Anschrift in Rechnungen
Postalische Erreichbarkeit ausreichend für ordnungsgemäße Rechnung
Die ordnungsgemäße Rechnung als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug steht seit Langem im Mittelpunkt der Rechtsprechung. Nachdem der EuGH und nachfolgend der BFH festgestellt hatten, dass es als Absenderangabe für eine Rechnung ausreichend ist, dass der leistende Unternehmer eine Anschrift angibt, unter der er postalisch erreichbar ist, setzt die Finanzverwaltung dies für alle noch offenen Fälle um und hat den UStAE entsprechend geändert.
Rechnung muss Name und Anschrift enthalten
Bezieht der Unternehmer von einem anderen Unternehmer eine Leistung für Zwecke seines Unternehmens, kann er grundsätzlich den Vorsteuerabzug geltend machen. Der Vorsteuerabzug setzt nach der gesetzlichen Anforderung aber eine Rechnung i. S. d. § 14 Abs. 4 UStG voraus. In § 14 Abs. 4 Satz 1 UStG werden die für eine ordnungsgemäße Rechnung notwendigen Bestandteile beschrieben. Wesentlicher Bestandteil einer danach ordnungsgemäßen Rechnung ist der vollständige Name und die vollständige Anschrift von leistendem Unternehmer und Leistungsempfänger.
Nicht in allen Fällen setzt der Vorsteuerabzug eine ordnungsgemäße Rechnung voraus
Eine ordnungsgemäße Rechnung ist aber nur in den in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG für den Vorsteuerabzug notwendig. Insbesondere in den Fällen des innergemeinschaftlichen Erwerbs oder bei Fällen der Steuerschuld des Leistungsempfängers (sog. Reverse-Charge-Verfahren) setzt der Vorsteuerabzug keine Rechnung – und damit auch keine ordnungsgemäße Rechnung – voraus.
BFH ändert Rechtsprechung
Der BFH war früher davon ausgegangen, dass eine zutreffende Absenderangabe nur dann vorliegt, wenn der leistende Unternehmer unter dieser Anschrift auch seine wirtschaftlichen Tätigkeiten entfaltete (z. B. BFH Urteil vom 22.07.2015 - V R 23/14, Haufe Index 8386890). In der Praxis war dies in vielen Fällen mit Problemen und Unsicherheit verbunden, da in vielen Fällen Unternehmer gar keinen eindeutigen Ort der Entfaltung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten hatten.
Der BFH hatte dann in 2 Verfahren den EuGH um Vorabentscheidung gebeten, ob tatsächliche die Angabe des Orts der wirtschaftlichen Tätigkeit notwendige Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Rechnung ist. Der EuGH hatte in diesen Verfahren entgegen der bisherigen Rechtspraxis in Deutschland eindeutig festgestellt, dass auch eine Anschrift als ordnungsgemäß i. S. der Regelung anzusehen ist, unter der eine postalische Erreichbarkeit gewährleistet ist (EuGH Urteil vom 15.11.2017 - C-374/16, C- 375/16, Haufe Index 11349059). Diese Rechtsprechung hat der BFH in den Folgeurteilen übernommen (BFH Urteil vom 13.06.2018 - XI R 20/14, Haufe Index 12034037 und Urteil vom 21.06.2018 - V R 25/15, Haufe Index 11875990).
BMF übernimmt Rechtsprechung
Die Finanzverwaltung übernimmt mit dem Schreiben vom 7.12.2018 die Rechtsprechung von EuGH und BFH und akzeptiert als Angabe des leistenden Unternehmers in einer Rechnung eine Anschrift, unter der nur eine postalische Erreichbarkeit des Unternehmers gewährleistet ist. Die Angabe der Anschrift, unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet, ist nicht notwendig. Damit ist als eine ordnungsgemäße Rechnung auch eine Rechnung anzuerkennen, in der eine sog. "Briefkastenanschrift" enthalten ist, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist.
Auch c/o- und Postfach-Adressen zulässig
Die Finanzverwaltung akzeptiert damit neben der Angabe eines Postfachs oder einer Großkundenadresse auch die sog. c/o-Adressen. Die bisher dem entgegenstehende Auffassung in Abschn. 14.5 Abs. 3 UStAE ist von der Finanzverwaltung aufgegeben worden.
Aussagen gelten auch für Leistungsempfänger
Für ordnungsgemäße Rechnungen kommt es damit nur noch darauf an, ob in dieser eine Anschrift angegeben ist, unter der der leistende Unternehmer tatsächlich postalisch erreichbar ist. Dies gilt ausdrücklich auch für die Anschrift des Leistungsempfängers in der Rechnung.
