Sanierungsmöglichkeiten und Hinweispflichten durch Insolvenzrechtsreform
Zum 1.1.2021 ist das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz in Kraft getreten (BGBl 2020 I S. 3256). Nachfolgend wird zunächst ein Überblick über dieses Gesetz gegeben. Weitere Einzelbeiträgen zu besonders relevante Bereiche des Gesetzes werden folgen.
Hinweis: Bedeutung für Steuerkanzleien
Die Bedeutung des SanInsFoG ist auch für Personen, die sich in ihrem beruflichen Schwerpunkt mit steuerrechtlichen Fragestellungen auseinandersetzen, hoch. Es ist deshalb unerlässlich, sich zumindest mit den Grundzügen des Gesetzes auseinanderzusetzen. Dies gilt insbesondere, aber nicht ausschließlich, im Hinblick auf neue gesetzlich normierte Hinweispflichten gegenüber Mandanten, wenn diese sich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befinden und die Insolvenz droht.
Hintergrund: Umsetzung einer EU-Richtlinie
Mit dem SanInsFoG wird ist im Wesentlichen die EU-Richtlinie über einen präventiven Restrukturierungsrahmen vom 19.6.2019 (EU-Richtlinie 2019/1023, Abl. L 172, S. 18) in deutsches Recht umgesetzt worden. Ziel dieser Richtlinie ist es, nachweislich bestandsfähige Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten zu retten und dies ohne die Durchführung eines Insolvenzverfahrens.
Die Umsetzung der Richtlinie ist durch das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG), das den ersten Teil des SanInsFoG bildet, erfolgt. Die EU wollte hierbei einen EU-einheitlichen Rahmen für eine solche Restrukturierung ohne Insolvenz schaffen. Neben dem StaRuG umfasst das SanInsFoG aber auch weitere Änderungen der Insolvenzordnung (InsO), die teilweise erheblich sind.
Wesentlicher Inhalt des StaRuG
Das StaRuG bildet den ersten Teil des SanInsFoG. Es handelt sich hierbei um ein eigenes Gesetz, das unabhängig von den Regelungen der InsO ist und eine eigenständiges Verfahren zur Vermeidung einer Insolvenz regelt. Die zentralen Aussagen des Gesetzes sind hierbei:
Voraussetzung für Verfahren nach dem StaRuG
Ein Verfahren nach dem StaRuG ist möglich, wenn Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners innerhalb der nächsten 24 Monate droht. Der Schuldner kann dann dem Gericht eine Anzeige erstatten, dass er die Durchführung eine solchen Verfahrens anstrebt. Während der Rechtshängigkeit des Verfahrens ruhen insbesondere Insolvenzantragspflichten wegen Überschuldung. Eine Zahlungsunfähigkeit ist gleichwohl unverzüglich anzuzeigen.
Restrukturierungsplan vorlegen
Ist diese Voraussetzung gegeben, hat der Schuldner, bzw. sein Vertreter, das Recht, einen Restrukturierungsplan vorzulegen. Dieser ist ähnlich auszugestalten wie ein Insolvenzplan (§§ 5 bis 16 StaRUG). Aufzunehmen sind dabei zusammengefasst
- die Erklärung zur Bestandsfähigkeit,
- eine Vermögensübersicht,
- ein Ergebnis- und Finanzplan sowie
- die Auswirkungen der angestrebten Sanierung.
- Aufzunehmen sind ebenfalls eine Aufstellung der Forderungen nach Gruppen und die Planbetroffenen.
Nicht Gegenstand eines Plans sind Arbeitnehmerforderungen sowie Ansprüche aus Betriebsrenten. Auch Aussonderungsrechte können nicht Gegenstand eines solchen Plans sein.
Durchführung des Restrukturierungsplans
Der Plan kann entweder durch den Schuldner eigenverantwortlich durchgeführt werden. Dies kann auf seinen Antrag auch durch das Gericht erfolgen. Der Plan wird hierbei den betroffenen Gläubigern als Angebot zur Verfügung gestellt. Der Plan ist angenommen, wenn in jeder der nach § 9 StaRUGzu bildenden Gruppen von 75 % der Stimmrechte in der jeweiligen Gruppe angenommen wird (§ 25 StaRUG). Unter gewissen Voraussetzungen ist aber auch eine Annahme ohne die Zustimmung aller Gruppen möglich (§ 26ff. StaRUG).
Auf Antrag des Schuldners bestätigt das Gericht den von den Planbetroffenen angenommenen Plan, nachdem
- eine Anhörung erfolgt ist (§ 61 StaRUG),
- die Leistungen erfüllt sind (§ 62 StaRUG) und
- keine Hinderungsgründe vorliegen (§ 63 StaRUG).
Steuerberater: Prüfungs- und Warnpflichten
Nach der Rechtsprechung des BGH bestehen für Steuerberater im Rahmen der Erstellung von Jahresabschlüssen Prüfungs- und Warnpflichten hinsichtlich der Fortführungsfähigkeit von Unternehmen. Diese Rechtsprechung ist nunmehr in § 102 StaRUG ausdrücklich gesetzlich normiert.
