Beginn der Gebäudeherstellung im Investitionszulagenrecht
Hintergrund: Streitpunkt ist der Beginn eines Investitionsvorhabens und der damit verbundene Zulagensatz
Eine im Fördergebiet ansässige GmbH (Klägerin) beabsichtigte eine neue Betriebshalle zu errichten. Mit Architekten- und Ingenieurvertrag vom 13.4.2011 beauftragte sie die M-GmbH mit der Erbringung von Grundleistungen der Leistungsphasen 5 bis 9 nach § 3 Abs. 4 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (u.a. mit der Bauüberwachung). Im Dezember 2012 erteilte sie der Fa. W den Auftrag zur Ausführung der Bauarbeiten.
Mit Anträgen vom 20.2.2015 beantragte die Klägerin für die Jahre 2011 bis 2013 eine Investitionszulage für die Investitionen, die mit dem Erstinvestitionsvorhaben "Erweiterung der Betriebsstätte in H" zusammenhingen. Dabei ging sie von einem Beginn des Bauvorhabens im April 2011 aus. Das Finanzamt war hingegen der Ansicht, dass erst der Abschluss des Bauvertrags im Dezember 2012 als Beginn des Erstinvestitionsvorhabens anzusehen sei. Die unbeweglichen Wirtschaftsgüter könnten deshalb nur mit einem Zulagensatz von 5 % - statt 7,5 % - und die beweglichen Wirtschaftsgüter, die zum Erstinvestitionsvorhaben gehörten, nur mit einem Zulagensatz von 10 % - statt 15 % - gefördert werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 und § 6 Abs. 2 Nr. 5 InvZulG 2010). Das Finanzgericht wies die Klage ab.
Entscheidung des BFH: Beginn des Erstinvestitionsvorhaben lag im Jahr 2011
Der BFH gab der Klägerin Recht. Der Beginn eines Erstinvestitionsvorhabens, das sich aus mehreren Einzelinvestitionen zusammensetzt, ist der Zeitpunkt, zu dem mit der ersten hierzu gehörenden Einzelinvestition begonnen worden ist. Im Falle der Herstellung eines Wirtschaftsguts ist das grundsätzlich der Zeitpunkt, zu dem mit seiner Herstellung begonnen worden ist (§ 4 Abs. 2 Satz 3 InvZulG 2010). Abweichend davon fingiert allerdings § 4 Abs. 2 Satz 5 InvZulG 2010 bei der Herstellung von Gebäuden, dass der Abschluss eines der Bauausführung zuzurechnenden Lieferungs- oder Leistungsvertrags als Beginn der Herstellung gilt.
Um einen solchen Vertrag handelt es sich nach Auffassung des BFH bei dem zwischen der Klägerin und der M-GmbH am 13.4.2011 abgeschlossenen Architekten- und Ingenieurvertrag. Denn mit diesem Vertrag beauftragte die Klägerin die M-GmbH nicht nur mit der Erbringung von Planungsleistungen, sondern auch mit der Bauüberwachung. Spätestens die Bauüberwachung aber ist der Bauausführung zuzurechnen. Lag damit der Beginn der Erstinvestitionsvorhabens im Jahr 2011, steht der Klägerin - anders als von Finanzamt und Finanzgericht angenommen - eine Zulage von 7,5 % für unbewegliche und von 15 % für bewegliche Wirtschaftsgüter zu.
Hinweis: Fiktion des Beginns der Gebäudeherstellung im Investitionszulagenrecht
Der BFH weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass das Investitionszulagenrecht mit der Fiktion in § 4 Abs. 2 Satz 5 InvZulG 2010 den Beginn der Gebäudeherstellung abweichend von den Grundsätzen des Ertragsteuerrechts regelt. Insofern handelt es sich nicht um eine Auslegung des Begriffs "Beginn der Gebäudeherstellung", die nach ständiger Rechtsprechung nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen zu erfolgen hätte (BFH, Urteil v. 25.1.1985, III R 130/80, BStBl II 1985 S. 309)und bei der der Zweck des InvZulG nur ausnahmsweise eine abweichende Auslegung rechtfertigen könnte (BFH, Urteil v. 26.1.2006, III R 5/04, BStBl II 2006 S. 771). Schon im InvZulG 2007 ist in gleicher Weise in § 3 Abs. 2 Satz 5 der Abschluss eines der Bauausführung zuzurechnenden Lieferungs- oder Leistungsvertrags als Beginn der Herstellung von Gebäuden fingiert worden. Dagegen war im InvZulG 2005 nach § 2 Abs. 4 Satz 4 für den Beginn der Gebäudeherstellung bei genehmigungspflichtigen Bauvorhaben die Einreichung des Bauantrags maßgebend.
BFH Urteil vom 13.12.2018 - III R 22/17 (veröffentlicht am 03.04.2019)
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