Gewerblicher Grundstückshandel bei Errichtung eines Erweiterungsbaus
Hintergrund: Einbringung eines vermieteten Grundstücks in eine KG nach umfassenden Baumaßnahmen
X errichtete in den 1980er Jahren auf einem langjährig im Privatvermögen befindlichen Grundstück eine Senioren-/Pflegeresidenz, die er an eine Betreiber-GmbH vermietete und hieraus Einkünfte aus VuV erzielte.
Später (Bauantrag 1999, Baugenehmigung 2001, Fertigstellung 2004) errichtete er einen Erweiterungsbau, durch den sich Anzahl der Heimplätze verdoppelte.
Bereits in 2000 hatte X die X-KG gegründet. In diese brachte er zum 1.7.2005 die Immobilie gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und Übernahme der mit dem Grundstück zusammen hängenden Verbindlichkeiten ein.
Im Dezember 2005 gründeten die Eheleute X zudem die im gewerblichen Grundstückshandel tätige Y-KG, die bis Jahresende 2007 zahlreiche Baugrundstücke verkaufte.
In dem vorliegenden Verfahren ist streitig, ob die Übertragung (Veräußerung) der Immobilie durch X in 2005 auf die X-KG in den gewerblichen Grundstückshandel einzubeziehen ist, den X später unstreitig (in seiner Eigenschaft als Mitgesellschafter der Y-KG) betrieben hat. Das hätte die Erfassung eines Veräußerungsgewinns zur Folge.
X erklärte die Erträge aus der Immobilie bis 30.06.2005 als Einkünfte aus VuV. Das FA und ihm folgend das FG gingen dagegen davon aus, der gewerbliche Grundstückshandel habe bereits im Streitjahr 2005 bestanden, so dass der Erweiterungsbau mit dem anteiligen Grundstück von dem gewerblichen Grundstückshandel umfasst sei.
Entscheidung: Die Herstellung eines neuen WG "Gebäude" kann für gewerblichen Grundstückshandel sprechen
Für die Grenzziehung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblicher Tätigkeit gilt nach der BFH-Rechtsprechung die sog. Drei-Objekt-Grenze. Sie besagt, dass ein gewerblicher Grundstückshandel im Regelfall vorliegt, wenn innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Anschaffung bzw. Bebauung und Verkauf – in der Regel fünf Jahre – mehr als drei Objekte veräußert werden (BFH, Urteil v. 5.12.2002, IV R 57/01, BStBl II 2003, 291).
Grundsätze der bisherigen BFH-Rechtsprechung
Durch die BFH-Rechtsprechung ist hinlänglich geklärt, dass als gewerblich angesehen werden kann:
- nicht nur die Anschaffung und zeitnahe Veräußerung, sondern auch die Veräußerung eines erst kurz zuvor bebauten Grundstücks (BFH, Beschluss v. 10.12.2001, GrS 1/98, BStBl II 2002, 291);
- außerhalb der Errichtung eines Gebäudes liegende werterhöhende Aktivitäten wie die Erschließung vormals landwirtschaftlich genutzter Grundstücke und anschließender Verkauf von Bauparzellen oder die Teilung eines Mehrfamilienhauses in Eigentumswohnungen, deren Sanierung sowie zeitnahe Veräußerung (BFH, Urteil v. 5.2.2002, IV R 57/01, BStBl 2003, 291);
- Abriss eines Gebäudes selbst nach weit zurückliegendem Grundstückserwerb und Neubebauung in Veräußerungsabsicht (BFH, Urteil v. 18.9.2002, X R 183/96, BStBl II 2003, 238).
Zu einem neuen WG "Gebäude" führende umfassende Baumaßnahmen als weiterer Fall der Gewerblichkeit
Aus diesen Grundsätzen ist abzuleiten, dass auch ein langjährig privat vermietetes Grundstück Betriebsvermögen werden kann, wenn im Hinblick auf eine Veräußerung so umfassende Baumaßnahmen durchgeführt werden, dass das bestehende WG "Gebäude" nicht nur erweitert oder wesentlich verbessert wird, sondern ein neues WG "Gebäude" hergestellt wird. Dies gilt unabhängig davon, ob
- ein selbständiges – neben den Altbau tretendes – neues Gebäude,
- ein selbständiger Gebäudeteil
- oder ein einheitliches neues Gebäude unter Einbeziehung der Altbausubstanz entsteht.
Im Streitfall ist die Entstehung eines neuen WG fraglich
Hiervon ausgehend fehlen ausreichende Feststellungen dazu, ob die Immobilie Gegenstand eines gewerblichen Grundstückshandels sein konnte. Zwar hat X das Grundstück am 1.7.2005 durch Einbringung in das Gesamthandsvermögen der X-KG veräußert. Das FG hat jedoch nicht berücksichtigt, dass X die Immobilie langjährig im Rahmen privater Vermögensverwaltung vermietet hatte. In einem solchen Fall ist für die Qualifizierung der Grundstücksaktivitäten als gewerblich die Schaffung eines neuen WG als weiteres Abgrenzungsmerkmal erforderlich. Die Feststellung des FG, durch den Erweiterungsbau seien die Heimplätze verdoppelt worden, reicht für die Annahme eines neuen WG nicht aus. Darin liegt ein zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung an das FG führender Rechtfehler des FG.
Hinweis: Schaffung eines neuen WG als Rechtfertigung für die Einbeziehung in einen gewerblichen Grundstückshandel
Der BFH präzisiert die Anforderungen an die Einbeziehung eines langjährig im Rahmen privater Vermögensverwaltung genutzten Grundstücks in einen gewerblichen Grundstückshandel dahin, dass eine Erweiterung oder über den bisherigen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung des bereits bestehenden WG Gebäude nicht ausreicht. Erforderlich sind vielmehr derart umfassende Baumaßnahmen, dass ein neues WG "Gebäude" hergestellt wird. Im Hinblick auf die in jedem Fall notwendige erforderliche umfassende Substanzvermehrung ist nicht erforderlich, dass dem Objekt eine andere Marktgängigkeit verliehen wird.
Ein neues WG Gebäude kommt in Betracht, wenn ein "Erweiterungsbau" als neues selbständiges Gebäude mit eigener Standfestigkeit errichtet wird. Dann sind der Erweiterungsbau und der darauf entfallende Grundstücksanteil in den gewerblichen Grundstückshandel einzubeziehen. Wird durch den Erweiterungsbau kein neues selbständiges Gebäude, sondern ein durch die Neubauteile geprägtes neues einheitliches Gesamtgebäude hergestellt, ist auch die Altbausubstanz mit dem darauf entfallenden Grundstücksanteil zu berücksichtigen. Kein neues WG und damit kein gewerblicher Grundstückshandel liegt dagegen vor, wenn der Erweiterungsbau mit der Altbausubstanz derart verschachtelt ist, dass er keine eigene Standfestigkeit besitzt und die Neubauteile dem Gesamtgebäude nicht das Gepräge geben (BFH, Urteil v. 25.1.2007, III R 49/06, BStBl II 2007, 586).
BFH Urteil vom 15.01.2020 - X R 18/18, X R 19/18 (veröffentlicht am 16.07.2020)
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