Die Regelung gilt nach dem Gesetzeswortlaut ausdrücklich auch für Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte, die Jahresabschlüsse von Mandanten erstellen. Sie sind verpflichtet, Mandanten auf das Vorliegen eines etwaigen Insolvenzgrundes hinzuweisen sowie auch die Geschäftsleiter auf ihre Pflichten in diesem Zusammenhang hinzuweisen, wenn die Anhaltspunkte offenkundig sind und anzunehmen ist, dass den Mandanten die Insolvenzreife nicht bewusst ist.
Sonstige Gesetzesänderungen durch das SanInsFoG
Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ist für die gesetzlichen Vertreter solcher Schuldner bis 30.4.2021 ausgesetzt, die zwischen dem 1.11.2020 und dem 28.2.2021 einen Antrag auf Gewährung von Coronahilfen (November- und Dezemberhilfe, Überbrückungshilfe III) gestellt haben. Dies gilt nicht, wenn offensichtlich kein Aussicht auf Erfolg der Antragstellung gegeben war oder die Hilfeleistungen die Insolvenzreife nicht beseitigen würden.
Reduzierter Prognosezeitraum
Außerdem wird der Prognosezeitraum für die positive Fortführungsprognose von 12 auf 4 Monate unter gewissen Voraussetzungen reduziert, wenn - verkürzt - die wirtschaftlichen Schwierigkeiten auf der COVID-19-Pandemie beruhen. In diesen Fällen wird auch der Zugang zur Eigenverwaltung und zum Schutzschirmverfahren für das Jahr 2021 erleichtert.
Fristen zur Stellung eines Insolvenzantrags
Erhebliche Bedeutung für die Praxis haben die Änderungen, die sich in der InsO im Hinblick auf die Fristen zur Stellung eines Insolvenzantrags bei einer juristischen Person ergeben haben. Ein solcher Antrag ist weiterhin unverzüglich zu stellen. Dies erfordert bei Zahlungsunfähigkeit eine Antragstellung weiterhin spätestens nach drei Wochen; bei einer Überschuldung ist diese Frist hingegen nunmehr sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung, um dem Schuldner mehr Zeit für Sanierungsbemühungen zu geben (§ 15a Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO).
Zahlungsverbote bei Insolvenzreife
In § 15b InsO findet sich nunmehr eine umfassende Regelung zu Zahlungsverboten bei Insolvenzreife. Zahlungen dürfen nach Eintritt eines Insolvenzgrundes nur noch dann geleistet werden, wenn dies mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar ist. Nach § 15b Abs. 2 Satz 1 und 2 InsO ist dies der Fall, wenn die Zahlung
- zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs erforderlich ist,
- eine Maßnahme zur Beseitigung der Insolvenzreife innerhalb der Höchstfristen ist oder
- der Vorbereitung des Insolvenzverfahrens dient.
- Auch Zahlungen mit der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters sind unschädlich (§ 15b Abs. 2 Satz 3 InsO).
Bei Zahlungen, die ohne einen Grund geleistet werden, kommt nach der Regelung des § 15b Abs. 4 InsO eine Haftung des Geschäftsleiters gegenüber der juristischen Person in Betracht. Diese Regelung ersetzt den § 64 GmbHG a.F., der aufgehoben wurde.
Bedeutend ist § 15b Abs. 8 InsO, der die Situation betrifft, dass sich der Geschäftsleiter in einer Pflichtenkollision zwischen seiner Pflicht zur Sicherung der Masse und steuerrechtlicher Zahlungsverpflichten befindet. Eine Verletzung steuerrechtlicher Zahlungsverpflichtungen liegt nur dann nicht vor, wenn zwischen dem Eintritt der Insolvenzreife und der Entscheidung des Insolvenzgerichts Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht erfüllt werden und der Antragspflichtige seinen Verpflichtungen nach § 15a InsO vollumfänglich nachkommt.
Prognosezeitraum bei drohender Zahlungsunfähigkeit
Für den Prognosezeitraum bei drohender Zahlungsunfähigkeit wird nach § 18 Abs. 2 Satz 2 InsO ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde gelegt. Die Frist nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO, für die eine Fortführungsprognose bei einer Überschuldung abzugeben ist, beträgt nunmehr explizit 12 Monate.
Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners
§ 55 Abs. 4 InsO wurde ebenfalls als Reaktion auf eine Entscheidung des BFH geändert. Nach der Neufassung des Gesetzes gelten Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit dessen Zustimmung begründet worden sind, nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Der Umsatzsteuer gleichgestellt sind Ein- und Ausfuhrangaben, bundeseinheitliche Verbrauchsteuer, die Luftverkehr- und Kraftfahrzeugsteuer sowie auch die Lohnsteuer.
Weitere umfangreiche Änderungen gab es im Bereich des Insolvenzplanverfahrens und der Eigenverwaltung.
Tipp der Redaktion: Lesen Sie auch
SanInsFoG und StaRUG - Teil 2: Neuerungen bei der Stellung des Insolvenzantrags
SanInsFoG und StaRUG - Teil 3: Hinweispflichten für steuerliche Berater
SanInsFoG und StaRUG - Teil 4: Pflicht für ein System der Risikofrüherkennung
SanInsFoG und StaRUG - Teil 5: Verfahren bei außerinsolvenzrechtlicher Unternehmenssanierung
SanInsFoG und StaRUG - Teil 6: Wesentliche sonstige Änderungen der Insolvenzordnung
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