Pfändung einer Internet-Domain
Hintergrund: Registrierungsstelle als Drittschuldner
Die DENIC e.G. (D) verwaltet und betreibt als Registrierungsstelle Internet-Domains und nimmt damit zusammenhängende Aufgaben wahr (Unterhaltung der Anlagen, Beratung und Schulung der Mitglieder, Betreuung und Information der Inhaber registrierter Domains, Wahrnehmung der Interessen der deutschen Internetgemeinschaft). Wer eine Domain registrieren lassen will, kann sich direkt an die D oder an jeden Provider aus der Liste der Mitglieder der D wenden und bei diesem die Registrierung in Auftrag geben. Die Domainregistrierung erfolgt – unabhängig von der Entscheidung für einen bestimmten Provider – durch die D. Daher besteht neben dem Vertragsverhältnis mit einem Provider in jedem Fall auch ein Vertragsverhältnis mit der D. Mit Abschluss des Registrierungsvertrags erhält der Anmelder einen Anspruch auf Registrierung (Eintragung der Domain in das Register und die Nameserver). Daneben bestehen weitere Ansprüche des Domain-Inhabers (Anpassung des Registers an veränderte persönliche Daten oder ihre Zuordnung zu einem anderen Rechner).
Pfändung der Ansprüche des Domain-Inhabers
Aufgrund rückständiger Steuern (und Nebenleistungen) des Vollstreckungsschuldners P (Inhaber eines Online-Shops) erließ das FA eine Pfändungsverfügung gegenüber D als Drittschuldner. Darin pfändete das FA den Anspruch des P auf Aufrechterhaltung der Registrierung (Hauptanspruch aus dem Registrierungsvertrag) und alle weiteren sich aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Nebenansprüche. Das FG wies den Einwand der D, sie sei nicht Drittschuldner, mit dem Hinweis zurück, Gegenstand der Pfändung sei die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche des Domain-Inhabers gegenüber der Vergabestelle.
Entscheidung: Gesamtheit der Ansprüche als Vermögensrecht
Der BFH bestätigt – unter Anschluss an die Rechtsprechung des BGH – die Auffassung des FG. Danach ist eine Internet-Domain, d.h. eine lediglich technische Adresse, kein absolutes pfändbares Recht. Jedoch kann die Gesamtheit der zwischen dem Domain-Inhaber der Vergabestelle bestehenden schuldrechtlichen Ansprüche als "anderes Vermögensrecht" (§ 321 Abs. 1 AO, § 857 Abs. 1 ZPO) Gegenstand einer Pfändung sein. Die dem Domain-Inhaber aus dem Registrierungsvertrag zustehenden Ansprüche (Aufrechterhaltung, Anpassung, Berichtigung der Eintragung) sind auch verwertbar (Überweisung an Zahlungs Statt zum Schätzwert, Versteigerung, freihändige Veräußerung, Überlassung zur Ausübung). Dementsprechend ist D als Drittschuldner anzusehen. Denn für die Eigenschaft einer Person als Drittschuldner reicht es aus, dass ihre Rechtsstellung von der Pfändung betroffen ist oder dass ihre Leistung zur Ausübung des gepfändeten Rechts erforderlich ist. Das ist bei D der Fall. Die Pfändung der dem Domain-Inhaber P nach dem Registrierungsvertrag zustehenden Rechte greift unmittelbar in das Vertragsverhältnis ein und betrifft somit die D.
Verbot der zwecklosen Pfändung
Gleichwohl konnte der BFH keine Entscheidung in der Sache treffen. Der Fall wurde an das FG zurückverwiesen. Es fehlen Feststellungen zum Wert der sich aus dem Registrierungsvertrag ergebenden Haupt- und Nebenansprüche. Ohne nähere Feststellungen dazu ist nicht erkennbar, ob die Verwertung dieser Ansprüche zu einer auch nur teilweisen Befriedigung der von P geschuldeten Abgaben von rund 90.000 EUR führen kann. Fraglich ist daher, ob das FA das Verbot der zwecklosen Pfändung beachtet hat. Eine Pfändung darf – als Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – nur ergehen, wenn die Vollstreckungsbehörde davon ausgehen kann, dass der Zugriff auf Vermögenswerte des Vollstreckungsschuldners wirtschaftlich sinnvoll ist und zu einer Befriedigung der Forderungen der Behörde führen kann (§ 281 Abs. 3 AO). Das FG wird zu entscheiden haben, ob sich die Pfändung unter dem Gebot des Verbots der nutzlosen Pfändung als unzulässig erweist.
Hinweis: Verbot rechtsbeeinträchtigender Handlungen
Bei der Pfändung einer Geldforderung soll das Drittschuldnerverbot (§ 309 Abs. 1 AO) die Zahlung an den Schuldner und damit das Erlöschen der Forderung verhindern. Bei anderen Vermögenswerten ist das Zahlungsverbot dahin zu deuten, dass dem Drittschuldner Handlungen untersagt werden, die zu einer Rechtsbeeinträchtigung führen. Bei der Pfändung der Ansprüche aus einem Domainvertrag kann das Verbot daher nicht bedeuten, die Konnektierung zu beenden, sondern nur, Handlungen zu unterlassen, die zu einer Erschwerung oder Verhinderung der Verwertung führen können. Dementsprechend hat das FA an die Stelle des Zahlungsverbots ein Leistungsverbot gesetzt. Es hat der D insbesondere die Mitwirkung an einer Übertragung der Domain auf einen neuen Inhaber und eine Löschung untersagt.
BFH, Urteil v. 20.6.2017, VII R 27/15, veröffentlicht am 23.8.2017.
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