, patentanwaltlichen und steuerberatenden Handelns anerkannt. Zukünftig soll daher Anknüpfungspunkt der berufsrechtlichen Regulierung nicht mehr ausschließlich die einzelnen Berufsträgerinnen und -träger sein, sondern auch die Organisationseinheit, in der diese ihren Beruf ausüben.
Über die Neuregelung des Gesellschaftsrechts hinaus soll das Gesetzent das Berufsrecht modernisieren.
Gesellschaftsrechtliche Organisationsfreiheit
Zukünftig sollen für die Berufsausübungsgesellschaften der Steuerberater, Rechtsanwälte, alle Europäischen Gesellschaften, Gesellschaften nach deutschem Recht und Gesellschaften in einer nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaats oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zulässigen Rechtsform zur Verfügung stehen.
Berufsausübungsgesellschaften als Träger von Berufspflichten
In Berufsausübungsgesellschaften hängt die Einhaltung der Berufspflichten durch die einzelnen Berufsträgerinnen und Berufsträger häufig auch von der Organisation der Berufsausübungsgesellschaft selbst ab. Daher sei es nicht sachgerecht, wenn nur die natürliche Person Adressat der Berufspflichten ist. Das Gesetz sieht deshalb vor, dass alle Berufsausübungsgesellschaften selbst Träger von Berufspflichten werden.
Gegen zugelassene Berufsausübungsgesellschaften sollen zukünftig berufsrechtliche Sanktionen verhängt werden können, wenn eine Leitungsperson gegen Berufspflichten verstößt oder ein Verstoß innerhalb der Gesellschaft auf einem Organisationsverschulden beruht.
Zulassungspflicht für Berufsausübungsgesellschaften
Grundsätzlich sollen alle Berufsausübungsgesellschaften zukünftig zulassungspflichtig sein und Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, Patentanwaltskammer beziehungsweise der Steuerberaterkammern werden. Die Zulassung der Berufsausübungsgesellschaft soll den Kammern insbesondere bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie bei interprofessionellen Gesellschaften eine Überprüfung ermöglichen, ob diese die für die Einhaltung der Berufspflichten erforderlichen Voraussetzungen erfüllen.
Einheitliche Anforderungen an Gesellschafter- und Kapitalstruktur
Die bisherigen Mehrheitserfordernisse sollen entfallen. Diese seien nicht erforderlich, um die Einhaltung der Berufspflichten sicherzustellen. Die Absicherung der Einhaltung der Berufspflichten erfolgt künftig dadurch, dass die Berufsausübungsgesellschaft ihnen unmittelbar unterliegt.
Zudem soll berufsfremden Gesellschafterinnen und Gesellschafterinnen unmittelbar die Verpflichtung die (patent-)anwaltlichen Kernpflichten beziehungsweise die Kernpflichten nach dem StBerG einzuhalten, treffen. Um Transparenz für den Rechtsverkehr zu schaffen, dürfen sich nach dem Gesetzentwurf Berufsausübungsgesellschaften nur dann Rechtsanwaltsgesellschaft, Patentanwaltsgesellschaft oder Steuerberatungsgesellschaft nennen, wenn die Mehrheit der Anteile und der Mitglieder des Geschäftsführungsorgans durch die jeweiligen Berufsträgerinnen und Berufsträger gestellt wird.
Das Gesetz schafft keine Möglichkeit der reinen Kapitalbeteiligung. Es bleibt daher bei dem Erfordernis der aktiven Mitarbeit aller Gesellschafterinnen und Gesellschafter in anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften. Eine Berufsausübungsgesellschaft soll zukünftig auch Gesellschafterin einer anderen Berufsausübungsgesellschaft sein können, sofern beide Gesellschaften die berufsrechtlichen Anforderungen erfüllen.
Anforderungen an die Geschäftsführung
In Zukunft soll auf Mehrheitserfordernisse in der Geschäftsführung der Berufsausübungsgesellschaft insgesamt verzichtet werden. Im Gegenzug sollen jedoch alle Mitglieder des Geschäftsführungs- und Vertretungsorgans zulassungspflichtiger Berufsausübungsgesellschaften sowie eines etwaigen Aufsichtsorgans Adressaten der Berufspflichten und Mitglieder der jeweiligen Kammer sein. Außerdem müssen nach dem Gesetzentwurf dem Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan von rechtsanwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften Steuerberater in vertretungsberechtigter Zahl (für rechts- und patentanwaltliche Berufsausübungsgesellschaften gilt Entsprechendes).
Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung
Nach dem Entwurf haben alle Berufsausübungsgesellschaften (unabhängig von ihrer Zulassung) die Befugnis, Rechtsdienstleistungen nach der BRAO oder der PAO beziehungsweise Dienstleistungen nach dem StBerG zu erbringen. Daher sollen sie auch selbst Adressaten der Versicherungspflicht werden. Hierbei soll ein erhöhter Mindestversicherungsbetrag gelten, wenn die Haftung der Gesellschafterinnen und Gesellschafter ausgeschlossen oder beschränkt ist. Dieser soll jedoch für kleine Gesellschaften herabgesetzt werden.
Aufnahme in elektronische Verzeichnisse
Durch die Aufnahme sämtlicher Berufsausübungsgesellschaften in die von den Kammern geführten elektronischen Verzeichnisse: Dadurch werde insbesondere für die Rechtsuchenden transparent, wer Gesellschafterin oder Gesellschafter einer Berufsausübungsgesellschaft ist und welchen Berufsgruppen diese angehören. Zudem sollen die Verzeichnisse Angaben zu den Mitgliedern des Geschäftsführungs- und Vertretungsorgans enthalten.
Interprofessionelle Zusammenarbeit
Die Möglichkeit der interprofessionellen Zusammenarbeit soll für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Steuerberaterinnen und Steuerberater sowie Patentanwältinnen und Patentanwälte auf alle Freien Berufe ausgeweitet werden. Für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte soll beispielsweise zukünftig die Möglichkeit bestehen mit einem Architekten oder einer Architektin zusammenzuarbeiten, wenn sie im Bereich des Baurechts beraten. Ein weiterer möglicher Anwendungsbereich ist die Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten im Bereich des Medizinrechts oder die Zusammenarbeit mit Ingenieurinnen und Ingenieuren bei der Beratung im Anlagebau. Die interprofessionelle Zusammenarbeit stärke die Spezialisierung von Anwaltskanzleien.
Ausländische Berufsausübungsgesellschaften
Es sollen außerdem klare Regelungen für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch ausländische rechts- und patentanwaltliche Berufsgesellschaften mit Sitz außerhalb der EU geschaffen werden. Ihnen soll es erlaubt werden, Rechtsdienstleistungen in Deutschland zu erbringen, wenn sie zuvor zulassen worden sind und die dafür erforderlichen inländischen berufsrechtlichen Anforderungen erfüllen. Für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen im inländischen Recht muss die Gesellschaft sich stets einer dafür im Einzelfall berechtigten Person bedienen.
Steuerberaterplattform und elektronisches Steuerberaterpostfach
Ferner soll das StBerG künftig die Errichtung einer digitalen Steuerberaterplattform sowie eines elektronischen Steuerberaterpostfachs vorsehen. Es wird deshalb künftig Aufgabe der Bundessteuerberaterkammer sein, ab dem 1.1.2023 eine Steuerberaterplattform funktionsbereit einzurichten, über die insbesondere die Identifizierung und Authentifizierung mit Bestätigung der Berufsträgereigenschaft des Berufsträgers so durchgeführt werden kann, dass sie für die digitalen Dienstleistungen aus dem Aufgabenbereich der Steuerberaterkammern zentral und einheitlich zur Verfügung stehen.
Die erste Ausbaustufe der Steuerberaterplattform soll die Einrichtung und der Betrieb eines besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs sein. Das Postfach ist ein Medium zur sicheren und authentisierten Kommunikation. Nachrichten, die Steuerberater über ihre Postfächer versenden, werden mit einem vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis versehen, der sowohl die Personenidentität als auch die Berufsträgereigenschaft bestätigt. Dieser Herkunftsnachweis ist Voraussetzung für die Formwirksamkeit von Schriftsätzen im gerichtlichen Verfahren. Daher muss auch für die Authentisierung im Steuerberaterpostfach eine bestätigte Berufsträger-Identität verwendet werden.
Inkrafttreten
Die neuen Regelungen treten erst 13 Monate nach Verkündung des Gesetzes in Kraft.
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