Keine Sonderausgabenverrechnung bei Beitragserstattungen
Dies hatte der BFH im Rahmen eines jüngeren Urteils (BFH Urteil vom 07.07.2020 - X R 35/18) entschieden.
Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen
Altersvorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG sind in dem VZ als Sonderausgabe abziehbar, in dem sie geleistet worden sind. Werden diese gezahlten Altersvorsorgeaufwendungen in einem späteren VZ erstattet, ist der Erstattungsbetrag im VZ der Erstattung mit gleichartigen Aufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu verrechnen (§ 10 Abs. 4b Satz 2 EStG).
Ein verbleibender Erstattungsüberhang ist in die Jahre der Beitragszahlung zurückzutragen und somit sind die entsprechenden Veranlagungen nach § 175 Abs. 2 Nr. 2 AO (rückwirkendes Ereignis) zu Ungunsten des Steuerpflichtigen zu ändern. Eine Hinzurechnung eines Erstattungsübergangs aus Rentenversicherungsbeiträgen zum Gesamtbetrag der Einkünfte - wie z. B. für Beträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG (Krankenversicherung/Kirchensteuer) vorgesehen - ist nicht möglich.
Beitragsrückerstattung nach § 210 SGV VI
Bei den Beitragserstattungen nach § 210 SGV VI handelt es sich um Beiträge an Versicherte, die nicht (mehr) in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben. Voraussetzung für eine Erstattung ist, dass weniger als 60 Monatsbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden.
Eine Beitragserstattung kann aber erst dann beantragt werden, wenn seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate abgelaufen sind und nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten ist (§ 210 Abs. 2 SGB VI).
In der Praxis kürzten die Finanzämter bisher auch gezahlte gesetzliche Rentenversicherungsbeiträge um die Erstattungen von gesetzlichen Rentenversicherungsbeiträgen nach § 210 SGB VI mit der Begründung (BMF, Schreiben v. 24.5.2017, IV C 3 - S 2221/16/10001 :004), dass es sich um eine Erstattung von Sonderausgaben (negative Sonderausgaben) handelt, sodass eine Verrechnung mit gleichartigen Aufwendungen im Erstattungsjahr zu erfolgen habe und ein danach verbleibender Erstattungsüberhang im Jahr der ursprünglichen Zahlung zu verrechnen sei.
BFH-Entscheidung: Keine Verrechnung
Der BFH hat aber entgegen dieser Auffassung entschieden, dass die Beitragserstattungen als Einkünfte i. S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG steuerbar und nach § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG steuerfrei sind. Sie sind nicht mit den Altersvorsorgeaufwendungen zu verrechnen.
Sonstige Einkünfte sind nämlich auch Leibrenten und andere Leistungen die aus den gesetzlichen Rentenversicherungen erbracht werden. Die Beitragserstattungen der gesetzlichen Rentenversicherung sind als eine solche Einnahme i. S. d. § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG anzusehen, weil es sich um eine einmalige Kapitalleistung handelt, welche als "andere Leistung" einzustufen ist. Die Steuerbarkeit dieser Leistung lasse sich aus § 3 Nr. 3 b EStG ableiten. Danach sind u.a. Beitragserstattungen an den Versicherten nach den §§ 210 und 286d SGB VI steuerfrei. Die Vorschrift ist somit explizit auf die Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen zugeschnitten.
Die Steuerfreiheit liefe aber ins Leere, wenn man die Erstattung nicht als steuerbar ansehen würde. Durch die Steuerbarkeit der Erstattung ergäbe sich dann auch, dass eine Verrechnung mit den Altersvorsorgeaufwendungen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht in Betracht kommt, da solche Zahlungen lediglich einmal - entweder als Einkünfte (Vorrang) oder als "negative Sonderausgaben" - zu erfassen sind.
Umsetzung in die Praxis
Das BFH-Urteil ist mittlerweile im BStBl 2021 II S. 750 veröffentlicht und daher in allen noch offenen Fällen anzuwenden.
Achtung: Die Steuerbescheide sollten bezüglich einer Verrechnung überprüft werden. Es ist durchaus denkbar, dass den Finanzämtern solche Beitragserstattungen zunächst weiterhin elektronisch übermittelt werden.
Hinweis: Vergleichbare Rückerstattungen aus einem berufsständischen Versorgungswerk
Zusätzlich gilt es zu erwähnen, dass der BFH mit Urteil vom 10.10.2017 - X R 3/17, die Frage unbeantwortet lassen konnte, ob es sich bei den Erstattungen von (Pflicht-)Beiträgen zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung um Einnahmen im Sinne von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG oder um "negative" Sonderausgaben handelt.
Aufgrund der nun veröffentlichten Entscheidung ist aber davon auszugehen, dass auch diese Erstattungen als - nach § 3 EStG steuerfreie - Einnahmen - welche auch nicht verrechenbar sind - anzusehen sind. Es handelt sich hier um "andere Leistungen" aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen, was sich auch aus dem BMF-Schreiben v. 28.9.2021, IV C 3 - S 2221/21/10016 :001, Rz. 205, ergibt.
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