Berichtigung nach § 129 AO bei Übernahmefehler des Finanzamts
Vor dem Niedersächsischen FG wurde folgender Fall verhandelt: Die Klägerin reichte die Einkommensteuererklärung 2016 nebst 2 Anlagen V und weiteren Erläuterungen für die vermieteten Mehrfamilienhäuser „F-Straße 29 und 31“ elektronisch beim Finanzamt ein. Während sie jeweils eine Wohnung in diesen Objekten bis einschließlich 2015 unentgeltlich jeweils an eine Tochter überlassen und die AfA entsprechend gekürzt hatte, erklärte sie in den Anlagen V für 2016, die in Rede stehenden Wohnungen an Angehörige vollentgeltlich vermietet zu haben. Gleichwohl kürzte sie aufgrund Datenübernahme aus dem Vorjahr wiederum die AfA.
Berichtigung des Einkommensteuerbescheids
Nachdem das Finanzamt die Einkommensteuerveranlagung 2016 erklärungsgemäß durchgeführt hatte, beantragte die Klägerin die Berichtigung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides 2016 nach § 129 AO. Sie machte geltend, dass im Bescheid eine Kürzung der AfA stattgefunden habe, obwohl die Objekte ab dem Jahr 2016 vollentgeltlich vermietet gewesen seien. Es sei lediglich irrtümlich versäumt worden, die veränderten Nutzungsverhältnisse bei der Höhe der abzugsfähigen AfA-Beträge zu berücksichtigen.
Das Finanzamt lehnte die Berichtigung ab. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.
Übernahmefehler des Finanzamts
Das FG hat der Klägerin Recht gegeben und entschieden, dass der Einkommensteuerbescheid 2016 nach § 129 AO zu berichtigen ist, weil eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit vorliegt. Die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO setzt grundsätzlich voraus, dass die offenbare Unrichtigkeit in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist. Allerdings ist die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt. Im Fall eines derartigen Übernahmefehlers kommt eine Berichtigung jedoch nur in Betracht, wenn die Fehlerhaftigkeit für das Finanzamt als offenbare Unrichtigkeit erkennbar war.
Offenbare Unrichtigkeit
Vorliegend hat das Finanzamt die offenbar fehlerhaften Angaben der Klägerin bezüglich der Kürzung der AfA als eigene übernommen. Die Fehlerhaftigkeit der Angaben war für das Finanzamt auch als offenbare Unrichtigkeit erkennbar, denn nach Aktenlage war aus dem Vergleich der Anlagen V aus dem Jahr 2015 mit dem Streitjahr unzweifelhaft ersichtlich, dass die bis zum Jahr 2015 erfolgte Kürzung der AfA allein auf dem Umstand beruhte, dass die Klägerin jeweils eine Wohnung unentgeltlich an die Töchter überlassen hatte. Für das Streitjahr war für das Finanzamt zudem eindeutig erkennbar, dass sich hieran lediglich der Umstand verändert hatte, dass die zuvor unentgeltlich überlassenen Wohnungen nunmehr entgeltlich an die Töchter überlassen wurden.
Verschuldensfrage ist nicht entscheidend
Liegt eine offenbare Unrichtigkeit vor, ist die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO nicht von Verschuldensfragen abhängig, weshalb die oberflächliche Behandlung eines Steuerfalls grundsätzlich eine Berichtigung nach dieser Vorschrift nicht hindert. Allerdings scheidet die Berichtigung aus, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist.
Niedersächsisches FG, Urteil v. 4.8.2020, 9 K 237/19
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