Bestimmung des Inhaltsadressaten einer Prüfungsanordnung
Hintergrund: Adressierung der Prüfungsanordnung an die KG statt an die GmbH
Zu entscheiden war, ob bei Erlass der angefochtenen USt-Bescheide Festsetzungsverjährung eingetreten war.
Die B-GmbH betrieb in 2004 bis 2007 eine Klinik. Mit Ausgliederungs- und Übernahmevertrag vom August 2007 wurde ihr gesamtes Vermögen gegen Gewährung einer KG-Beteiligung auf die A-GmbH & Co. KG übertragen.
Ihre USt-Erklärungen hatte die B-GmbH im zweiten nach dem jeweiligen Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahr abgegeben.
Mit Prüfungsanordnungen aus 2009/2010 ordnete das FA unter Verwendung der Steuernummer der B-GmbH eine Außenprüfung "bei der Firma A GmbH & Co. KG als RNF der B-GmbH" für 2004 bis 2007 an. Im Schriftwechsel wiesen das FA und auch die B-GmbH stets auf die B-GmbH hin. Im Prüfungsbericht war ebenfalls die B-GmbH angegeben.
Gegen die nachfolgenden Änderungsbescheide (vom März 2014) wandte die B-GmbH ein, die Prüfungsanordnung sei fehlerhaft gewesen, da sie nicht an sie, die GmbH, sondern an die KG adressiert gewesen sei. Die auf der fehlerhaften Prüfungsanordnung beruhende Außenprüfung habe den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht hemmen können, so dass bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei.
Die dagegen gerichtete Klage wies das FG ab. Es legte die Prüfungsanordnung dahin aus, dass sie an die GmbH gerichtet sei.
Entscheidung: Eine fehlerhafte Prüfungsanordnung führt nicht zu einer Hemmung der Fortsetzungsverjährung
Der BFH widerspricht dem FG. Der Ablauf der Festsetzungsfrist war nicht durch den Beginn der Außenprüfung nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt, da die Prüfungsanordnung fehlerhaft nicht an die GmbH adressiert war. Der BFH verwies die Sache an das FG zurück, da möglicherweise aufgrund Steuerhinterziehung eine verlängerte Festsetzungsfrist in Betracht kommt.
Ablauf der regulären Festsetzungsfrist
Die reguläre Festsetzungsfrist begann für 2004 wegen der Erklärungsabgabe in 2006 mit Ablauf des 31.12.2006 und endete nach 4 Jahren mit Ablauf des 31.12.2010. Entsprechend endete die Frist für die folgenden Streitjahre (2005 – 2007) zum Jahresende 2011, 2012, 2013. Die Festsetzungsfrist war somit bei Ergehen der Änderungsbescheide in 2014 bereits abgelaufen, sofern der Fristablauf nicht durch den Beginn der Außenprüfung aufgrund der in 2009/2010 ergangenen Prüfungsanordnungen gehemmt wurde (§ 171 Abs. 4 Satz 1 AO).
Keine Fristhemmung bei unwirksamer Prüfungsanordnung
Eine Außenprüfung, die aufgrund einer unwirksamen Prüfungsanordnung durchgeführt wird, kann den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht hemmen (BFH v. 13.10.2016, IV R 20/14, BFH/NV 2017, 475, Rz 39). Im Streitfall sind die Prüfungsanordnungen aus 2009 (für 2003 – 2006) und 2010 (für 2007) der GmbH gegenüber nicht wirksam geworden. Denn das FA hat sie nicht gegenüber der GmbH, sondern gegenüber der KG erlassen. Das ergibt sich eindeutig aus der Anordnung einer Prüfung "bei der Firma A GmbH & Co. KG als RNF der B GmbH". Da aufgrund erfolgter Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG weder die GmbH als übertragende Rechtsträgerin untergegangen noch eine Gesamtrechtsnachfolge eingetreten war (BFH v. 7.8.2002, I R 99/00, BStBl II 2003, 835, Rz 17 f.), hätten die Prüfungsanordnungen an die GmbH als Steuerschuldnerin und nicht an die KG gerichtet werden müssen (BFH v. 13.10.2005, IV R 55/04, BStBl II 2006, 404, Rz 16; AEAO zu § 197 AO Tz 9.3).
Mangels Mehrdeutigkeit keine andere Auslegung
Der Wille des FA war zwar auf die steuerlichen Verhältnisse der GmbH gerichtet. In der Annahme, aufgrund vollzogener Ausgliederung seien Bescheide an den übernehmenden Rechtsträger (die KG) zu richten, hat das FA die Prüfungsanordnungen indes (erkennbar) willentlich an die KG adressiert. Insoweit bestehen an der eindeutigen Bezeichnung der KG als der falschen Inhaltsadressatin keine Zweifel. Eine anderweitige Auslegung scheidet folglich aus (BFH v. 13.10.2005, IV R 55/04, BStBl II 2006, 404, Rz 18). Dass sich die GmbH selbst als Adressatin der Prüfungsanordnung angesehen hat und an der Außenprüfung mitgewirkt hat, ist (wie nachgelagerte Umstände) unbeachtlich (BFH v. 30.9.2015, II R 31/13, BStBl II 2016, 637, Rz 15).
Die Berufung auf Verjährung verstößt nicht gegen Treu und Glauben
Aus dem Gebot, sich zu seinem früheren Verhalten nicht in Widerspruch zu setzen, dürfen sich keine Steuerrechtsfolgen ergeben, ohne dass der gesetzliche Tatbestand vorliegt. Denn der Grundsatz von Treu und Glauben bringt keine Steueransprüche zum Entstehen oder zum Erlöschen. Er kann allenfalls verhindern, dass eine Forderung oder ein Recht geltend gemacht werden kann (BFH v. 17.6.1992, X R 47/88, BStBl II 1993, 174, Rz 34 ff.). Ist – wie im Streitfall – Festsetzungsverjährung eingetreten, ermöglicht Treu und Glauben nicht, dass ein erloschener Anspruch des FA wieder auflebt, unabhängig davon, ob dem Steuerpflichtigen der Eintritt der Verjährung vorwerfbar ist oder nicht (BFH v. 22.1.2013, IX R 1/12, BStBl II 2013, 663, Rz 21).
Zurückverweisung an das FG
Die Sache wurde an das FG zurückverwiesen. Das FG hat nicht geprüft, ob im Streitfall die verlängerte Festsetzungsfrist von 10 Jahren bei Steuerhinterziehung gilt (§ 169 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 AO).
Hinweis: Keine nachträgliche Richtigstellung der Person des Steuerschuldners
Der BFH hebt hervor, dass Fehler in der Bezeichnung des Steuerschuldners (bzw. der Person, die die Außenprüfung zu dulden hat) nicht durch Richtigstellung im weiteren Verfahren geheilt werden können, und zwar auch nicht dadurch, dass sich der Empfänger als Adressat angesehen hat. Denn die objektive Richtigkeit eines Bescheids kann nicht vom Verhalten der Beteiligten abhängig sein (BFH v. 21.10.1985, GrS 4/84, BStBl II 1986, 230, Rz 35, 39).
BFH Urteil vom 11.11.2020 - XI R 11/18 (veröffentlicht am 08.04.2021)
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