Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit?

Eine Berichtigung nach § 129 AO scheidet aus, wenn das Finanzamt im ursprünglichen Einkommensteuerbescheid erklärte Renteneinkünfte nicht berücksichtigt, weil die Einkünfte vom Versicherungsträger noch nicht mitgeteilt worden sind.

Der Kläger erklärte in seinen elektronisch übermittelten Einkommensteuererklärungen 2011 und 2012 neben anderen Einkünften auch sonstige Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese wurden jedoch in den Einkommensteuerbescheiden 2011 bzw. 2012 nicht berücksichtigt, wohl weil zu diesem Zeitpunkt die Rentenbezugsmitteilungen der Rentenversicherung nicht vorlagen. Die Veranlagungen ergingen nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Juni 2014 wurden dem Finanzamt die Rentenbezugsmitteilungen der gesetzlichen Rentenversicherung elektronisch übermittelt. Nachdem der zuständige Sachbearbeiter festgestellt hatte, dass die Renten des Klägers nicht berücksichtigt worden waren, ergingen für beide Jahre geänderte Steuerbescheide. Auf den Einspruch des Klägers wurde darauf verwiesen, es läge hier eine offenbare Unrichtigkeit vor, die eine Änderung auch einer bestandskräftigen Steuerfestsetzung ermöglichen würde. Da der Kläger der Ansicht war, eine Änderung sei nicht mehr möglich gewesen, erhob er Klage vor dem zuständigen Finanzgericht Münster.

Änderung nach § 129 AO kam nicht in Betracht 

Die Klage hatte in vollem Umfang Erfolg. Eine Änderung der ursprünglichen bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide 2011 und 2011 komme nicht mehr in Frage, entschied das Finanzgericht Münster. Nach § 129 AO komme eine Änderung innerhalb der Verjährungsfrist dann in Betracht, wenn dem Finanzamt ein Schreibfehler, ein Rechenfehler oder eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit unterlaufen sei. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen. Zwar sei die fehlende Übernahme der durch den Steuerpflichtigen erklärten Rentenbeträge ein offenbarer Fehler, es handele sich hierbei jedoch nicht um einen Fehler, der mit einem Schreib- oder Rechenfehler vergleichbar sei. Es kann nämlich nicht festgestellt werden, dass der Sachbearbeiter bei Erlass der ursprünglichen Steuerbescheide ein rein unbewusster oder ungewollter Fehler unterlaufen sei. Insgesamt komme damit eine Änderung nach § 129 AO im Sachverhalt nicht mehr in Betracht.

Einkünfte wurden zutreffend erklärt 

Der Entscheidung des Finanzgerichts ist in vollem Umfang zuzustimmen. Der Kläger hat seine Einkünfte zutreffend erklärt, wenn dann das Finanzamt die Werte nicht übernimmt, möglicherweise weil der zuständige Sachbearbeiter einem Missverständnis auferlegen ist, darf dies nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen sein. In Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger nachträglich Werbungskosten bei einer bestandskräftigen Veranlagung geltend macht, ist die Finanzverwaltung regelmäßig schnell dabei, diesem Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden vorzuwerfen. Eine Änderung wird dann unter Hinweis auf das Verschulden abgelehnt. Das Finanzamt muss sich zumindest in dieser Hinsicht mit den gleichen Maßstäben messen lassen. Für den Sachverhalt ist hierbei darauf hinzuweisen, dass dieser nach der aktuellen Rechtslage anders zu lösen wäre. Durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens hat der Gesetzgeber nämlich für Fälle der elektronischen Übermittlung von Besteuerungsgrundlagen einen § 175b AO geschaffen. Diese Bestimmung ermöglicht es, Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit von einer mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörde übermittelte Daten bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt worden sind.

Das Finanzgericht hat die Revision gegen das Urteil nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen.

FG Münster, Urteil v. 19.10.2017, 6 K 1358/16 E, Haufe Index 11395010


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