Kindergeld bei Hochschulstudium
Hintergrund: Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung
Streitig ist der Kindergeldanspruch für den Zeitraum November 2016 bis Februar 2017. Die Klägerin ist die Mutter einer im Mai 1992 geborenen Tochter (A). A war ab März 2015 an einer Hochschule im Masterstudiengang "Management" eingeschrieben. Nachdem ihr zunächst der erfolgreiche Abschluss mündlich mitgeteilt worden war, stellte die Hochschule den Abschluss und die Abschlussnoten Ende Oktober 2016 online. Die Zeugnisse holte A Ende November 2016 persönlich im Prüfungsamt ab.
Ab April 2017 war A für ein weiteres Bachelorstudium im Fach Politikwissenschaft an einer technischen Universität eingeschrieben, für das sie sich im März 2017 beworben hatte.
Nachdem die Hochschule auf eine Anfrage der Familienkasse zum Abschluss des Masterstudiengangs "Management" auf die Formblattfrage "Erhielt das Kind am Tag der Ablegung der letzten Prüfung eine schriftliche Mitteilung über das Bestehen der Prüfung? Ja, unterrichtet am..." das Datum "06.10.2016" und die handschriftliche Ergänzung über dem Wort "schriftlich" "+ mündlich" als Antwort gegeben hatte, hob die Familienkasse mit Bescheid vom 6.4.2017 die Kindergeldfestsetzung ab November 2016 auf und forderte das für den Zeitraum November 2016 bis Februar 2017 bereits ausbezahlte Kindergeld in Höhe von 764 EUR von der Klägerin zurück.
Das Sächsische FG entschied, dass die Klägerin für den Streitzeitraum November 2016 bis Februar 2017 keinen Anspruch auf Kindergeld hat. Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil zu.
Entscheidung: Kein Anspruch auf Kindergeld im Streitzeitraum
Der BFH hat die Revision der Steuerpflichtigen als unbegründet zurückgewiesen. A ist im Streitzeitraum weder wegen einer bestehenden Berufsausbildung noch wegen einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten kindergeldrechtlich zu berücksichtigen.
Gesetzliche Regelung
Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 EStG in der im Streitzeitraum geltenden Fassung besteht Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, u.a. dann, wenn es entweder für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) oder sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten liegt (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG). Nach § 66 Abs. 2 EStG wird das Kindergeld vom Beginn des Monats an gezahlt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen.
Beginn der Berufsausbildung
Eine Hochschulausbildung ist grundsätzlich Ausbildungsmaßnahme, wenn und solange das Kind im In- oder Ausland als ordentlicher Studierender an einer öffentlichen oder privaten Hochschule immatrikuliert ist. Dabei kommt es allerdings auf eine formelle Immatrikulation allein nicht an, wenn ernsthafte und nachhaltige Ausbildungsbemühungen fehlen. Soweit Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind seinem gewählten Ausbildungsgang nicht ernsthaft und hinreichend nachgeht, indem etwa nur eine "Pro-forma-Immatrikulation" besteht, liegt keine Berufsausbildung vor. Gleiches gilt, soweit ein Kind zwar schon immatrikuliert ist, aber noch einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht und daneben noch nicht mit Ausbildungsmaßnahmen begonnen hat.
Entsprechend beginnt ein Hochschulstudium noch nicht bereits mit der Bewerbung für dieses Studium. Die Bewerbung um einen Ausbildungsplatz ist der Ausbildung selbst nicht gleichzusetzen. Denn zu diesem Zeitpunkt werden noch keine ernsthaften und nachhaltigen Ausbildungsmaßnahmen durchgeführt.
Beendigung der Berufsausbildung
Die Beendigung eines ernsthaft betriebenen und erfolgreich durchgeführten Hochschulstudiums setzt grundsätzlich zum einen voraus, dass das Kind die letzte nach der einschlägigen Prüfungsordnung erforderliche Prüfungsleistung erfolgreich erbracht hat. Zum anderen müssen dem Kind sämtliche Prüfungsergebnisse bekannt gegeben worden sein. Die Bekanntgabe erfordert regelmäßig, dass das Kind entweder eine schriftliche Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss und die erzielten Abschlussnoten erhalten hat oder es muss jedenfalls objektiv in der Lage gewesen sein, sich selbst eine solche schriftliche Bestätigung über ein Online-Portal der Hochschule erstellen zu können. Die mündliche Mitteilung der Prüfungsergebnisse ist regelmäßig nicht ausreichend.
Aus der Bescheinigung der Hochschule ergibt sich, dass der Abschluss und die Abschlussnoten im Masterstudiengang "Management" Ende Oktober 2016 online gestellt wurden. Somit hatte A zu diesem Zeitpunkt objektiv die Möglichkeit, eine schriftliche Bestätigung über das Erreichen des Abschlusses und die Abschlussnoten auszudrucken.
Voraussetzungen für eine Übergangszeit lagen nicht vor
Das danach aufgenommene Bachelorstudium im Fach Politikwissenschaft begann erst im April 2017, da mangels anderweitiger Feststellungen (z.B. Brückenkurs in den Semesterferien) erst mit Semesterbeginn von tatsächlichen Ausbildungsmaßnahmen auszugehen ist. Das Bachelorstudium begann also noch nicht mit der im März 2017 erfolgten Bewerbung, sondern erst als im April 2017 Ausbildungsmaßnahmen tatsächlich stattfanden. Die Voraussetzungen für eine Übergangszeit i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG lagen nicht vor. Die Zeit zwischen den Ausbildungsabschnitten umfasste die vollen Monate November 2016 bis März 2017 und damit nicht maximal vier, sondern fünf Kalendermonate.
BFH Urteil vom 07.07.2021 - III R 40/19 (veröffentlicht am 23.09.2021)
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