Abzug eines Disagios
Hintergrund
Zu entscheiden war, ob ein Disagio über 5 % als Werbungskosten bei den Einkünften aus VuV anzuerkennen ist.
Der Vermieter V erwarb ein Mehrfamilienhaus zum Preis von 1,5 Mio. EUR. Den Kaufpreis finanzierte er mit einem bei einer Geschäftsbank aufgenommenen Hypothekendarlehen über einen Darlehensbetrag von nominell 1.333.000 EUR. Der Nominalzinssatz betrug bei einer festen Zinsbindung von 10 Jahren 2,85 % jährlich. Bei der Berechnung des Nominalzinssatzes war ein Disagio von 10 % der Darlehenssumme berücksichtigt.
V machte das Disagio in Höhe von 133.000 EUR (neben weiteren Darlehenskosten von 150 EUR) als sofort abziehbare Werbungskosten geltend. Das FA berücksichtigte lediglich 66.725 EUR, da nur der marktübliche Teil von 5 % des Disagios sofort abziehbar sei. Den über 5 % hinausgehenden Betrag verteilte das FA auf den Zinsfestschreibungszeitraum von 10 Jahren und berücksichtigte davon im Streitjahr nur anteilig 6.673 EUR. Dem folgte das FG und wies die Klage ab. Der vereinbarte Nominalzins von 2,85 % sei nach der Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank für Juli 2009 ungewöhnlich niedrig. Danach betrügen die Effektivzinsen für Wohnungsbaukredite an private Haushalte mit einer Laufzeit von über 5 Jahren ca. 5 %. Das Disagio sei daher ungewöhnlich hoch.
Entscheidung
Ausgaben für eine Nutzungsüberlassung von mehr als 5 Jahren, die im Voraus geleistet werden, sind grundsätzlich auf den Vorauszahlungszeitraum zu verteilen. Abweichend davon kann ein Damnum oder Disagio, das für einen Kredit über eine Laufzeit von mehr als 5 Jahren gezahlt wird, soweit es marktüblich ist, im Jahr der Leistung, d.h. des Abflusses, voll abgezogen werden (§ 11 Abs. 2 EStG). Was marktüblich ist, beurteilt sich nicht nach einem festen Zinssatz, sondern nach den aktuellen Verhältnissen auf dem Kreditmarkt bezogen auf das konkret finanzierte Objekt. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, fehlt die Marktüblichkeit, wenn der Nominalzins "ungewöhnlich niedrig" und das Disagio entsprechend hoch bemessen ist (BT-Drucks. v. 25.9.2006, 16/2712, S. 44).
Das marktübliche Disagio ist somit von ungewöhnlichen Gestaltungen abzugrenzen. Dazu stellt der BFH den Grundsatz auf, dass eine mit einer Geschäftsbank wie unter fremden Dritten geschlossene Vereinbarung die Marktüblichkeit indiziert. Diese Vermutung kann bei Vorliegen besonderer Umstände widerlegt werden. Solche Umstände können in einer besonderen Kreditunwürdigkeit des Darlehensnehmers, besonderen persönlichen Beziehungen der Beteiligten zueinander oder ganz atypischen Vertragsgestaltungen liegen. Das BMF vertritt dazu die Auffassung, dass grundsätzlich von der Marktüblichkeit auszugehen ist, wenn für ein Darlehen mit mindestens fünfjährigem Zinsfestschreibungszeitraum ein Disagio von bis zu 5 % vereinbart wird (BMF-Schreiben v. 20.10.2003, BStBl 2003, 546. Rz. 15). Der BFH sieht darin eine die tatsächliche Würdigung erleichternde Sachverhaltstypisierung. Diese Nichtbeanstandungsgrenze gilt jedoch nicht, wenn es sich - wie im Streitfall - um ein Disagio von mehr als 5 % handelt.
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies den Fall an das FG zurück. Dieses hat das Disagio lediglich deshalb als ungewöhnlich hoch beurteilt, weil der Effektivzins nach statistischen Angaben der Bundesbank bei einer Laufzeit von über 5 Jahren ca. 5 % betrug. Das widerspricht dem Grundsatz des BFH, dass die Marktüblichkeit beim Abschluss mit einer Geschäftsbank vermutet wird. Das FG wird daher festzustellen haben, ob besondere Umstände des konkreten Streitfalls gegen die durch den Vertragsschluss mit einer Geschäftsbank indizierte Marktüblichkeit sprechen.
Hinweis
Die Feststellung des am aktuellen Kreditmarkt Üblichen obliegt der tatrichterlichen Würdigung des FG. Für die Praxis sieht der BFH die Nichtbeanstandungsgrenze von bis zu 5 % als eine die Würdigung erleichternde Sachverhaltstypisierung an. Er lässt jedoch ausdrücklich offen, ob diese Nichtanwendungsgrenze die Marktüblichkeit tatsächlich zutreffend typisiert. Für die Vielzahl der Fälle, in denen die Vereinbarungen mit einer Geschäftsbank wie unter fremden Dritten geschlossen werden, gilt jedenfalls die Vermutung der Marktüblichkeit. Diese Vermutung kann grundsätzlich nicht durch statistische Angaben, sondern nur aufgrund besonderer Umstände (z.B. Kreditunwürdigkeit, persönliche Beziehungen, atypische Gestaltungen) widerlegt werden.
BFH, Urteil v. 8.3.2016, IX R 38/14, veröffentlicht am 15.6.2016
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