Bilanzierung unter Beachtung ausländischen Rechts
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Hintergrund: Schlusszahlung bei Lizenzierung eines Films
Die deutsche A-Fondsgesellschaft produzierte einen Spielfilm. Die weltweiten Verwertungsrechte räumte sie einem Vertriebsunternehmen (VU) ein. Der Vertriebsvertrag unterlag nach einer entsprechenden Vertragsklausel dem Recht des US-Bundesstaats Kalifornien. VU hatte fixe und variable Zahlungen zu leisten. Die fixen Zahlungen bestanden aus jährlichen Lizenzgebühren und einer am 31.3.2009 zu leistenden Schlusszahlung (Final Payment). VU war eine Kaufoption (Call Option) eingeräumt worden, die jedoch nicht ausgeübt wurde.
FG übersieht ausländisches Vertragsstatut
Das FA ging davon aus, das wirtschaftliche Eigentum am Filmurheberrecht sei VU zuzurechnen und die Schlusszahlung sei von VU über den Lizenzzeitraum gleichmäßig verteilt zu aktivieren (Linearisierung). Dem folgte das FG und wies die Klage gegen den entsprechenden Gewinnfeststellungsbescheid für das Streitjahr 2001 ab. Das FA und das FG legten den Vertrag entsprechend der BFH-Rechtsprechung dahin aus, dass es sich nicht um ein Veräußerungsgeschäft, sondern um einen Lizenzvertrag handele. Die Schlusszahlung bei Nichtausübung der Kaufoption sei Entgelt für die Überlassung der Verwertungsrechte während der Laufzeit des Vertrags. Die zeitraumbezogene Leistung sei zeitanteilig zu aktivieren. Die Grundsätze zur Bilanzierung schwebender Geschäfte gälten auch für Dauerschuldverhältnisse. Das Dauerschuldverhältnis sei am Bilanzstichtag erfüllt, soweit die geschuldete Leistung erbracht sei, und bleibe hinsichtlich zukünftiger Zeitabschnitte schwebend.
Entscheidung: Zeitraumbezogene Leistungsverpflichtungen
Bei Schuldverhältnissen, die zeitraumbezogene Leistungsverpflichtungen begründen, ist für die Gewinnrealisierung danach zu unterscheiden, ob die Dauerhaftigkeit der Leistung selbst anhaftet oder nur den zeitlichen Rahmen für einzelne Leistungen bildet. Im letztgenannten Fall (z.B. bei Sukzessivlieferungen und Wiederkehrschuldverhältnissen) tritt die Realisierung bei Erfüllung jeder einzelnen Leistung ein. Schuldverhältnisse, bei denen die geschuldete Leistung selbst zeitraumbezogen ist, führen demgegenüber zu einer zeitanteiligen Gewinnrealisierung, wenn für den gesamten Zeitraum eine qualitativ gleichbleibende Dauerverpflichtung besteht. Für die Frage, ob und wenn ja in welchem Umfang der Leistungsverpflichtete seine Leistung erbracht hat und ihm der Anspruch auf die Gegenleistung so gut wie sicher ist, kommt es darauf an, zu welcher Leistung der Leistungsverpflichtete überhaupt verpflichtet ist. Dies muss durch Auslegung des zugrunde liegenden Vertrags ermittelt werden.
Auslegung der Leistungsverpflichtung nach ausländischem Recht
Unterliegt der Vertrag ausländischem Recht, richtet sich die Auslegung nach dem ausländischen Recht. Die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB finden keine Anwendung. Den von den Vertragsparteien verwendeten Rechtsbegriffen ist die Bedeutung beizumessen, die ihnen nach der ausländischen Rechtsordnung zukommt. Diese Grundsätze hat das FG nicht beachtet. Denn in dem Vertrag war ausdrücklich die Geltung des kalifornischen Rechts vereinbart.
Feststellung des ausländischen Rechts obliegt dem FG
Es ist Aufgabe des FG als Tatsacheninstanz, das einschlägige ausländische Recht festzustellen. Der BFH ist sodann an die Feststellungen zum ausländischen Recht wie an Tatsachenfeststellungen gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Fehler bei der Ermittlung dieses Rechts kann der BFH nur aufgrund einer entsprechenden Verfahrensrüge prüfen. Das gilt jedoch nur, wenn das FG die Anwendbarkeit ausländischen Rechts erkannt, dieses aber fehlerhaft festgestellt hast. Anders ist es, wenn das FG die Geltung ausländischen Rechts übersehen hat. Die Nichtanwendung des ausländischen Rechts bzw. die Anwendung des deutschen Rechts auf einen Vertrag, für den ausländisches Recht gilt, bedeutet dann eine Verletzung revisibler Rechtssätze. Ein solcher Verstoß gegen materielles Bundesrecht ist vom BFH auch ohne Rüge zu berücksichtigen. Dieser Fall liegt hier vor. Denn das FG hat den Vertrag trotz abweichenden Vertragsstatuts nach deutschem Recht ausgelegt. Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies den Fall an das FG zurück. Dieses hat Feststellungen dazu nachzuholen, ob das kalifornische Zivilrecht Begriffe wie "Fälligkeit" und "aufschiebende" sowie "auflösende Bedingung" kennt und ob es diesen Begriffen die gleiche Bedeutung wie das deutsche Zivilrecht beimisst. Zu klären ist auch, wie Begriffe wie "Call Option" und "Final Payment" nach kalifornischem Rechtsverständnis zu beurteilen sind. Der BFH gibt dem FG – ohne Bindungswirkung – den Hinweis, dass für den Fall, dass das kalifornische Recht dem deutschen Recht folgt, die Aktivierung der Schlusszahlung zeitanteilig zu erfolgen hat.
Hinweis: Feststellung der ausländischen Rechtspraxis durch einen Sachverständigen
Das FG hat bei der Feststellung ausländischen Rechts nicht nur die Rechtsnormen, sondern auch deren Anwendung in der Rechtspraxis zu ermitteln. Es muss sich daher auch mit der ausländischen Rechtsprechung befassen. Verfügen die Richter des FG nicht über ausreichende eigene Kenntnisse, können amtliche Auskünfte bei Behörden des betreffenden Landes oder bei deutschen Botschaften, Konsulaten und Ministerien eingeholt werden. Außerdem besteht die Möglichkeit, ein wissenschaftliches Institut oder einen sonstigen Sachverständigen mit der Erstellung eines Rechtsgutachtens zu beauftragen. Kommt es auf die ausländische Rechtspraxis an, muss der Gutachter insoweit auf spezielle Kenntnisse verfügen. Allein die Auswertung von Literatur genügt nicht.
BFH, Urteil v. 7.12.2017, IV R 23/14; veröffentlicht am 21.2.2018
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