GrESt bei Umstrukturierungen
Hintergrund: Verschmelzung einer grundbesitzenden Gesellschaft
Die A-AG hielt länger als 5 Jahre 100 % der Anteile an ihrer grundbesitzenden Tochtergesellschaft (T-GmbH). Die T-GmbH war ihrerseits Alleingesellschafterin der E-GmbH. In 2012 übertrug die T-GmbH als übertragender Rechtsträger ihr Vermögen als Ganzes (also einschließlich der Grundstücke) unter Auflösung ohne Abwicklung auf die A-AG als übernehmender Rechtsträger (Verschmelzung durch Aufnahme, § 2 Nr. 1 UmwStG). Damit erlosch die T-GmbH und die A-AG war seitdem Alleingesellschafterin der E-GmbH.
Das FA sah in dem Übergang der Grundstücke aufgrund der Verschmelzung der T-GmbH auf die A-AG einen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang und versagte die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG. Nach dieser Vorschrift wird für bestimmte steuerbare Erwerbe aufgrund einer Umwandlung (z. B. Verschmelzung) die GrESt nicht erhoben, wenn an der Umwandlung ein herrschendes Unternehmen und eine abhängige Gesellschaft beteiligt sind und die Beteiligung i. H. v. mindestens 95 % innerhalb von 5 Jahren vor und nach der Umwandlung besteht.
Das FG gab der Klage statt und gewährte die Steuerbegünstigung. Auch wenn der übertragende Rechtsträger (T-GmbH) nach der Verschmelzung nicht mehr existiert und damit kein Abhängigkeitsverhältnis für einen fünfjährigen Folgezeitraum bestehen kann, sei § 6a GrEStG anzuwenden, da der "Verbund" durch die Verschmelzung nicht erlösche, sondern sich im übernehmenden Rechtsträger (A-AG) konkretisiere. Mit der dagegen erhobenen Revision trägt das FA vor, der Verbund der am Umwandlungsvorgang beteiligten Rechtsträger sei mit der Verschmelzung beendet worden. Das BMF ist auf die Beitrittsaufforderung des BFH (BFH, Beschl. v. 25.11.2015, II R 62/14, BStBl II 2016, 167, Haufe Index 8805775) dem Revisionsverfahren beigetreten.
Entscheidung: Weite Auslegung des § 6a GrEStG
Der BFH trifft keine Entscheidung in der Sache; er legt die Problematik dem EuGH vor.
Die Voraussetzungen des § 6a GrEStG sind erfüllt. Der BFH legt die Vorschrift – entsprechend ihrem Zweck, Umstrukturierungen zu erleichtern – weit aus. Die Fünfjahresfristen können nur maßgebend sein, soweit sie aufgrund der Umwandlung auch eingehalten werden können. Deshalb ist, wenn – wie hier – nach der Verschmelzung die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft nicht mehr besteht, die Steuerbegünstigung gleichwohl zu gewähren, da die Frist gerade wegen der Verschmelzung nicht eingehalten werden kann. Die A-AG konnte die Frist bezüglich der Beteiligung an der T-GmbH aus umwandlungsrechtlichen Gründen (Beendigung der T-GmbH) nicht einhalten.
BFH sieht unionsrechtliche Probleme...
Fraglich ist allerdings, ob § 6a GrEStG eine nach Art. 107 Abs. 1 AEUV verbotene Beihilfe gewährt. Zweifel bestehen insbesondere im Hinblick darauf, ob die Steuerbegünstigung tatsächlich nur bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigt und damit einen selektiven Vorteil verschafft. Allerdings könnte die Steuerbegünstigung deshalb nicht als selektiv einzustufen sein, weil sie als Korrektur des Referenzsystems gerechtfertigt ist.
§ 6a GrEStG ist nicht anwendbar, wenn eine Umstrukturierung innerhalb eines Konzerns nicht mittels Umwandlung, sondern durch andere Maßnahmen durchgeführt wird. Das könnte ein Indiz dafür sein, dass die Beschränkung auf Umwandlungen selektiv ist. Dafür könnte auch sprechen, dass ein Unternehmen von der Steuerbegünstigung ausgeschlossen ist, wenn es vor der Umwandlung nicht 5 Jahre an der abhängigen Gesellschaft beteiligt war, auch wenn bereits früher ein Bedarf nach Umstrukturierung bestand. Dem steht die im Referenzsystem (in § 1 Abs. 2a GrEStG) geregelte Fünfjahresfrist beim Wechsel im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft nicht entgegen. Denn die Frist nach § 6a Satz 4 GrEStG knüpft an alle von Satz 1 erfassten Erwerbsvorgänge an. Andererseits könnte in der Fristenregelung auch eine sachgerechte Eingrenzung gesehen werden, um Mitnahmeeffekte zu verhindern. Ähnliche Regelungenfinden sich im Referenzsystem an anderer Stelle (§ 5 Abs. 3, § 6 Abs., 4 GrEStG).
... tendiert aber zur Unionsrechtskonformität
Insgesamt sieht der BFH indes beachtliche Gründe dafür, § 6a GrEStG bei Sachverhalten wie im Streitfall nicht als selektive Beihilfe anzusehen. Die Steuerbegünstigung erscheint daher gerechtfertigt. Die Entscheidung des FG wäre danach – ausgehend von der weiten Auslegung des § 6a GrEStG – rechtmäßig und die Revision des FA unbegründet.
Hinweis: Abweichung von der Verwaltungsauffassung
Nach der weiten Auslegung des Begriffs des herrschenden Unternehmens in § 6a Satz 3 GrEStG durch das FG und den BFH greift die Steuerbegünstigung auch im Fall der Verschmelzung ein, auch wenn der übertragende Rechtsträger nach dem Verschmelzungsvorgang nicht mehr existiert und damit auch kein Abhängigkeitsverhältnis zu einem herrschenden Unternehmen für einen Nachbehaltenszeitraum bestehen kann. Der BFH widerspricht damit der Verwaltungsregelung, nach der die Vorschrift nicht anwendbar ist auf Verschmelzungen abhängiger Gesellschaften auf das herrschende Unternehmen, weil durch die Verschmelzung das beherrschte Unternehmen aufgehört hat zu existieren und der erforderliche "Verbund" damit aufgelöst wird (Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl I 2012, 662).
Sollte der EuGH das Vorliegen einer unzulässigen Beihilfe bejahen, wäre § 6a GrEStG bis zu einer Entscheidung der Europäischen Kommission über die Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt nicht anwendbar. Das Revisionsverfahren müsste bis zu einer Entscheidung der Kommission ausgesetzt werden. Deren Entscheidung unterläge der Kontrolle der Unionsgerichte. Bis zur endgültigen Klärung sind entsprechende Fälle weiterhin offen zu halten.
BFH, Beschluss v. 30.5.2017, II R 62/14; veröffentlicht am 14.6.2017
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