Aufforderung zur vorzeitigen Abgabe von Steuererklärungen

Die Aufforderung zur vorzeitigen Abgabe von Steuererklärungen bei einem steuerlich beratenen Steuerpflichtigen kann rechtswidrig sein.

Hintergrund:

Mit Schreiben v. 29.4.2011 forderte das Finanzamt bei dem steuerlich beratenen Kläger die Abgabe der Steuererklärungen bis zum 1.8.2011 an. Zur Begründung verwies das Finanzamt darauf, dass es zwar einen allgemeinen Erlass bezüglich der Abgabe von Steuererklärungen bei steuerlich beratenen Steuerpflichtigen gebe, der die Frist bis zum Jahresende verlängere. In Einzelfällen bestehe aber immer die Möglichkeit hiervon abzuweichen. Gegen die Anforderung legte der Kläger Einspruch ein. Sie machten geltend, die Ermessensentscheidung des Finanzamts sei nicht hinreichend begründet. Eine individuelle Interessensabwägung sei nicht erkennbar. Das Finanzamt wies den Einspruch zurück, so dass Klage geboten war. Da die Steuererklärungen in der Zwischenzeit eingereicht worden waren, musste das FG Hamburg noch im Rahmen einer Feststellungsantrags über die Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Anforderung entscheiden. In der mündlichen Verhandlung trug das Finanzamt weitere Ermessenserwägungen vor. Insbesondere erfordere die gleichmäßige Auslastung der Finanzämter die vorzeitige Anforderung im Einzelfall.

Entscheidung:

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht stellte fest, dass die Aufforderung zur vorzeitigen Abgabe der Steuererklärung 2010 rechtswidrig war, da die Entscheidung des Finanzamts nicht hinreichend begründet war. Ein berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an der Feststellung wurde bejaht. Zwar sei es auch nach den gleichlautenden Ländererlassen zur Fristverlängerung bei steuerlich beratenen Steuerpflichtigen möglich, die Steuererklärungen bereits vor dem 31.12. anzufordern. Das Gericht dürfe dabei nur überprüfen, ob sich die Finanzbehörde im Rahmen der Ermessenrichtlinie bewegt habe. Hier habe das Finanzamt aber seine Pflicht zur Begründung der Aufforderung zur vorzeitigen Abgabe nicht hinreichend erfüllt. Das Anforderungsschreiben lasse nicht erkennen, von welcher Sachlage das Finanzamt bei seiner Ermessenentscheidung ausgegangen sei. Insbesondere sei nicht dargelegt worden, warum im hier zur Entscheidung anstehenden Einzelfall die vorzeitige Anforderung erfolgt sei.

(FG Hamburg, Urteil v. 27.4.2012, 6 K 96/11)

Praxishinweis:

Bekanntlich besteht bei steuerlich beratenen Steuerpflichtigen regelmäßig die Möglichkeit, die Frist für die Abgabe der Steuererklärung zu verlängern. Einzelheiten hierzu regelt der einheitliche Ländererlass, der jedes Jahr neu veröffentlicht wird. Unstrittig ist, dass gleichwohl im begründeten Einzelfall die Möglichkeit besteht, die Steuererklärung vor dem Jahresende anzufordern. Hiervon machen die Finanzämter auch zunehmend Gebrauch. Allerdings müssen die Finanzämter diese Anforderung begründen. Hier hatte das Finanzamt gar keine schlüssige Begründung geliefert, so dass die Anforderung bereits deswegen rechtswidrig war. Steuerpflichtige sollten aber bei dem Führen eines entsprechenden Einspruchs nicht zu siegesgewiss sein. In ähnlich gelagerten Fällen reichte der bloße Hinweis auf hohe Schlusszahlungen im Vorjahr (FG Niedersachsen, Urteil v. 24.4.2012, 15 K 365/11), damit die Anforderung rechtmäßig war. Auch das FG Hamburg wirft zumindest die Frage auf, ob der reine Hinweis auf den Fristenerlass als Begründung ausreicht. Dies wird man zu verneinen haben, da es sich nicht um eine Ermessensausübung unter Berücksichtigung des Einzelfalles handelt.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wurde die Revision zum BFH zugelassen.


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