Tückisches Wahlkampfthema Steuern
Angela Merkel ist vorsichtig geworden - nicht erst jetzt. Wenn es um möglicherweise verlockende Aussichten für die Steuerzahler geht, legt sich die Kanzlerin seit längerem vor allem auf zweierlei fest: Keine höheren Steuern. Keine neuen Schulden im Etat. An ambitionierte Versprechen für große Steuerreformen haben sie und ihre CDU nämlich nicht die besten Erinnerungen. Doch nun trommelt der Wirtschaftsflügel dafür, dass es 2017 doch wieder so weit sein soll und die Union mit Milliarden-Entlastungen in den Wahlkampf zieht. Ausgemacht ist das nicht. Und das Thema kann Tücken haben.
Vorstoß der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union
Angesichts stetig sprudelnder Staatseinnahmen machen inzwischen gleich bei mehreren Parteien erste Konzepte die sommerliche Runde. "Wenn nicht jetzt, wann dann?", gibt Carsten Linnemann (CDU) als Losung aus. Um einen neuen Anlauf für eine große Reform zu starten, hat der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) der Union ein Modell auf den Tisch gelegt. Zentraler Punkt: Ein Drittel der Steuermehreinnahmen sollen die Bürger künftig vom Staat zurückbekommen - nach derzeitigen Zahlen berechnet, sollen so in drei Stufen mindestens 30 Milliarden EUR bis 2020 drin sein.
CDU-Spitze reagiert zurückhaltend
Doch wird der Plan der Mittelständler auch zum Plan der Union? Die erste Reaktion der CDU-Spitze fiel eher zurückhaltend aus. "Für die CDU hat in den nächsten Jahren bei allen Diskussionen das Einhalten der Schuldenbremse und damit eine seriöse Finanzpolitik oberste Priorität", konstatiert Generalsekretär Peter Tauber. Die MIT zielt denn auch auf den CDU-Bundesparteitag im Dezember in Essen, um eine Entscheidung herbeizuführen. So etwas ging schon einmal auf. Vor dem Parteitag 2014 in Köln schwenkte die Führung um Merkel in letzter Minute auf erste Entlastungen bei der kalten Progression ein. Dafür hatten sich Wirtschafts- und Arbeitnehmerflügel vereint eingesetzt.
Steuererklärung auf dem Bierdeckel wurde nie wahr
Dabei wissen sie nicht nur in der CDU, wie heikel Steuerversprechen sein können - Umsetzung nicht wirklich garantiert. Die einst von Friedrich Merz erfundene Steuererklärung auf dem Bierdeckel wurde nie wahr. Den Steuerfachmann Paul Kirchhof im Team der Kanzlerkandidatin Merkel attackierte SPD-Amtsinhaber Gerhard Schröder 2005 mit großem Effekt als "Professor aus Heidelberg". In Merkels schwarz-gelber Koalition von 2009 wurden größere Steuerreformen nach dem Debakel um eine Mehrwertsteuersenkung für Hotels begraben. "Die Union hat seinerzeit die FDP im Regen stehen lassen", wettert FDP-Chef Christian Lindner. Ein Jahr vor der Wahl nun das Thema Entlastungen zu entdecken, sei ja "ein Scherz".
In Stellung bringen sich auch andere Steuerwahlkämpfer in spe
Stark im Fokus stehen Erleichterungen für kleinere und mittlere Einkommen. Die CSU legte schon Eckpunkte für eine Entlastung von zehn Milliarden Euro ab 2019 vor. Die SPD will im Herbst Vorschläge präsentieren, von denen auch Alleinerziehende profitieren sollen. Bei den Grünen, die sich bei der Bundestagswahl 2013 mit einem Steuerkonzept ziemlich die Finger verbrannten, hat der linke Flügel um Parteichefin Simone Peter die umstrittene Vermögensteuer wieder auf die Agenda gesetzt. Die Realos wollen dagegen eine gerechtere Erbschaftssteuer.
Auf schwierige Debatten einstellen
Was gerecht ist und was nicht, dürfte bei allen Konzepten noch für Streit sorgen. Kritisch ist nicht zuletzt die Gegenfinanzierung. In der SPD-Linken werden Rufe laut, Topverdiener stärker heranzuziehen. Merkel - die ein erneutes Antreten 2017 noch offen lässt - deutete zuletzt zumindest an, Leistungsträgern "eine gewisse Entlastung zu gewähren, wo es möglich ist". Überhaupt bleibt aber die Frage, wie groß der Spielraum ist, den prinzipiell auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach 2017 erkennt. Auch erklärte Steuersenker stellen sich auf schwierige Debatten ein. Denn in Zeiten von Terrorbedrohung und Flüchtlingskrise könnten womöglich Ausgaben Priorität haben.
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