Abgrenzung zwischen beteiligungs- und obligationsähnlichen Genussrechten
Hintergrund: Genussrechtsausschüttungen und Vorzugsdividenden
Der Streit ging darum, ob die in Deutschland ansässige Z-AG in 2005 aus zwei konzerninternen Finanzierungsstrukturen steuerfreie Bezüge i.S. des § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder steuerpflichtige Zinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erzielt hat. Zum einen geht es um Genussrechtsausschüttungen einer kanadischen Tochtergesellschaft und zum anderen um Vorzugsdividenden einer amerikanischen Ur-Enkelgesellschaft.
Entscheidung: Steuerpflichtige Genussrechtsausschüttungen der kanadischen Tochtergesellschaft
Hinsichtlich der Genussrechtsausschüttungen liegen keine steuerfreien Beteiligungserträge der Z-AG (i.S. von § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) vor, sondern steuerpflichtige Zinsen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Nach seinem klaren Wortlaut erfasst § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG - ebenso wie § 8 Abs. 3 Satz 2 Variante 2 KStG - nur diejenigen Genussrechte, bei denen der Genussrechtsinhaber sowohl am Gewinn als auch am Liquidationserlös beteiligt ist (beteiligungsähnliches Genussrecht, BFH, Urteil v. 19.1.1994, I R 67/92, BStBl II 1996, 77 zu § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Im Streitfall fehlt eine Beteiligung der Z am Liquidationserlös. Es liegt somit ein obligationsähnliches Genussrecht vor, das zu steuerpflichtigen Einkünften i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führt:
- Die Beteiligung am Liquidationserlös bezieht sich auf die Beteiligung an einem etwaigen Liquidations(mehr)erlös und die damit verbundene Beteiligung an den stillen Reserven.
- Die gewinnabhängige Vergütung führt nicht zu einer Beteiligung am Liquidationserlös.
- Auch die Stellung der Z als Alleingesellschafterin reicht nicht für eine Beteiligung am Liquidationserlös aus.
- Die fehlende Beteiligung am Liquidationserlös wird auch nicht durch die Dauer der Kapitalbindung ausgeglichen.
- In dem vereinbarten Wandlungsrecht liegt keine ausreichende Beteiligung an den stillen Reserven.
- Schließlich steht auch nach dem DBA Kanada das Besteuerungsrecht an den steuerpflichtigen Genussrechtsausschüttungen aus obligationsähnlichen Genussrechten Deutschland zu.
Steuerfreie Vorzugsdividenden der amerikanischen Ur-Enkelgesellschaft
Für die von der Organgesellschaft X-H GmbH erzielten Vorzugsdividenden aus den Class-B Shares hat das FG fehlerhaft steuerfreie Bezüge gemäß § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG i.V.m. § 8b Abs. 1 und 5 KStG sowie § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG abgelehnt. Die Annahme steuerfreier Bezüge i.S. des § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG setzt voraus, dass die Vorzugsdividenden steuerrechtlich der X-H GmbH als Anteilseigner zuzurechnen sind (§ 20 Abs. 2a EStG, jetzt: Abs. 5 EStG n.F., i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG). Anteilseigner ist derjenige, dem die Anteile an der Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses als wirtschaftlicher Eigentümer (§ 39 AO) zuzurechnen sind (§ 20 Abs. 2a Satz 2 EStG).
Wirtschaftliches Eigentum des Käufers von Anteilen
Geht es um den Verkauf von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, besteht jedenfalls dann wirtschaftliches Eigentum des Käufers der Anteile, wenn dieser aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts eine gesicherte Rechtsposition erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann. Die wesentlichen Anteilsrechte und das Wertveränderungsrisiko müssen auf ihn übergegangen sein.
Wirtschaftliches Eigentum der Organgesellschaft
Hiervon ausgehend hat die X-H GmbH das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen der X-B erlangt:
- Die X-I hatte ihre Anteile an der X-B an die X-H GmbH verkauft.
- Ein Verbleib des wirtschaftlichen Eigentums bei X-I folgt nicht aus der Berechnung der Rückkaufpreise im Rahmen der Put Option und des Terminverkaufs der Class-B-Shares (Sale-and-buy-back-Geschäft). Zwischen den einzelnen Rechtsträgern ist zu trennen.
- Zwar hat der BFH für die Wertpapierleihe entschieden, dass der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ausgeschlossen sein kann, wenn sich der Rückerwerb nur auf Wertpapiere gleicher Art bezieht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass auch ein mittelbarer Rückerwerb wie im Streitfall ausreicht.
- In der Zwischenschaltung der X-H GmbH liegt kein Gestaltungsmissbrauch.
- Dem Steuerpflichtigen steht es grundsätzlich frei, bestimmte Einkünfte nicht in eigener Person zu erzielen, sondern auf eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft zu übertragen.
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG hat während des FG-Verfahrens ergangene Änderungsbescheide, die einen neuen Streitpunkt enthalten, nicht berücksichtigt.
Hinweis: Kein Gestaltungsmissbrauch bei Zwischenschaltung einer Gesellschaft
Der BFH präzisiert, dass für das Kriterium der Beteiligung am Liquidationserlös (beteiligungsähnliches Genussrecht) auf die Beteiligung des Genussrechtsinhabers an den stillen Reserven abzustellen ist.
Zur Frage des Gestaltungsmissbrauchs stellt der BFH klar, dass es dem Steuerpflichtigen frei steht, seine Verhältnisse dahin zu gestalten, dass er Einkünfte nicht in eigener Person erzielt, sondern die Einkunftsquelle auf eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft, deren Anteilseigner er ist, überträgt.
BFH Urteil vom 14.08.2019 - I R 44/17 (veröffentlicht am 12.06.2020)
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