Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen

Das Finanzamt ist aufgrund nachträglich bekannt gewordener neuer Tatsachen zu einer Bescheidänderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu Lasten des Steuerpflichtigen berechtigt, sofern das nachträgliche Bekanntwerden nicht auf einer schwerwiegenden Ermittlungspflichtverletzung des Finanzamts beruht.

Sachverhalt:

Im Streitfall waren die Steuerpflichtigen zu gleichen Teilen Erben verschiedener Miet- und Geschäftsgrundstücke. Das Finanzamt bat die Erben zwecks Feststellung von Grundbesitzwerten für Zwecke der Erbschaftsteuer um Angaben zu den ererbten Grundstücken und verzichtete ausdrücklich auf die Einreichung von Steuererklärungen. Nachdem der Bedarfswert zunächst im Sachwertverfahren (§ 147 BewG) festgestellt wurde, kam das Finanzamt im Rahmen einer nachfolgend durchgeführten Betriebsprüfung zu der Erkenntnis, dass die Gebäude verpachtet und auch nutzbar waren. Aufgrund dieser Feststellungen änderte das Finanzamt seine Bewertungsmethode und legte für die Feststellung des Grundbesitzwertes nicht mehr den Steuerbilanzwert zu Grunde, sondern stellte nunmehr gemäß § 146 BewG nach dem Ertragswertverfahren einen höheren Ertragswert fest. Streitig war nun im Ergebnis, ob eine Bescheidänderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu Lasten der Steuerpflichtigen noch erfolgen konnte. Im Einspruchsverfahren trugen sie hiergegen vor, dass eine Bescheidänderung nicht mehr hätte erfolgen dürfen, weil das Finanzamt den Umstand der Vermietung durch gehörige Erfüllung seiner Ermittlungspflicht vorher hätte erfahren können und es insoweit an einer Bescheidänderung nach § 173 AO aufgrund von Treu und Glauben gehindert sei.

Entscheidung:

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren eingelegte Klage hatte keinen Erfolg. Zwar ist die Änderung eines Bescheids gemäß § 173 AO nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem Finanzamt die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Den im Wesentlichen erhobenen Vorwurf, der zuständige Sachbearbeiter hätte weitere Ermittlungen zum Objekt durchführen und so die Vermietbarkeit in Erfahrung bringen müssen, ließ das Finanzgericht jedoch nicht gelten. Denn der Bearbeiter hatte sich mit anderen Stellen des Finanzamts in Verbindung gesetzt, ohne von der Vermietung erfahren zu haben. Eine tiefergehende Ermittlung in Richtung einer möglichen Vermietbarkeit hatte sich somit nicht aufgedrängt. Ein solches Aufdrängen von Zweifelsfragen, denen die Behörde nicht nachgeht, ist aber Voraussetzung dafür, um eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 88 AO annehmen zu können. Selbst wenn die tatsächliche oder rechtliche Beurteilung schwierig sein kann, verstärkt sich die Ermittlungspflicht im Allgemeinen nur bei hinzutretenden Unklarheiten und Zweifeln, die sich etwa aus der Erklärung oder anderen Umständen ergeben können. Erscheinen die Angaben des Steuerpflichtigen dagegen plausibel und vollständig, braucht das Finanzamt dem nicht mit Misstrauen begegnen und von sich aus weitere Ermittlungen anstellen; dies gilt auch in vom normalen Veranlagungsgeschäft abweichenden Sonderfällen.

Praxishinweis:

Vor diesem Hintergrund konnte das Finanzgericht die weitergehende Frage, ob der Steuerbescheid auch deshalb weiterhin änderbar war, weil die Steuerpflichtigen ihrerseits nicht ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen sind oder sich treuwidrig verhalten haben, dahinstehen lassen, weil keine Pflichtverletzung des Finanzamts vorlag und sich deshalb die Frage des Treu – und Glauben – Schutzes nicht stellte.

FG Köln, Urteil v. 26.8.2015, 4 K 4035/10


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