Regelung für Betriebsstätten etc.
Bezieht eine Organgesellschaft, Zweigniederlassung, Betriebsstätte oder ein Betriebsteil eines Unternehmers eine Leistung, kann die Anschrift der leistungsempfangenden Einheit angegeben werden, unter der diese postalisch erreichbar ist, wenn sie die Leistung bezogen bzw. ausgeführt hat.
Vorsteuerabzug
Erfüllt die Rechnung diese und die weiteren sich aus § 14 Abs. 4 Satz 1 UStG ergebenden Anforderungen, ist der Vorsteuerabzug für den Leistungsempfänger unter den weiteren Voraussetzungen möglich (Abschn. 15.2a Abs. 2 UStAE).
Konsequenzen für die Praxis
Seit Einführung des Vorsteuerabzugs zum 1.1.1968 (in den alten Bundesländern), bereitet die Anforderung an die ordnungsgemäße Rechnung der Praxis Schwierigkeiten. Vereinfachungen müssen der Verwaltung und dem BFH oftmals mühsam über die Rechtsprechung des EuGH abgerungen werden. Die vorstehende Umsetzung der Rechtsprechung durch die Finanzverwaltung erfolgt relativ zeitnah zu den Entscheidungen des BFH. Es wäre wünschenswert, wenn die Finanzverwaltung sich gleichermaßen zeitnah zu der Frage der rückwirkenden Rechnungsberichtigung geäußert hätte.
Rechnung als formelle Voraussetzung bleibt umstritten
Selbst wenn jetzt bezüglich der Rechnungsanschrift eine kleine Erleichterung für die Praxis erreicht worden ist, darf nicht verkannt werden, dass die grundsätzliche Frage, ob eine vollständig ordnungsgemäße Rechnung überhaupt notwendige Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist, immer noch ein Streitpunkt ist. Der EuGH sieht in den Rechnungsangaben nur eine "formelle" Voraussetzung“, die den Vorsteuerabzug nicht grundsätzlich in Frage stellen kann, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind.
Unklar sind auch die nationalen Folgen aus dem jüngst ergangenen Urteil des EuGH (EuGH, Urteil vom 21.11.2018 - C-664/16 (Vădan)), in dem er feststellt, dass die strikte Anwendung des formellen Erfordernisses für den Vorsteuerabzug, Rechnungen vorzulegen, gegen die Grundsätze der Neutralität verstößt. Die vorliegende Anpassung der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung wird wohl nicht die letzte Veränderung bei den Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug sein.
Die Grundsätze des Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
BMF, Schreiben v. 7.12.2018, III C 2 - S 7280-a/07/10005 :003
-
Vermietung an den Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
812
-
BVerfG verhandelt im November zum Solidaritätszuschlag
707
-
Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld nach § 268 AO ist unwiderruflich
690
-
Abschreibung für eine Produktionshalle
632
-
Selbst getragene Kraftstoffkosten bei der 1 %-Regelung
544
-
Berechnung der Zehn-Jahres-Frist bei sanierungsrechtlicher Genehmigung
519
-
Abzug von Fahrtkosten zur Kinderbetreuung
493
-
Neue Grundsteuer B in Baden-Württemberg ist verfassungsmäßig
473
-
Sonderausgabenabzug für einbehaltene Kirchensteuer auf Kapitalerträge aus anderen Einkunftsarten
465
-
Anschrift in Rechnungen
421
-
Alle am 21.11.2024 veröffentlichten Entscheidungen
21.11.2024
-
Keine Rückstellung für vorläufig festgesetzte Zinsrückzahlung
21.11.2024
-
Erfordernis der Glaubhaftmachung gem. § 52a Abs. 6 FGO
20.11.2024
-
Betriebsausgabenabzug für steuerfreie Photovoltaikanlagen auch in 2022 möglich
18.11.2024
-
Keine AdV bei geltend gemachter Verfassungswidrigkeit der Grundsteuerwertermittlung
18.11.2024
-
BFH zur Vorteilsminderung bei der 1 %-Regelung
18.11.2024
-
Bestattungskosten als Nachlassverbindlichkeiten bei Zahlung aus einer Sterbegeldversicherung
18.11.2024
-
Erbschaftsteuerlicher Freibetrag bei Erbverzicht der Elterngeneration
18.11.2024
-
Hinzurechnungsbesteuerung und Kapitalverkehrsfreiheit bei Schweizer Tochtergesellschaften
15.11.2024
-
Keine Kfz-Steuerbefreiung bei untergeordneter land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeit
15.11.2024