Rentenberater sind gewerblich tätig
Hintergrund: Selbständige Tätigkeit als Rentenberaterin
Die Rentenberaterin R hat ein Studium an einer Verwaltungsfachhochschule mit den Fachgebieten der Rentenversicherung und der Sozialversicherung als Diplom-Verwaltungswirtin (FH) abgeschlossen und war zunächst im gehobenen Dienst bei der Deutschen Rentenversicherung (Landesversicherungsanstalt, LVA) beschäftigt. 1995 begann sie eine nebenamtliche Tätigkeit als Dozentin. In 2002 nahm sie eine Tätigkeit im Rechtsbehelfsbereich der LVA auf. In 2007 wurde ihr die Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten als Rentenberater nach dem Rechtsberatungsgesetz (RBerG) erteilt. Seit 2009 ist sie nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) als Rentenberaterin im Rechtsdienstleistungsregister des Landessozialgerichts eingetragen.
FG verneint Vergleichbarkeit mit dem Anwaltsberuf
R erklärte für 2010, 2011 freiberufliche Einkünfte. Das FA nahm Einkünfte aus Gewerbebetrieb an und erließ entsprechende GewSt-Messbescheide. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage mit der Begründung ab, es fehle hinsichtlich Tiefe und Breite an einer mit dem Beruf des Rechtsanwalts vergleichbaren Ausbildung. Mit der Revision machte R geltend, die Tätigkeit als Rentenberater entspreche dem Typus einer freiberuflichen Tätigkeit. Eine Vergleichbarkeit mit einem in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Beruf (sog. Katalogberufe) hinsichtlich Ausbildung und Tätigkeit müsse nicht vorliegen.
Entscheidung: Der BFH verneint die Ähnlichkeit zu einem Katalogberuf sowie das Vorliegen einer "sonstigen selbständigen Arbeit"
Ein einem der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Katalogberufe ähnlicher Beruf liegt vor, wenn er in wesentlichen Punkten mit einem der Katalogberufe verglichen werden kann. Es gibt keinen einheitlichen Oberbegriff der freien Berufe (BVerfG v. 25.10.1977, 1 BvR 15/75, BStBl II 1978, 125). Deshalb genügt eine Ähnlichkeit zu einer Gruppe freiberuflicher Tätigkeiten nicht. Vielmehr müssen die ähnlichen Berufe, da das Gesetz die Katalogberufe detailliert aufzählt, speziell einem dieser Berufe ähnlich sein. Erforderlich ist die Vergleichbarkeit sowohl der Ausbildung als auch der ausgeübten beruflichen Tätigkeit.
Die Tätigkeit muss den wesentlichen Teil gesamten Berufstätigkeit des Katalogberufs abdecken
Die für den vergleichbaren Katalogberuf erforderlichen Kenntnisse müssen nachgewiesen werden. Die so qualifizierte Arbeit muss den wesentlichen Teil der gesamten Berufstätigkeit ausmachen und dem ähnlichen Beruf das Gepräge i.S. des Katalogberufs geben (z.B. BFH v. 25.4.2017, VIII R 24/14, BStBl II 2017, 908). Es genügt daher nicht, wenn eine Tätigkeit ausgeübt wird, die auch von den Angehörigen der Katalogberufe ausgeübt wird. Die ausgeübte Tätigkeit darf auch nicht bloß einen kleinen Ausschnitt aus dem Katalogberuf erfassen.
