Vergünstigung für Schwerbehinderte nach § 3a KraftStG
Im entschiedenen Fall wurde das Kraftfahrzeug von einem schwerbehinderten Menschen, der unstreitig die Voraussetzung der Begünstigungsvorschrift des § 3a Abs. 1 KraftStG erfüllt, gehalten. Unstreitig ist auch, dass das Fahrzeug nicht zweckwidrig verwendet wurde, sodass das Hauptzollamt auf Antrag dieses Halters nach § 3a Abs. 1 KraftStG in Verbindung mit § 3a Abs. 3 KraftStG die Vergünstigung für Schwerbehinderte nach § 3a KraftStG gewährt hätte, wenn der Antrag gestellt worden wäre. Nach dem Tod dieses Halters und dem daraus resultierenden Ende der Kraftfahrzeugsteuerpflicht setzte das Hauptzollamt diese nach § 12 Abs 2 Nr. 3 KraftStG für die Zeit ab Beginn des letzten Entrichtungszeitraums bis zum Todeszeitpunkt per "Endebescheid" fest.
Begünstigung für die Erben?
Die Erben beantragten daraufhin das Halten des Kraftfahrzeugs des Erblassers nach § 3a Abs. 1 KraftStG zu begünstigen. In Rede steht die Zeit ab dem im letzten Entrichtungszeitraum liegenden Datums der Feststellung der Schwerbehinderung des vormaligen Fahrzeughalters durch Bescheid des Landratsamts bis zum Ende der Kraftfahrzeugsteuerpflicht durch den Tod des ursprünglichen Halters.
Die weiteren formalen Voraussetzungen liegen hierzu insoweit vor, als dass der Bescheid des Landratsamtes mit der Feststellung eines entsprechenden Grades der Behinderung (GdB 100 %) sowie den Merkzeichen G, B, H, aG und RF (Merkzeichen G – erheblich beeinträchtigt in der Bewegungsfähigkeit, B – Begleitperson, H – Hilfslosigkeit, aG – außergewöhnliche Gehbehinderung, RF – Rundfunk/Fernsehen) gegenüber der Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung die Wirkung eines Grundlagenbescheids im Sinne des § 171 Abs. 10 AO erfüllt und damit Grundlage für eine Änderung des Kraftfahrzeugsteuerbescheides nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist. Im Ergebnis wäre die Vergünstigung antragsgemäß zu gewähren, wenn der ursprüngliche Kraftfahrzeughalter diese noch selber beantragt hätte.
Zu prüfen war die Frage, inwieweit eine Steuerbefreiung nach § 3a Abs. 1 KraftStG ein höchstpersönliches Recht des schwerbehinderten Halters ist, das auch nur von diesem ausgeübt werden kann. Streitig war demnach, ob dieses Recht auch auf die Erben übergehen kann. Aus Sicht der Zollverwaltung als für die Festsetzung und Erhebung der Kraftfahrzeugsteuer zuständigen Behörde kann der Zweck der Begünstigungsvorschrift des § 3a KraftStG, die Mobilität behinderter Menschen zu fördern, nach dem Tod des Fahrzeughalters nicht mehr erreicht werden. Eine rückwirkende Begünstigung der Erben durch Anwendung der Vorschrift des § 3a KraftStG komme entsprechend nicht in Betracht.
Steuervergünstigung für Schwerbehinderte
Das FG Baden-Württemberg setzt sich in seiner Entscheidung ebenfalls mit dem Sinn und Zweck der Begünstigungsvorschrift des § 3a KraftStG auseinander. Hierbei untersucht es die Frage der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB und die Anwendung auf Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 AO.
Dabei stellt der Senat im Lichte der Rechtsprechung des BFH fest, dass ein Gesamtrechtsnachfolger materiell- und verfahrensrechtlich in die abgabenrechtliche Stellung des Rechtsvorgängers eintritt und hiermit auch die dem Erblasser zur Verfügung stehenden steuerrechtlichen Gestaltungsrechte und -möglichkeiten auf die Erben übergehen. Ausgenommen hiervon sind lediglich höchstpersönliche Rechte, die unlösbar mit der Person des Rechtsvorgängers verknüpft sind. Für die Entscheidung, ob bei einer steuerrechtlichen Angelegenheit eine derartige Verknüpfung vorliegt, sind jeweils die maßgeblichen Steuervorschriften zu prüfen.
In Anwendung auf den vorliegenden Fall stellt der Senat fest, dass eine solche Verknüpfung nicht vorliegt. Vielmehr sei es eher "zufällig", dass der Grundlagenbescheid zur Feststellung der Schwerbehinderung des Halters erst nach Abmeldung des Kraftfahrzeugs erstellt wurde. Auf diesen Zeitpunkt hat der Halter keinen Einfluss, mithin kann dieser nicht für die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 3a Abs.1 KraftStG entscheidend sein. Zur Frage, ob der Zweck der Vorschrift, die Mobilität schwerbehinderter Menschen zu fördern, durch eine rückwirkende Vergünstigung noch erzielt werden kann, vergleicht der Senat die rechtliche Folge, für den Fall, dass der ursprüngliche Halter nicht verstorben sei. In diesem Falle wäre die Vergünstigung gestützt auf die Vorschriften der § 171 Abs. 10 AO und § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ebenfalls rückwirkend gewährt worden und die Mobilität rückwirkend gefördert worden. Im Ergebnis stellt der Senat fest, dass das Antragsrecht nach § 3a KraftStG kein höchstpersönliches Recht des Halters ist und entsprechend auch auf Erben übergehen kann.
Rückwirkende Kraftfahrzeugsteuerbefreiung
Mit der Entscheidung hat der Senat deutlich gemacht, wie weit die Gesamtrechtsnachfolge im Bereich des Kraftfahrzeugsteuergesetzes geht. So bemerkenswert die Entscheidung ist, Erben eine rückwirkende Steuerbefreiung zur Förderung der Mobilität eines zwischenzeitlich verstorbenen schwerbehinderten Menschen zu gewähren, so ist sie aus Sicht der Praxis durchaus nachvollziehbar. Im Rahmen der Überlegungen, ein Kraftfahrzeug anzuschaffen oder weiter zu halten, spielt die Frage der Vergünstigung durch kraftfahrzeugsteuerrechtliche Vorschriften durchaus eine Rolle, sodass die Aussicht auf eine zu gewährende Steuerbefreiung ein Aspekt dieser Disposition sein kann. Im Ergebnis hat damit die begünstigende Vorschrift des § 3a KraftStG ihren Zweck, die Mobilität schwerbehinderter Menschen zu fördern, bereits im Zeitpunkt dieser Entscheidung des Halters erfüllt.
Der spätere Antrag an das Hauptzollamt ist aus Sicht des Halters nicht mehr entscheidend, da einem solchen Antrag, der auf einen entsprechenden Bescheid der Sozialbehörde gestützt ist, stattzugeben ist. Die Zollverwaltung hat gegen das Urteil Revision eingelegt, Az beim BFH, IV R 38/19.
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