Zwar trägt das beschlossene Gesetz den sperrigen Namen "Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften" - kurz: ZollkodexAnpG -, jedoch ist es insgesamt ein großes Steueränderungsgesetz, weshalb es auch JStG 2015 genannt wird. Die erforderlichen Anpassungen im Bereich der AO, die sich aus der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union ergeben, umfassen nur den kleinsten Teil der Steueränderungen. Viele weitere Anpassungen wurden vom Bundesrat angeregt und im Bundestag teilweise mit aufgenommen. Wie für ein sog. Omnibusgesetz üblich, sind zahlreiche Änderungen und Korrekturen quer durch das ganze Steuerrecht enthalten.
Die Verkündung des Gesetzes wenige Tage vor Jahresende im BGBl ist nun noch möglich. Die Zustimmung des Bundesrats war bis zuletzt noch unsicher, da der Finanzausschuss des Bundesrats empfohlen hatte, den Vermittlungsausschuss einzuberufen. Dies hatte dann die Bundesregierung mit einer kurzfristigen Protokollerklärung abgewendet, in der ein Gesetzentwurf angekündigt wurde, der von den Ländern geforderte Regelungen enthalten soll.
Die Änderungen treten mit Verkündung des ZollkodexAnpG in Kraft bzw. gelten ab 1.1.2015. Davon abweichende Termine sind nachfolgend erwähnt.
Der Beitrag stellt die für die Praxis relevanten Änderungen dar – gegliedert nach den betroffenen Gesetzen. Kurz angesprochen werden auch Punkte, die geplant waren, aber letztlich nicht in das ZollkodexAnpG eingeflossen sind.
Änderungen der Abgabenordnung
Abrechnungsbescheid: Damit widerstreitende Wertungen unter Ehegatten und Lebenspartnern zur Höhe der jeweiligen Einkommensteuerschuld besser in zutreffende Anrechnungsverfügungen bzw. Abrechnungsbescheide umgesetzt werden können, wird eine Korrekturregelung in Anlehnung an § 174 Abs. 4 und 5 AO aufgenommen. Einbezogen werden auf Anregung des Bundesrats auch Dritte bzw. andere Personen, die den Antrag gestellt haben bzw. bei denen eine Anpassung erforderlich wird. Dies ist z. B. ein Abtretungsempfänger oder ein Pfandgläubiger. Die Änderung gilt ab dem Tag nach Verkündung des ZollkodexAnpG und zwar auch für Verwaltungsakte, die bereits zuvor ergangen sind. Durch die Neuregelung in § 218 Abs. 3 AO erübrigt sich der bisher verwendete Widerrufsvorbehalt (BMF, Schreiben v. 31.1.2013, BStBl 2013 I S. 70).
ELStAM: Damit die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale zutreffend sind, ist es wichtig, dass aktuelle Daten vorliegen. Dies betrifft auch den Zu- bzw. Wegzug ins Ausland. Diese Daten werden bisher nur temporär gespeichert. Das wird geändert (§ 139b Abs. 3 Satz 1 Nr. 14 und Aufhebung von Abs. 6 Satz 6 AO).
Gebühren: Die Gerichtsvollziehergebühren sowie Gebühren und Auslagen nach der ZPO wurden bereits erhöht. Dies wird nun auch in der AO nachvollzogen und ein "Gebührengleichklang" hergestellt (§ 339 Abs. 3, § 340 Abs. 3 Satz 1, § 341 Abs. 3 und 4 sowie § 344 Abs. 1 Nr. 1 AO).
Geldwäsche: Die Mitteilungspflichten der Finanzbehörden zur Bekämpfung der Geldwäsche werden erweitert (§ 31b AO). Neben einer Neustrukturierung der Vorschrift wird inhaltlich zusätzlich mit aufgenommen, dass der Fiskus künftig nicht nur Verdachtsmomente im Sinne des § 17 GwG, sondern auch nach § 16 GwG für den Nichtfinanzsektor melden muss. Die Finanzbehörden erhalten eine eingeschränkte Offenbarungsbefugnis zur Durchführung von Bußgeldverfahren. Dadurch sollen mehr Verdachtsfälle an das Tageslicht kommen, wobei bereits eine Ungewöhnlichkeit und Auffälligkeit ausreichend sein wird. Diese Änderung wollte der Bundesrat zunächst bereits im StÄnd-AnpG-Kroatien unterbringen, sie wurde aus Zeitgründen aber zunächst zurückgestellt.
Gewerbesteuermessbescheid: Billigkeitsmaßnahmen aus sachlichen Gründen (§ 163 AO) beeinflussen nicht nur die ESt oder KSt, sondern auch die Gewerbesteuer. In der Praxis gilt dies insbesondere für den sog. Sanierungserlass. Seit dem Urteil des BFH v. 25.4.2012, I R 24/11 bestand dazu Rechtsunsicherheit. Nunmehr wird festgelegt, dass die Entscheidung der Landesfinanzbehörden grundsätzlich auch in die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags einfließen kann. Dies gilt für alle Maßnahmen nach dem 1.1.2015, auch wenn sie Jahre vor 2015 betreffen.
