So könnte das Bundesverfassungsgericht entscheiden


Bleibt das Bundesverfassungsgericht seiner bisherigen Linie treu, wird es entweder die Nichtigkeit des Erbschaftsteuergesetzes oder dessen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz verbunden mit einer Nachbesserungsmöglichkeit des Gesetzesgebers bis zu einem bestimmten Zeitpunkt feststellen.

Nichtigkeit des Erbschaftsteuergesetzes

Zur Feststellung der Nichtigkeit des gesamten Erbschaftsteuergesetzes wird das Bundesverfassungsgericht kommen, wenn es eine verfassungskonforme Auslegung nicht für möglich hält. In diesem Fall dürfte das gesamte Erbschaftsteuergesetz auch für die Vergangenheit nicht mehr anzuwenden sein. Hier käme es zum rückwirkenden Wegfall der Erbschaftsteuer in allen Fällen, die entweder durch Einspruch noch offengehalten wurden oder deren Steuerbescheid vorläufig erlassen wurde.

Die mögliche Feststellung der Nichtigkeit des Erbschaftsteuergesetzes und damit der rückwirkende Wegfall der festgesetzten Erbschaftsteuer dürfte allerdings nur Übertragungen betreffen, die nach dem 31.12.2008 erfolgt sind. Die Anwendung des vor dem 1.1.2009 geltenden Erbschaftsteuerrechts sichert die letzte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum damals geltenden Erbschaftsteuergesetz aus dem Jahre 2006. In dem Beschluss vom 7.11.2006 (1 BvL 10/02) ordnete das Bundesverfassungsgericht die Weitergeltung des verfassungswidrigen Gesetzes bis zum 31.12.2008 an. Der Gesetzgeber hatte daraufhin das Erbschaftsteuergesetz mit Wirkung zum 1.1.2009 reformiert, das nun wiederum auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand steht.

Wichtig: Damit Steuerpflichtige von einer möglichen Nichtigkeit des Erbschaftsteuergesetzes profitieren können, muss der Steuerbescheid entweder vorläufig sein oder durch Einspruch offengehalten werden.

Nachteile ergeben sich durch den Einspruch gegen den Steuerbescheid oder durch die Vorläufigkeit des Steuerbescheids für den Steuerpflichtigen nicht. Dafür sorgt eine Regelung in § 176 Abs. 1 Nr. 1 AO. Diese besagt, dass ein Steuerbescheid aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen abgeändert werden kann.

Doch unter den Schutz dieser Regelung fallen nur die Übertragungen, für die der Steuerpflichtige bereits einen Steuerbescheid erhalten hat.

Unvereinbarkeit des Erbschaftsteuergesetzes mit Nachbesserungsmöglichkeit

Wahrscheinlicher ist, dass das Bundesverfassungsgericht lediglich zur Unvereinbarkeit des Erbschaftsteuergesetzes mit dem Grundgesetz kommt und dem Gesetzgeber die Möglichkeit einräumt, die monierten Punkte innerhalb einer bestimmten Frist gesetzlich neu zu regeln. Diesen Weg hat das Bundesverfassungsgericht bereits in den Entscheidungen zur Erbschaftsteuer im Jahre 1995 und 2006 eingeschlagen. Einiges spricht dafür, dass es auch dieses Mal so entscheidet.

Bei dieser Entscheidungsvariante bleibt das derzeit geltende Erbschaftsteuerrecht bis zum Ablauf der dem Gesetzgeber zur Neuregelung eingeräumten Frist weiter anwendbar. Damit bliebe es auch bei der festgesetzten oder noch festzusetzenden Erbschaft- oder Schenkungsteuer für Übertragungen, die nach dem 31.12.2008 und bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erfolgt sind. Die Finanzverwaltung würde im Anschluss an die Entscheidung, die vorläufig erlassenen Steuerbescheide in solche ohne Vorläufigkeitsvermerk ändern.

Auch zukünftige Übertragungen, die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bis zum Ende der möglichen Übergangsfrist durchgeführt werden, würden dem derzeit geltenden Erbschaftsteuerrecht unterworfen.

In diesem Fall hätten die Steuerpflichtigen, die bis zur Entscheidung noch keine Übertragungen durchgeführt haben, noch bis zum Ende der Übergangsfrist Zeit, ihr Vermögen unter Geltung der derzeit und bis zum Ende der Übergangsfrist geltenden Rechtslage zu übertragen. Doch ob das Bundesverfassungsgericht so entscheidet und damit dieser Zeithorizont für die Steuerpflichtigen tatsächlich zur Verfügung steht, ist nicht sicher.

Mögliche Reaktionen des Gesetzgebers

Die neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD bekennt sich auf Seite 93 des Koalitionsvertrags klar zur Erbschaftsteuer. Sie soll den Ländern als wichtige Einnahmequelle erhalten bleiben. Damit dürfte es auch in Zukunft eine Erbschaftsteuer geben, selbst wenn das Bundesverfassungsgericht das derzeitige Erbschaftsteuerrecht als verfassungswidrig einstufen wird. In diesem Fall müsste der Gesetzgeber das Erbschaftsteuerrecht entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts anpassen.

Der Koalitionsvertrag enthält allerdings auch die ausdrückliche Aussage, dass die Unternehmensnachfolge durch die Erbschaftsbesteuerung nicht gefährdet werden soll. Damit dürfte es auch künftig Begünstigungen bei Unternehmensübergaben geben. Fraglich ist nur, in welcher Form und in welcher Höhe. Auf Seite 25 des Koalitionsvertrags heißt es konkret: „Notwendig ist daher eine verfassungsfeste und mittelstandsfreundlich ausgestaltete Erbschafts- und Schenkungsteuer, die einen steuerlichen Ausnahmetatbestand bei Erhalt von Arbeitsplätzen vorsieht.“

Damit kann auch in Zukunft mit Begünstigungen für Unternehmensvermögen gerechnet werden. Doch es ist nicht auszuschließen, dass diese nicht mehr so weitgehend sind, wie die derzeitigen Verschonungsabschläge von 100 % bzw. 85 %. Hier ist z. B. eine Minderung der Verschonungsabschläge denkbar.