Erbschaftsteuerbefreiung bei Pflege des Erblassers
Hintergrund
X erhielt von der mit 89 Jahren verstorbenen Erblasserin E im Wege des Vermächtnisses zwei Eigentumswohnungen. X hatte der E in den letzten Jahren vor ihrem Tod regelmäßig geholfen, u.a. im Haushalt, bei Botengängen, Schriftverkehr, Arzt- und Behördenbesuchen. Bis Mai 2009 lebte E allein in ihrer Wohnung. Von Juli bis zu ihrem Tod im Dezember 2009 war sie in einem Pflegeheim untergebracht. Seit Mai 2009 war sie in Pflegestufe I und seit Juli 2009 in Pflegstufe II eingeordnet.
Das FA war der Ansicht, der Pflegefreibetrag stehe erst ab Einordnung in eine Pflegestufe und nur bis zum Zeitpunkt der vollstationären Pflege zu. Es berücksichtigte daher lediglich einen geringen Freibetrag für im Mai und Juni 2009 geleistete Pflege (755 EUR).
Das FG entschied dagegen, die Pflegebedürftigkeit i.S. des Sozialgesetzbuchs XI (SGB XI) sei nicht Voraussetzung für den Pflegefreibetrag. Es ging davon aus, X habe in den fünf Jahren vor dem Tod der E insgesamt 315 Stunden Pflege zu einem Stundensatz von 15 EUR erbracht und anerkannte einen Freibetrag von 4.725 EUR.
Entscheidung
Mit dem FG geht auch der BFH davon aus, dass die Steuerbefreiung weit auszulegen ist. Die Vorschrift über den Pflegefreibetrag (§ 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG) verweist nicht auf das SGB XI. Es ist deshalb - entgegen der Meinung des FA - nicht erforderlich, dass der Erblasser pflegebedürftig und einer Pflegestufe i.S. des SGB XI zugeordnet war. Auch die Unterbringung in einem Pflegeheim schließt den Freibetrag nicht aus. Denn begünstigte Pflegeleistungen können auch gegenüber einer in einem Pflegeheim lebenden Person erbracht werden.
Voraussetzung für den Freibetrag ist lediglich zum einen die Hilfsbedürftigkeit des Pflegeempfängers und zum anderen die tatsächliche Erbringung von Pflegeleistungen. Dazu zählt aber nicht nur die Pflege i.S. des SGB XI (Körperpflege, Ernährung, hauswirtschaftliche Versorgung usw.), sondern - darüber hinausgehend - weitere Hilfe wie Botengänge, Schriftverkehr, Besprechungen mit Ärzten oder Behörden und auch die seelische Betreuung. Denn gerade bei hilfsbedürftigen Personen kann es erforderlich sein, dass sie einen Ansprechpartner ihres Vertrauens haben. Voraussetzung ist in allen Fällen jedoch, dass die Leistungen regelmäßig und über längere Dauer erbracht worden sind. Gelegentliche Erledigungen oder Besuche, die über die übliche zwischenmenschliche Hilfe nicht hinausgehen, genügen nicht.
Für die Höhe des Freibetrags ist der Wert der erbrachten Pflegeleistungen zu ermitteln. Dafür können die üblichen Vergütungssätze entsprechender Berufsgruppen oder gemeinnütziger Vereine herangezogen werden. Dem Erwerber steht es aber frei, einen höheren Wert seiner Leistungen nachzuweisen.
Praxishinweis
Es handelt sich um eine sehr begrüßenswerte, der Lebenswirklichkeit entsprechende Grundsatzentscheidung.
Der BFH hebt ausdrücklich hervor, dass bei der Frage, ob die Voraussetzungen des Freibetrags gegeben sind, ein großzügiger Maßstab anzulegen ist und keine übersteigerten Anforderungen an die Darlegung und Glaubhaftmachung zu stellen sind. Ab dem 80-sten Lebensjahr ist grundsätzlich von einer Hilfsbedürftigkeit auszugehen. Ein Nachweis durch ärztliches Attest oder andere Bescheinigungen ist dann nicht erforderlich. Im Übrigen kann bei langjährigen, intensiven und umfassenden Pflegeleistungen der Freibetrag in voller Höhe (20.000 EUR) - ohne Einzelnachweis zum Wert der Leistungen - gewährt werden.
Urteil v. 11.9.2013, II R 37/12, veröffentlicht am 20.11.2013
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