Keine Ähnlichkeit mit dem Beruf des Rechtsanwalts oder Steuerberaters
Hiervon ausgehend ist die Tätigkeit des Rentenberaters keinem der Katalogberufe ähnlich. Eine Ähnlichkeit mit dem Beruf des Rechtsanwalts scheidet bereits wegen der fehlenden Vergleichbarkeit der Ausbildung aus. R hat als Verwaltungswirtin neben Grundkenntnissen im allgemeinen öffentlichen Recht und Zivilrecht insbesondere Kenntnisse im Sozialrecht, einer Spezialmaterie des öffentlichen Rechts, erworben. Es fehlen jedoch Kenntnisse in anderen Spezialmaterien des öffentlichen Rechts (z.B. Bau-, Gewerbe-, Ausländerrecht) sowie in den Spezialbereichen des Zivil- oder Strafrechts. Zudem ist das Aufgabengebiet des Rentenberaters gegenüber der des Rechtsanwalts, der in allen Rechtsangelegenheiten tätig werden kann, erheblich beschränkt. Es besteht auch keine Vergleichbarkeit mit dem Beruf des Steuerberaters. Die Ausbildung der R umfasst – jedenfalls in ihrer Breite – nicht die Gebiete der steuerlichen Ausbildung (Verfahrensrecht, Ertragsteuern, Verkehrsteuern usw.). Ihre Tätigkeit weist ebenfalls keine Überschneidungen zu der eines Steuerberaters bzw. Steuerbevollmächtigten auf. Auch wenn beide Rechtsberater sind und die Interessen ihrer Mandanten vertreten, so tun sie das auf gänzlich unterschiedlichen Rechtsgebieten. Mangels Vergleichbarkeit der Ausbildung und ausgeübter Tätigkeit scheidet auch eine Ähnlichkeit mit dem Beruf des beratenden Betriebswirts aus.
Auch keine Einkünfte aus "sonstiger selbständiger Arbeit"
Darunter fallen nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG "z.B. Vergütungen für die Vollstreckung von Testamenten, für Vermögensverwaltung und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied". Die Vorschrift normiert keinen Auffangtatbestand. Dem Geltungsbereich sind daher nicht alle (rechts-)beratenden Tätigkeiten zuzuordnen, die - mangels vergleichbarer Ausbildung oder Tätigkeit - keinem der in § 18 Abs. 1 EStG genannten Katalogberufe ähnlich sind. Auch solche Beratungsleistungen fallen nur dann in den Anwendungsbereich der Norm, wenn sie ihrer Art nach den Regelbeispielen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ähnlich sind. Die Tätigkeit des Rentenberaters ist indes keinem der Regelbeispiele des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ähnlich. Denn sie ist nicht – wie die gesetzlichen Regelbeispiele - berufsbildtypisch durch eine selbständige fremdnützige Tätigkeit in einem fremden Geschäftskreis sowie durch Aufgaben der Vermögensverwaltung geprägt. Die Tätigkeit der R ist vielmehr im Schwerpunkt beratender Natur und nicht - wie die eines Vermögensverwalters - dadurch geprägt, dass sie das ihr anvertraute Vermögen ihrer Kunden verwaltet.
Kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz
Der BFH verneint auch einen Verstoß gegen Art. 3 GG. Mit der Anknüpfung an die in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten "klassischen" Katalogberufe bewegt sich der Gesetzgeber in dem ihm zustehenden Gestaltungsspielraum. Dem steht nicht entgegen, dass sich seit der letzten Änderung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG neue Berufe entwickelt haben, die durch eine hohe Spezialisierung geprägt sind. Im Hinblick auf die fehlende Vergleichbarkeit von Ausbildung und ausgeübter Tätigkeit sieht der BFH die Nichtanwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 auf die Tätigkeit der R als Rentenberaterin auch als sachlich gerechtfertigt an.
Hinweis: Nachweis der autodidaktischen Wissensaneignung durch eine Wissensprüfung
Die Gewerblichkeit der Einkünfte eines selbständigen Rentenberaters war bisher umstritten. In einem Parallelfall (Urt. v. 7.5.2019, VIII R 26/16) hat der BFH im Wesentlichen inhaltsgleich entschieden und sich damit der wohl überwiegenden Literaturmeinung angeschlossen. Der Fall verdeutlicht die unbefriedigende Situation des Nebeneinanders von gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit. In der Praxis kann die Frage aktuell werden, ob sich der Steuerpflichtige die üblicherweise in der Ausbildung vermittelten Kenntnisse in Tiefe und Breite vergleichbar mit einem Katalogberuf – hier: Rechtsanwalt - im Selbststudium angeeignet hat. R hatte sich im FG-Verfahren nicht darauf berufen. Andernfalls hätte das FG möglicherweise eine Wissensprüfung durchführen müssen (z.B. BFH v. 19.1.2017, III R 3/14, BFH/NV 2017, 732).
BFH Urteile vom 07.05.2019 - VIII R 2/16 und VIII R 26/16 (veröffentlicht am 16.08.2019)
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