Identifikationsnummer: Klarstellend wird geregelt, dass das Identifikationsmerkmal (Steuer-Identifikationsnummer bzw. Wirtschafts-Identifikationsnummer) auch von Dritten bei vorgeschriebenen Anträgen, Erklärungen oder Datenübermittlungen zu verwenden ist (§ 139a Abs. 1 Satz 1 AO). Wird die IdNr. mehrfach benötigt, z. B. im ELStAM-Verfahren und beim KapESt-Abzug, muss diese nicht jedes Mal neu zu erheben sein (§ 139b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 und 4 AO). Dies ist vor allem für Banken und Konzerne eine Erleichterung.
Verjährung: An § 171 Abs. 10 AO wird ein neuer Satz 2 angehängt. Dieser regelt, dass für die Hemmung der Festsetzungsverjährung nicht mehr der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Grundlagenbescheids maßgebend ist, sondern dass nur der Antrag, einen Grundlagenbescheid zu erteilen, noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist gestellt worden ist. Eine entsprechende Einzelregelung gab es bisher bereits in § 4 Nr. 20a UStG; diese konnte deshalb aufgehoben werden. Die Änderung geht auf Rechtsprechung des BFH zurück (Urteil v. 21.2.2013, V R 27/11), wonach Grundlagenbescheide ressortfremder Behörden, die nicht unter §§ 179 ff. AO fallen, nur dann eine Ablaufhemmung beim Folgebescheid bewirken, wenn der Grundlagenbescheid noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist für die betroffene Steuer ergangen ist. Damit hätte der Antragsteller das Risiko einer verzögerten Bescheiderteilung getragen; künftig ist sein rechtzeitiger Antrag ausreichend. Die Änderung gilt für alle bei Verkündung des ZollkodexAnpG noch nicht abgelaufenen Festsetzungsfristen.
Wirtschafts-Identifikationsnummer: Eigentlich sollte die W-IdNr. längst eingeführt sein, doch in der Praxis tauchen immer wieder Probleme auf. Dazu gehören insbesondere wirtschaftlich verbundene Unternehmen (mehrere Betriebe bzw. Betriebsstätten, Konzerne, etc.). Ein neuer § 139c Abs. 5a AO wird die Speicherung eines zusätzliches 5-stelliges Unterscheidungsmerkmals ermöglichen, das die Zuordnung verbessern soll.
Zahlungsaufschub: Mangels Relevanz wird § 223 AO aufgehoben. Die Regelungen zum Zahlungsaufschub finden sich direkt im unmittelbar geltenden Unionszollrecht.
Zollkodex: Auf EU-Ebene wurde die bisherige Verordnung (EG) Nr. 2913/92 (Zollkodex) durch die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union abgelöst. Dies macht in § 3 Abs. 3 und 5 AO neue Verweise und Begriffe erforderlich. Redaktionelle Folgeanpassungen daraus ergaben sich auch im Bereich des Vollstreckungs- und des Verfahrensrechts. Der neue Zollkodex enthält keine abschließende Regelung zur Festsetzung und Erhebung von Zinsen; die Grundlage dafür wurde nunmehr in § 3 Abs. 4 AO geschaffen. Schließlich wird in § 147 Abs. 1 Nr. 4a AO eine geordnete Aufbewahrung der Unterlagen für Zollkontrollen geregelt. Diese können grundsätzlich auf Bildträgern oder anderen Datenträgern aufbewahrt werden. In der Praxis ist dies keine Änderung, da die vereinfachte Aufbewahrung bereits bisher durch eine Allgemeinverfügung erlaubt war. Zu beachten ist auch weiterhin, dass bestimmte Urkunden (z. B. Ursprungszeugnisse, Präferenzbescheinigungen, Ursprungserklärungen oder Rechnungserklärungen) im Original aufbewahrt werden müssen. Ein Beauftragter ist im neuen Zollkodex nicht mehr vorgesehen, § 214 Satz 2 AO konnte daher entfallen. Die EU-Verordnung muss bis spätestens 1.5.2016 in nationales Recht umgesetzt sein; die Neuerungen werden deshalb zu diesem Termin In-Kraft-treten.
Zollkosten: Gebühren und Auslagen sind bisher nur für anfallende Schreibarbeiten vorgesehen. Da diese vermehrt unter Einsatz von IT erfolgen, werden auch elektronische Dokumente und Bearbeitungsschritte als Grundlage für die noch zu ändernde Zollkostenverordnung genannt (§ 178 Abs. 2 Nr. 7 AO).
Zuständigkeit: Bei Wohnsitz- bzw. Betriebsverlagerungen bestand für gesonderte Gewinnfeststellungen oftmals Unsicherheit über die Zuständigkeit der Finanzämter, insbesondere nach dem Beschluss des BFH v. 19.8.2013 (X B 16-17/13, BFH/NV 2013 S. 1763). Hierzu soll geregelt werden, dass künftig die aktuellen örtlichen Verhältnisse auch für Feststellungszeiträume vor dem Ortswechsel maßgebend sind. Ob aber eine gesonderte Feststellung erforderlich ist, entscheidet sich weiterhin nach den Verhältnissen zum Schluss des Gewinnermittlungszeitraums (§ 180 Abs. 1 Satz 2 AO).