Auslegung eines Einspruchs
Begründung eines Einspruchs
Der Kläger legte gegen einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2015 fristgerecht zunächst ohne Begründung Einspruch ein. Der Steuerbescheid umfasste hierbei neben der Einkommen- und Kirchensteuer sowie dem Solidaritätszuschlag auch eine Zinsfestsetzung über die Steuernachforderung. Strittig war hierbei zunächst insbesondere die richtige steuerliche Würdigung eines Veräußerungsgeschäftes nach § 17 EStG. In seinem Einspruchsschreiben bat der Kläger um einen Termin für eine Besprechung des Sachverhalts. Dieser Termin fand im Mai 2018 statt. In diesem Termin stellte der Kläger, der bis zu diesem Zeitpunkt nicht steuerlich beraten war, die Gründe für seinen Einspruch dar. Im Juli 2018 nahm der Kläger erstmals ausdrücklich zur Zinsfestsetzung Stellung. Kurz darauf erließ das Finanzamt eine ablehnende Einspruchsentscheidung und führte aus, das Schreiben vom Juli 2018 sei als ein Antrag auf Änderung der Zinsfestsetzung zu werten. Die Zinsfestsetzung sei aber bestandskräftig, so dass eine Änderung nicht in Frage komme. Der nunmehr steuerlich vertretene Kläger wandte sich gegen sämtliche Festsetzungen in dem Einkommensteuerbescheid, also auch gegen die Zinsen. Streitig war allerdings letztlich nur noch die Zinsfestsetzung.
Einspruch gegen einen Sammelbescheid
Die Klage vor dem Finanzgericht hatte insofern Erfolg, als das Finanzgericht Berlin-Brandenburg die Zulässigkeit des Einspruchs bejaht, da der Einspruch fristgerecht eingelegt wurde. Über die Rechtsmäßigkeit der Festsetzung wurde noch nicht entschieden. Nach Ansicht des FG kommt es bei dem Einspruch nicht auf die Überschrift in dem Einspruch an, sondern es ist aus dem Einspruch zu ermitteln, wogegen sich dieser richtet. Zwar sei geklärt, dass bei einem Einspruch gegen einen Sammelbescheid aus der Einspruchsbegründung zu ermitteln sei, wogegen sich der eingelegte Einspruch richtet. Hier allerdings sei der Einspruch zunächst ohne Begründung eingelegt und erst später in Gesprächen begründet worden. Über diesen Fall habe der Bundesfinanzhof bislang nicht zu entscheiden gehabt. Im Interesse einer rechtsschutzwahrenden Auslegung des Einspruchs sei in diesem Fall davon auszugehen, dass gegen alle Verwaltungsakte des Sammelbescheides Einspruch eingelegt werde. Auch sei hier keine Rücknahme des Einspruchs erfolgt.
Auslegung des Einspruchs
Die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg ist im Interesse von Steuerpflichtigen durchaus zu begrüßen. Sie ist auch durchaus als praxisnah anzusehen, da bei einem Steuerpflichtigen, der Einspruch gegen einen Sammelbescheid – zunächst ohne genaue Begründung – einlegt, regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass er alle Verwaltungsakte für eine eingehende Prüfung offenhalten möchte. Allerdings sollten sich Steuerpflichtige nicht darauf verlassen, dass von Seiten der Finanzverwaltung und Finanzgerichte diese Auslegung immer auch geteilt wird. Insofern sollte man sich bei einer Einspruchseinlegung bemühen, die angefochtenen Verwaltungsakte genau zu bezeichnen oder aber zum Ausdruck bringen, dass sich der Einspruch gegen alle in dem angefochtenen Bescheid zusammen gefassten Verwaltungsakte richtet. Eine Besonderheit des Falles ist zudem zu beachten. Der Kläger war hier im Verfahren beim Finanzamt nicht steuerlich vertreten. Bei einem solchen Kläger dürfte es näher als bei einer steuerlich vertretenen Person liegen, eine Auslegung im Interesse des Steuerpflichtigen vorzunehmen. Wäre der Einspruch durch einen Steuerberater eingelegt worden, wäre die Entscheidung unter Umständen anders ausgefallen. Die Entscheidung ist vorläufig nicht rechtskräftig, da das FG die Revision zum BFH zugelassen hat.
FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 23.1.2019, 3 K 3210/18, Haufe Index 13029826
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