Anspruch auf Entnahme des Altersvorsorge-Eigenheimbetrags

Nach § 92a Abs. 1 Satz 1 EStG kann der Zulageberechtigte das in einem Altersvorsorgebetrag gebildete und nach § 10a oder dem XI. Abschnitt des EStG geförderte Kapital in vollem Umfang oder teilweise entnehmen. 

Bei teilweiser Entnahme muss das verbleibende geförderte Restkapital mindestens 3.000 EUR betragen. Nummer 1 der Vorschrift sieht vor, dass bis zum Beginn der Auszahlungsphase eine solche Verwendung unmittelbar für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung oder zur Tilgung eines zu diesem Zweck aufgenommenen Darlehens möglich ist, wenn das dafür entnommene Kapital mindestens 3.000 EUR beträgt. Das FG Berlin-Brandenburg hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob zur Herstellung einer Wohnung auch nachträgliche Herstellungskosten (in Form eines Anbaus) gehören.

Tatbestand "Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung"

Nach Auffassung des BFH (Urteil v. 6.4.2016, X R 29/14, Haufe Index 9707937) folgt die Definition des Tatbestands "Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung" in § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen. Die einkommensteuerrechtliche Beurteilung von Anschaffungs- wie Herstellungskosten beruht auf § 255 Abs. 1 und Abs. 2 HGB. Nach § 255 Abs. 1 HGB sind z. B. Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Dazu gehören gemäß § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten. Nicht entscheidend ist, ob diese Kosten bereits im Zeitpunkt des Erwerbs oder erst im Anschluss hieran als Folgekosten des Erwerbsvorgangs entstehen.

Beispiel zum nachträglichen Anbau eines Wintergartens

A beantragt bei der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen die Entnahme eines Altersvorsorge-Eigenheimbetrags aus seinem nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz zertifizierten Altersvorsorgevertrag für den Anbau eines Wintergartens an seine bereits seit dem Jahr 2000 selbstgenutzte Wohnung. 

Finanzamt: Vergrößerung der Wohnfläche genügt nicht

Im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem FG Berlin-Brandenburg war ein Finanzamt der Meinung, dass bei einem nachträglichen Anbau eines Wintergartens zwar nachträgliche Herstellungskosten vorliegen. Diese seien jedoch nicht berücksichtigungsfähig, da die Herstellung einer Wohnung das Schaffen einer neuen, bisher nicht vorhandenen Wohnung voraussetze. Durch die nachträgliche Herstellung werde keine neue Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne geschaffen, sondern nur die Wohnfläche einer bisher vorhandenen Wohnung nach deren Fertigstellung vergrößert. Die Einbeziehung nachträglicher Herstellungskosten in die steuerliche Förderung habe der Gesetzgeber nicht geregelt. Dagegen soll auch nicht die Entscheidung des BFH sprechen. Soweit dort für die Definition des Tatbestands "Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung" auf die allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Grundsätze abgestellt werde, entspreche dies dieser Rechtsauffassung.

FG Berlin-Brandenburg bezieht sich auf HGB

Das FG Berlin-Brandenburg ist aber dagegen der Auffassung (Urteil v. 7.12.2017, 10 K 10145/14), dass der Anbau eines Wintergartens als Erweiterung des Wohnraums von der Regelung des § 92a EStG (nachträgliche Herstellung) erfasst wird. Da die Definition des Tatbestands "Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung" nach den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen sei, folge aus § 255 Abs. 2 HGB, dass Herstellungskosten die Aufwendungen sind, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. 

Eine Erweiterung eines Gebäudes liegt vor, wenn durch eine Baumaßnahme seine nutzbare Fläche vergrößert, seine Substanz vermehrt wird oder wenn bisher nicht vorhandene Bestandteile eingebaut werden. Für die Annahme nachträglicher Herstellungskosten ist hierbei nicht erforderlich, dass das Gebäude wesentlich erweitert wird, auch eine nur geringfügige Vergrößerung der nutzbaren Fläche reicht aus (BFH, Urteil v. 15.5.2013, IX R 36/12, Haufe Index 5086313).

Revisionsverfahren anhängig

Gegen die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg läuft ein Revisionsverfahren vor dem BFH. M. E. ist nicht davon auszugehen, dass der BFH eine andere Auffassung vertritt. Vergleichbare Fälle sollten bis zur Entscheidung des BFH (Az X R 4/18) offen gehalten werden.   


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