Gemischt genutzte Gebäude sind keine Wohnungsbauten i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG
Hintergrund: Geringfügige Mitverwaltung gewerblicher Flächen
Streitig war für 2011, ob die sog. erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zusteht.
X verwaltete Wohnungen, gewerbliche und sonstige Einheiten sowie Garagen und Stellplätze, die sich alle in ihrem Eigentum befanden. Daneben verwaltete sie 3 fremde Einheiten, wobei – gemessen an der Nutzfläche – 18,5 der Nutzfläche (Büro), 2% der Nutzfläche (Fahrschule) sowie 6% der Nutzfläche ((Hotel) nicht auf Wohnungen entfielen.
Das FA versagte die sog. erweiterte Kürzung, da die gemischt genutzten fremden Verwaltungseinheiten keine Wohnungsbauten i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG darstellten.
Dem schloss sich das FG an und wies die Klage ab.
Entscheidung: Enge Auslegung des Begriffs Wohnungsbauten
Der BFH wies die Revision zurück. Die erweiterte Kürzung ist zu versagen, wenn ein Unternehmen neben eigenem Grundbesitz gemischt genutzte Grundstücke bzw. Gebäude betreut.
"Wohnungsbauten" i.S.v. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG
Streitig war allein die Frage, ob und ggf. bis zu welchem Umfang auch die Betreuung gemischt genutzter Gebäude noch als Betreuung von Wohnungsbauten i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG anzusehen ist. Nach Auffassung des BFH ist dies nicht der Fall. Denn § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erfasst mit dem Begriff "Wohnungsbauten" nur Gebäude, die ausschließlich Wohnzwecken dienen. Gemischt genutzte Gebäude werden nicht erfasst.
Wörtliche Auslegung
Dafür spricht bereits der Wortlaut. So handelt es sich bei dem Begriff "Wohnungsbauten" um den Plural von "Wohnbau", worunter man Wohngebäude bzw. den Wohnungsbau versteht. Der Bezug zur Schaffung von Wohnraum spricht dafür, dass sich auch der Begriff "Wohnungsbauten" nur auf Objekte bezieht, die ausschließlich aus Wohneinheiten bestehen.
Systematische Auslegung
Auch die systematische Auslegung spricht dafür, dass gemischt genutzte Gebäude nicht unter den Begriff "Wohnungsbauten" fallen. Eine vergleichbare Regelung wie für Eigentumswohnungen, die zu mehr als 2/3 % Wohnzwecken dienen (§ 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG), hat der Gesetzgeber für einen unschädlichen Anteil an gewerblicher Nutzung für Wohnungsbauten in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht getroffen. Einen allgemeinen Grundsatz, dass der Begriff "Wohnungsbauten" in bestimmtem Umfang auch eine gewerbliche Nutzung umfasst, gibt es nicht.
Historische Auslegung
Die hier streitige Erweiterung der unschädlichen Tätigkeiten um die Betreuung von Wohnungsbauten erfolgte durch das StÄndG 1961. Auch dieses Gesetz sollte u.a. der Förderung der Eigentumsbildung in breiten Bevölkerungsschichten dienen. Daher ist davon auszugehen, dass auch die Aufnahme der Betreuung von Wohnungsbauten in den Katalog der kürzungsunschädlichen Tätigkeiten – ebenso wie die Errichtung und Veräußerung von Kaufeigenheimen und Kleinsiedlungen bzw. Ein- und Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen – der Schaffung von Wohnraum diente. Nur zwei Jahre später, durch das GewStÄndG 1963, wurde in § 9 Nr. 1 GewStG ein neuer Satz 3 eingefügt. Danach gilt Satz 2 entsprechend, wenn in Verbindung mit der Errichtung und Veräußerung von Eigentumswohnungen Teileigentum errichtet und veräußert wird, und das Gebäude zu mehr als 66 2/3 % Wohnzwecken dient. Diese ausdrücklich nur für Eigentumswohnungen geschaffene Regelung spricht dafür, dass der Gesetzgeber die Betreuung von Wohnungsbauten nur solange für kürzungsunschädlich erachtet, als diese sich auf die Betreuung von Gebäuden bezieht, die ausschließlich Wohnzwecken dienen.
Keine analoge Anwendung - auch kein Gleichheitsverstoß
Aufgrund des eindeutigen Wortlauts und der Entstehungsgeschichte des § 9 Nr. 1 Satz 3 EStG sowie außerdem wegen Fehlens einer planwidrigen Gesetzeslücke ist eine analoge Anwendung auf die Betreuung von gemischt genutzten Gebäuden ausgeschlossen. Auch der Gleichheitsgrundsatz gebietet das nicht. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich frei, tatbestandliche Voraussetzungen und Erfordernisse zu normieren, die erfüllt sein müssen, um eine steuerlichen Vergünstigung zu gelangen (BFH v. 19.10.2010, I R 67/09, BStBl II 2011, 367, Rz 12). Dass er seinen danach grundsätzlich weiten Ermessensspielraum bei der Festlegung von steuerlichen Vergünstigungen missbraucht hat, indem er gemischt genutzte Gebäude nur dann als kürzungsunschädlich ansieht, wenn ihre Errichtung und Veräußerung als Teileigentum in Verbindung mit der Errichtung und Veräußerung von Eigentumswohnungen steht, nicht aber auch dann, wenn sie Gegenstand einer (Bewirtschaftungs-)Betreuung sind, ist nicht ersichtlich.
Hinweis: Anderen Zwecken als Wohnwecken dienende Einheiten
Mit der Revision wurde auch geltend gemacht, der Wegfall der erweiterten Kürzung könne nicht davon abhängen, welche neue/weitere Tätigkeit ein Mieter aufnehme. Dem widerspricht der BFH. Denn bei der Frage, ob auch gemischt genutzte Gebäude noch als Wohnungsbauten anzusehen sind, geht es nicht darum, ob die einzelne Wohnung auch zu anderen Zwecken (insbesondere zu Erwerbszwecken) genutzt wird, sondern darum, ob sich in dem Gebäude neben Wohnzwecken dienenden Einheiten auch solche befinden, die anderen als Wohnzwecken zu dienen bestimmt sind. Das hängt nicht nur vom Willen des Eigentümers oder Mieters ab, sondern bestimmt sich regelmäßig nach gesetzlichen Vorschriften und den darauf fußenden Genehmigungen für das konkrete Gebäude.
BFH Urteil vom 15.04.2021 - IV R 32/18 (veröffentlicht am 15.07.2021)
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