Sachentnahme durch Beheizen des Wohnhauses mit selbst erzeugter Wärmeenergie
Hintergrund: Beheizung des Wohnhauses mit der Abwärme eines Blockheizkraftwerks
Die Eheleute bilden eine GbR, die ein Blockheizkraftwerk mit Biogasanlage (BHKW) betreibt. Mit dem BHKW wird überwiegend die im landwirtschaftlichen Betrieb des Ehemanns anfallende Gülle zu Strom verwertet, der vollständig gegen Entgelt in das öffentliche Stromnetz eingespeist wird. Die beim Betrieb des BHKW anfallende Abwärme wurde in den Streitjahren 2013/2014 u.a. zum Beheizen des Wohnhauses der Eheleute genutzt. Daneben lieferte die GbR Wärme an das in der Nähe gelegene Wohnhaus des Cousins (C) des Ehemanns. Für diese Lieferung berechnete die GbR 3 Cent/kWh brutto (2,521 Cent/kWh netto).
In den Feststellungserklärungen 2013/2014 erklärte die GbR Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Für die Wärmeabgabe (Entnahme) an das selbstgenutzte Wohnhaus legte die GbR 2 Cent/kWh für 2013 und 3 Cent/kWh für 2014 zugrunde.
Das FA berücksichtigte in den Gewinnfeststellungsbescheiden 2013/2014 höhere Entnahmewerte, ausgehend von 7,7 Cent/kWh. Das FG gab der Klage, mit der die GbR den Ansatz des Entnahmewerts mit 2,521 Cent/kWh beantragte, statt. Der Teilwert sei mit dem Wert anzusetzen, zu dem die GbR Wärme an C geliefert habe. Mit der Revision trug das FA vor, es liege eine mit den Selbstkosten zu bewertende (höhere) Nutzungsentnahme vor.
Entscheidung: Ansatz der Sachentnahme mit dem Teilwert
Der BFH bestätigte das FG. Als Teilwert der entnommenen Wärmeenergie ist der niedrigere Marktpreis von 2,521 Cent/kWh anzusetzen.
Die Wärmeentnahme ist Sachentnahme, keine Nutzungsentnahme
Die in Verkehr gebrachte Wärmeenergie stellt ein bilanzierungsfähiges WG dar. Sie ist – im Ausgangspunkt – steuerrechtlich nur eine Eigenschaft des jeweiligen Stoffes (Energieträgers wie Wasser) und damit ein unselbständiger wertbildender Faktor des WG. Die Wärmeenergie wird aber zu einem eigenen WG verselbständigt, wenn sie als solche in den Verkehr gebracht wird. Das liegt jedenfalls dann vor, wenn die Wärmeenergie über Energiezähler an einen Abnehmer geliefert oder für private Zwecke verbraucht wird. Denn damit wird die Wärmeenergie vom Wärmeträger (z.B. Wasser) abgespalten und zu einem verkehrsfähigen WG; sie wird greifbar und selbständig bewertbar. Der private Verbrauch ist daher – entgegen der Auffassung des FA – eine Sachentnahme und keine mit den Selbstkosten anzusetzende Nutzungsentnahme.
Ansatz der Energieentnahme mit dem Teilwert
Die Bewertung der Sachentnahme richtet sich nach dem Teilwert des entnommenen WG (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG). Da die Teilwertermittlung im Wesentlichen Tatfrage ist, hat die Rechtsprechung zur Schätzung Vermutungen entwickelt. Danach entspricht der Teilwert grundsätzlich den Wiederbeschaffungskosten (Reproduktions- oder Wiederherstellungskosten, BFH, Urteil v. 25.8.1983, IV R 218/80, BStBl II 1984, 33). Deckt jedoch der voraussichtliche Veräußerungserlös nicht mehr die Selbstkosten zuzüglich eines durchschnittlichen Unternehmergewinns, sind die Herstellungskosten um den Fehlbetrag zu mindern (BFH, Urteil v. 9.12.2014, X R 36/12). Der Teilwert liegt damit unter den Herstellungs-(Reproduktions-)kosten, wenn sich für Erzeugnisse gleicher Art und Güte ein niedrigerer Marktpreis gebildet hat (BFH, Urteil v. 20.7.1973, III R 100-101/72, BStBl II 1973, 794).
Unter den Reproduktionskosten liegender Marktpreis
Hiervon ausgehend ist der vom FG ermittelte Teilwert von 2,521 Cent/kWh nicht zu beanstanden. Die Herstellungs-(Reproduktions-)kosten bilden den Ausgangspunkt für die Teilwertermittlung. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Umstände hat das FG jedoch zutreffend festgestellt, dass sich ein niedrigerer Marktpreis von 2,521 Cent/kWh gebildet hat. Denn den Abnehmern der Abwärme entstehen zusätzliche Investitionskosten durch die Verlegung von Leitungen. Außerdem ergibt sich aus den von der GbR vorgelegten Verträgen anderer, in der Umgebung angesiedelter Betreiber von BHKW, dass sich der mit C vereinbarte Preis im Rahmen des regional Üblichen bewegt hat. Daher konnte das FG zu dem von ihm gefundenen Teilwert kommen.
Hinweis: Teilwertermittlung bei Kuppelprodukten
Das FG hat den Ansatz der Herstellungs-(Reproduktions-)kosten als Teilwert nicht – wie eigentlich geboten – mit dem niedrigeren Teilwert (Marktpreis) begründet. Es argumentierte dahin, dass die entstehende Abwärme ein ungewolltes und ohne Weiterverwendung als Wärmeenergie ungenutzt ins Freie abgeleitetes Nebenprodukt sei. Daraus hat es unzutreffend gefolgert, die Minderung trete nicht durch die "Herstellung" der Abwärme, sondern erst durch die Nichterzielung von Einnahmen mit dem marktfähigen Nebenprodukt (Abwärme) ein. Im Streitfall sind der erzeugte Strom und die entstehende Wärmeenergie bei zutreffender Betrachtung jedoch das Ergebnis eines Produktionsvorgangs (sog. Kuppelproduktion). Sie stellen sog. Kuppelerzeugnisse dar (BFH, Urteil v. 1.10.1975, I R 207/73, BStBl II 1976, 202). Kuppelerzeugnisse sind einzeln mit ihren Herstellungskosten zu bewerten. Lassen sich diese nicht für die einzelnen Erzeugnisse ermitteln, sind die gesamten Herstellungskosten durch Schätzung auf die einzelnen Erzeugnisse aufzuteilen. Demnach sind auch bei Kuppelerzeugnissen die (Wieder-)Herstellungskosten ein zutreffender Maßstab für die Bestimmung des Teilwerts. Eine andere – sich wegen des niedrigeren Marktpreises hier nicht stellende – Frage ist, nach welcher Methode bei Kuppelerzeugnissen die Kostenzuordnung zu erfolgen hat.
BFH Urteil vom 12.03.2020 - IV R 9/17 (veröffentlicht am 02.07.2020)
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