Wirtschaftliche Eingliederung durch Grundstücksvermietung
Worum ging es in dem Urteilsfall? Kern des Geschäftskonzepts der B-GmbH war der Betrieb einer sogenannten Verwertungsanlage, mit der es durch vakuum-thermische Behandlungen von kontaminiertem Material (z. B. Bodenaushub und Bauschutt) möglich war, dem verunreinigten Material die Schadstoffe zu entziehen. Die GmbH bot ihren Kunden die Abnahme kontaminierten Materials, die Beprobung, Behandlung in der Bodenbehandlungsanlage und die anschließende Verwertung und Entsorgung des Materials aus einer Hand an. Der Geschäftsbetrieb der GmbH wurde auf mehreren angemieteten Flächen ausgeübt, Vermieter waren sowohl der Mehrheitsgesellschafter B als auch eine Schwester-GmbH. In dem von B angemieteten Büro- und Verwaltungsgebäude waren die Geschäftsführung, der Vertrieb und Marketing, die Qualitätssicherung, die Buchhaltung sowie das Sekretariat ansässig.
Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft
Nachdem über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, machte der Insolvenzverwalter für zurückliegende Jahre geltend, dass zwischen der GmbH und B eine umsatzsteuerliche Organschaft vorgelegen habe und die GmbH daher die Umsatzsteuer in der Vergangenheit zu Unrecht an das Finanzamt abgeführt habe. Das Finanzamt vertrat hingegen die Auffassung, dass zwar eine finanzielle und organisatorische Eingliederung in das Einzelunternehmen des B für die Jahre 2008 bis 2012 unstreitig vorgelegen habe, nicht jedoch die wirtschaftliche Eingliederung. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Eingliederung läge insoweit nicht vor – allein die Vermietung der Büroräume reiche für eine wirtschaftliche Eingliederung nicht aus.
Wirtschaftliche Eingliederung
Aufgrund teilweise eingetretener Verjährung und insolvenzrechtlicher Besonderheiten hielt das Finanzgericht die Klage nur teilweise für begründet. Betreffend der Thematik der umsatzsteuerlichen Organschaft gab es dem Insolvenzverwalter allerdings recht und bejahte (auch) die wirtschaftliche Eingliederung. Das Gericht gelangte zu der Überzeugung, dass die GmbH als Betriebsunternehmen ihre Tätigkeit aus innerbetrieblichen Gründen ohne das gemietete Grundstück nicht oder nur nach Überwindung von nicht nur unerheblichen Schwierigkeiten hätte fortsetzen können.
Ausweislich des Vorbringens des Klägers, das vom Finanzamt nicht bestritten wurde, waren sämtliche wesentlichen technischen und unternehmerischen Entscheidungen der GmbH in dem angemieteten Bürogebäude getroffen worden und der Standort wurde im Internet als Hauptverwaltung beschrieben. Auch die Größe der Bürofläche von 376 m² und die Ansiedlung einer sogenannten Innovationsmeile sprachen nach Ansicht des Finanzgerichts gegen eine jederzeitige Austauschbarkeit dieses Grundstücks. Eine Kündigung des Mietvertrags hätte in Anbetracht der Größe der Geschäftsräume und der Anzahl der dort beschäftigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in jedem Fall zu einer erheblichen Störung des Betriebsablaufs und damit zu einer Beschränkung der Umsatztätigkeit geführt.
Grundstücksvermietung kann zur wirtschaftlichen Eingliederung führen
Betreffend die Voraussetzungen einer Organschaft ist das Urteil insofern interessant, als es klarstellt, dass – je nach Einzelfall – auch die Vermietung eines Grundstücks zur wirtschaftlichen Eingliederung führen kann. Vorliegend ist auch zu beachten, dass die beiden weiteren Merkmale, nämlich die finanzielle und die organisatorische Eingliederung, sehr deutlich ausgeprägt waren und nach der ständigen Rechtsprechung des BFH nicht sämtliche Merkmale entsprechend deutlich ausgeprägt sein müssen. Außerdem war das angemietete Grundstück nach Feststellung des Gerichts offenbar keineswegs "jederzeit austauschbar".
Hinzuziehung zum Verfahren
Darüber hinaus hatte sich das Finanzgericht damit zu befassen, ob die Berufung der Organgesellschaft auf die Sonderregeln für Organschaften (durch den Insolvenzverwalter) missbräuchlich ist, wenn das Finanzamt den Organträger nicht nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO zum Verfahren hinzugezogen hat. So wies das Finanzgericht darauf hin, dass das Finanzamt bei Ausnutzung der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten die Steuer hätte gegenüber B festsetzen und bei Insolvenz des B mit einem Anspruch nach § 73 Satz 1 AO ohne Erlass eines Haftungsbescheids aufrechnen können. Nach dieser Vorschrift haftet eine Organgesellschaft für solche Steuern des Organträgers, für die die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist.
Vor dem Hintergrund der "Versäumnisse des Finanzamts" und der Tatsache, dass ein Insolvenzverwalter verpflichtet ist, alle Rechte zur Auffüllung der Insolvenzmasse geltend zu machen, wertete das Finanzgericht die Berufung des Insolvenzverwalters auf eine vorliegende Organschaft, die in der Vergangenheit nicht aktiv umgesetzt worden war, nicht als missbräuchlich. Unterm Strich bleibt festzuhalten, dass der Fiskus bei nicht umgesetzten Organschaften und späterer Insolvenz einem durchaus beträchtlichen finanziellen Risiko ausgesetzt sein kann. Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.
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