Neue Tatsachen beim Ansatz von Reisekosten – Zu wessen Lasten gegen Unklarheiten?
Hintergrund:
Die Finanzverwaltung kann bereits bestandskräftige Steuerbescheide zum Nachteil der Stpfl. ändern, „soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen“ (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO). Solche Änderungen zu Lasten des Stpfl. lassen sich allerdings nur dann unangefochten durchführen, wenn der für die Änderung maßgebende Sachverhalt geklärt ist. Bestehen Zweifel am Vorliegen der für die Änderung des Bescheids maßgebenden Tatsachen, geht dies regelmäßig zu Lasten der Finanzbehörde, weil sie für das Vorliegen dieser Tatsachen die Feststellungslast trägt. Anders kann es allerdings liegen, wenn der Stpfl. bei der Aufklärung des Sachverhalts seinen Mitwirkungspflichten nicht ausreichend nachgekommen ist.
Im Streitfall hatte ein Unternehmer (A) für die Streitjahre 1999 bis 2003 Reisekosten als Betriebsausgaben abgezogen. Im Anschluss an eine Außenprüfung kürzte das FA den in den Steuerbescheiden für die Streitjahre gewährten Betriebsausgabenabzug für die Reisekosten, da sich in den Belegordnern des A nur Bahnfahrkarten und Flugtickets befunden hätten, während Reisekostenabrechnungen und Hotelrechnungen nur „sporadisch“ vorhanden gewesen seien. Streitig war insbesondere ein Betrag i.H. v. 22.000 DM, den A für mehrwöchige Türkeireisen eines türkischen Mitarbeiters als Betriebsausgaben geltend gemacht hatte.
Nach Auffassung des FG hätte das FA den Betriebsausgabenabzug zwar materiell-rechtlich versagen dürfen, da die betriebliche Veranlassung der Reisekosten weder durch Aufzeichnungen noch durch geeignete Erläuterungen des A nachgewiesen oder auch nur glaubhaft gemacht werden konnte. Diese Sachverhaltsunklarheiten müssten aber zu Lasten des FA gehen, da das FA auch bei unzureichender Mitwirkung des Stpfl. die objektive Feststellungslast für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO trage.
Entscheidung des BFH:
Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass das FG vorrangig den entscheidungserheblichen Sachverhalt hätte aufklären müssen, bevor es eine Entscheidung nach den Regeln der Feststellungslast trifft. Das FG habe aber keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, die Grundlage für die Beurteilung der Frage sein könnten, ob dem FA „Tatsachen“ nachträglich bekannt geworden sind.
Verweigert ein Stpfl. die ihm zumutbare Mitwirkung an der Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 3 FGO), so hat das FG vor Anwendung der Regeln über die Feststellungslast zu erwägen, ob das im konkreten Einzelfall anzuwendende Beweismaß gegenüber dem Regelbeweismaß zu reduzieren ist. Das Beweismaß kann sich dann auf die „größtmögliche Wahrscheinlichkeit“ verringern. Das gilt insbesondere auch für die Feststellung, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung der Korrekturvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt sind. Wenn das Regelbeweismaß infolge fehlender Mitwirkung des beweisnahen Beteiligten reduziert ist, kann das Vorliegen einer „Tatsache“ i.S. des § 173 AO auch dann „festgestellt“ werden, wenn zwar keine förmliche und volle Überzeugungsbildung möglich ist, aber mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen einer konkreten Tatsache geschlossen werden kann.
Einen großen Teil seiner Ausführungen verwendet der BFH abschließend mit den Einzelheiten der vom FG im zweiten Rechtsgang noch durchzuführenden Sachaufklärung.
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