Eingeschränkte Abfärbewirkung bei Beteiligungseinkünften einer Personengesellschaft
Hintergrund: Gewerbliche Beteiligungseinkünfte einer vermögensverwaltenden KG
Die X-KG erzielte zunächst Einkünfte aus VuV und aus Kapitalvermögen. In 2008 übertrug ein Komplementär seine Beteiligungen an zwei Flugzeugleasingfonds (GmbH u. Co. KGs) unentgeltlich auf die X-KG. Das Vermögen der Fonds bestand jeweils aus einem Flugzeug, das in 2008 verkauft wurde. Aufgrund der gewerblichen Beteiligungseinkünfte stellte das FA seit 2008 sämtliche Einkünfte der X-KG entsprechend der sog. Abfärberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG als Einkünfte aus Gewerbebetrieb fest.
Wie für die Vorjahre ergingen durch die Betriebsstätten-FÄ auch für das Streitjahr 2011 gesonderte und einheitliche Feststellungen der Einkünfte der Fondsgesellschaften. Auf die X-KG entfielen geringfügige (negative) gewerbliche Einkünfte (rund ./. 1.800 EUR bzw. ./. 500 EUR).
FA und FG bejahen die Umqualifizierung der nicht gewerblichen in gewerbliche Einkünfte
Das FA vertrat weiterhin die Auffassung, die Einkünfte aus der vermögensverwaltenden Tätigkeit der X-KG seien durch die gewerblichen Beteiligungseinkünfte "infiziert". Dementsprechend stellte es auch für 2011 Einkünfte aus Gewerbebetrieb fest. Die X-KG wandte ein, die Fondsgesellschaften seien mit dem Verkauf der Flugzeuge in die Liquidationsphase eingetreten. Angesichts des geringen Anteils der zugerechneten Beteiligungseinkünfte sei die Anwendung der Abfärberegelung unverhältnismäßig. Für Gesellschaften, die neben nicht gewerblichen Einkünften auch Einkünfte aus einer originär gewerblichen Tätigkeit erzielen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 EStG) sei eine Bagatellgrenze anerkannt (H 15.8 Abs. 5 EStH). Das müsse entsprechend auch bei Einkünften aus Beteiligungen an gewerblich tätigen Gesellschaften gelten (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG).
Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, das für die Obergesellschaft zuständige FA könne ohne nähere Kenntnisse der Verhältnisse der Untergesellschaft die Bedeutung der Beteiligung nicht feststellen. Der erforderliche Ermittlungsaufwand widerspreche dem Vereinfachungszweck der Abfärberegelung.
Entscheidung: Die uneingeschränkte Abfärbewirkung bei Beteiligungseinkünften ist verfassungsgemäß, führt aber nicht zu gewerbesteuerbaren Einkünften
Der BFH geht davon aus, dass die Abfärberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt 2 EStG in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht auch ohne Bagatellgrenze verfassungsgemäß ist. Es liegt zwar eine Ungleichbehandlung der Personengesellschaft (bzw. ihrer Gesellschafter) gegenüber einer Einzelperson vor. Während die Einzelperson auch dann noch gleichzeitig eine bzw. mehrere Einkunftsarten verwirklichen kann, wenn sie sich an einer gewerblichen Personengesellschaft beteiligt, können die Gesellschafter einer Personengesellschaft, die sich an einer gewerblichen Personengesellschaft beteiligt, in dieser Personengesellschaft keine weiteren Einkunftsarten verwirklichen, da die gesamte Tätigkeit der Personengesellschaft als solche als Gewerbebetrieb gilt.
Diese Ungleichbehandlung ist – in einkommensteuerlicher Sicht – jedoch sachlich gerechtfertigt. Es handelt sich um eine grundsätzlich zulässige Typisierung zwecks Erleichterung der Einkünfteermittlung durch Konzentration auf nur eine Einkunftsart. Im Hinblick auf den verfolgten Zweck ist die Regelung auch verhältnismäßig. Zum einen kann sie auch zu steuerlichen Vorteilen etwa bei der Verlustberücksichtigung oder einer Rücklagenbildung führen. Zum anderen besteht die Möglichkeit, der Abfärbung durch entsprechende Gestaltungen, insbesondere durch die Gründung einer zweiten personenidentischen Gesellschaft (Ausgliederungsmodell), zu entgehen.
Verfassungskonforme Auslegung des § 2 Abs. 1 GewStG
Im Hinblick auf die GewSt ist die Abfärbewirkung aufgrund gewerblicher Beteiligungs-einkünfte (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG) - anders als die Abfärbewirkung bei originär gewerblicher Tätigkeit (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 EStG) - aber nur dann verfassungsgemäß, wenn die infolge der Abfärbung gewerblichen Einkünfte nicht gewerbesteuerbar sind. Dem ist durch eine entsprechende verfassungskonforme Auslegung des § 2 Abs. 1 GewStG Rechnung zu tragen. Nur so wird eine verfassungswidrige Schlechterstellung von Personengesellschaften gegenüber Einzelunternehmern vermieden.
Entscheidend ist der Schutz des GewSt-Aufkommens als Gesetzeszweck. Die Abfärbewirkung aufgrund originär gewerblicher Tätigkeit verhindert, dass infolge unzureichender Abgrenzungsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Tätigkeiten einer Gesellschaft gewerbliche Einkünfte der Gewerbesteuer entzogen werden. Diese Gefahr besteht bei gewerblichen Beteiligungseinkünften nicht, so dass es insoweit keiner Abfärbewirkung bedarf. Denn eine GewSt, die nicht besteht, kann auch nicht gefährdet werden. Zudem sind die gewerblichen Beteiligungseinkünfte, die bei der Obergesellschaft (hier: X-KG) einkommensteuerrechtlich zur Gewerblichkeit der weiteren Einkünfte führen, bei ihr im Hinblick auf die gewerbesteuerrechtliche Kürzung ohnehin nicht mit GewSt belastet.
Hinweis: Bagatellregelung der Verwaltung für (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 EStG
Für die Fälle der Ausübung einer originär gewerblichen Tätigkeit durch die Gesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 EStG) tritt eine Umqualifizierung in Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht ein, wenn die originär gewerblichen Nettoumsatzerlöse 3 % der Gesamtumsatzerlöse der Gesellschaft und 24.500 EUR im Veranlagungszeitrum nicht übersteigen (H 15.8Abs. 5 EStH). Für Einkünfte aus Beteiligungen an gewerblich tätigen Gesellschaften (Alt. 2) wird die Frage einer Bagatellgrenze kontrovers diskutiert. Der BFH lässt die Frage letztlich offen. Er hält die Abfärberegelung auch dann für verfassungsgemäß, wenn man eine Bagatellgrenze ablehnt.
BFH Urteil vom 06.06.2019 - IV R 30/16 (veröffentlicht am 01.08.2019)
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