Bagatellgrenze für die Abfärberegelung
Hintergrund
Eine aus Rechtsanwälten bestehende GbR (Sozietät), die auf dem Gebiet der Insolvenzverwaltung umfassend tätig war, beschäftigte u.a. einen angestellten Rechtsanwalt Y, der verschiedene Male zum Insolvenzverwalter bestellt wurde. Darüber hinaus nahm er Mandatsangelegenheiten wahr.
Das FA war der Auffassung, die GbR habe gewerbliche Einkünfte. Denn nach der sog. Vervielfältigungstheorie liege bei der Erbringung der beruflichen Tätigkeit durch fachlich vorgebildete Hilfskräfte eine gewerbliche Tätigkeit vor.
Das FG gab der gegen die entsprechenden Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuermessbetragsbescheide erhobenen Klage statt. Zum einen sei die Vervielfältigungstheorie vom BFH aufgegeben worden. Zum anderen habe die GbR zwar insoweit auch geringe gewerbliche Einkünfte erzielt, als sie sich des eigenverantwortlich tätigen Rechtsanwalts Y bedient habe. Wegen der Geringfügigkeit des Anteils dieser gewerblichen Einkünfte komme diesen jedoch nicht die Wirkung einer Umqualifizierung der gesamten Einkünfte der GbR in gewerbliche Einkünfte zu. Die sog. Abfärberegelung (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) sei bei einer ganz geringfügigen gewerblichen Tätigkeit nicht anwendbar.
Entscheidung
Die GbR übte zwei Tätigkeiten aus. Ganz überwiegend war sie selbständig tätig (freiberufliche anwaltliche Tätigkeit, § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, und Insolvenzverwaltertätigkeit als sonstige selbständige Tätigkeit, § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Daneben hatte sie jedoch mit der Beschäftigung des angestellten Rechtsanwalts Y außerdem gewerbliche Einkünfte. Denn bei der Beschäftigung eines qualifizierten Mitarbeiters liegt nur dann eine freiberufliche bzw. sonstige selbständige Tätigkeit vor, wenn der Berufsträger auch in diesem Bereich weiterhin leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Das war beim Einsatz des angestellten Rechtsanwalts Y jedoch nicht der Fall, da er eigenverantwortlich, d.h. ohne Anleitung oder Überwachung durch einen Mitgesellschafter zum Insolvenzverwalter bestellt wurde und tätig war.
Entgegen der mit der Revision vorgetragenen Auffassung des FA sieht der BFH die gewerbliche Tätigkeit im Streitfall jedoch als so untergeordnet an, dass sie nicht zur Umqualifizierung der Einkünfte der GbR in gewerbliche führt. Die Abfärberegelung, nach der die Einkünfte einer Personengesellschaft, die Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt, insgesamt zu gewerblichen Einkünften umqualifiziert werden, wenn daneben - auch nur in geringem Umfang - eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird, kommt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht zur Anwendung, wenn es sich um eine gewerbliche Tätigkeit von äußerst geringem Umfang handelt. Nach Auffassung des BFH ist die Grenze des geringen Umfangs erst überschritten, wenn die gewerblichen Umsätze 3 % der Nettoumsätze der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 EUR übersteigen.
Da die gewerblichen Nettoumsätze weder die 3 %-Grenze noch den Höchstbetrag von 24.500 EUR überstiegen, wurde die Revision des FA, das die Grenze niedriger ansetzen wollte, zurückgewiesen.
Hinweis
Mit dieser typisierenden Betrachtung beseitigt die Entscheidung die bisher im Schrifttum und in der Rechtsprechung der FG bestehenden Unklarheiten, wo die Geringfügigkeitsgrenze bei der Abfärberegelung verläuft.
Zum Hintergrund verweist der BFH auf den Unterschied zum Einzelunternehmer, bei dem gewerbliche und die freiberufliche Tätigkeiten getrennt beurteilt werden können. Wegen der Ungleichbehandlung im Vergleich zu Personengesellschaften kann die Abfärberegelung daher in Fällen äußerst geringer gewerblicher Betätigung nicht zur Anwendung kommen. Das BVerfG hat die Fiktion gewerblicher Einkünfte wegen des damit verfolgten Zwecks der Vereinfachung der Einkunftsermittlung auch gewerblich tätiger Personengesellschaften und zum Schutz des Gewerbesteueraufkommens gebilligt. Im Übrigen ergänzt der BFH, dass die Abfärbewirkung durch das sog. Ausgliederungsmodell (Gründung einer zweiten Personengesellschaft) vermieden werden kann und dass die Belastung durch die Anrechnung der GewSt auf die ESt (§ 35 EStG) gemildert wird.
In dem Urteil v. 27.8.2014, VIII R 16/11, hat der BFH die Umqualifizierung der künstlerischen Tätigkeit einer GbR in gewerbliche Einkünfte verneint, weil die gewerblichen Umsätze (Verkauf von Merchandising-Artikeln einer Gesangsgruppe) weniger als 3 % der Gesamtnettoumsätze betrugen und unterhalb von 24.500 EUR lagen. Im Verfahren VIII R 41/11, ebenfalls v. 27.8.2014, wurde die Umqualifizierung der freiberuflichen Einkünfte einer GbR (Webdesign) in gewerbliche Einkünfte bejaht, weil die erzielten gewerblichen Umsätze (Provisionen) die Grenze von 3 % der Gesamtnettoumsätze überschritten hatten.
Urteil v. 27.8.2014, VIII R 6/12, veröffentlicht am 11.2.2015
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