Verstößt die Umsatzbesteuerung von Glücksspielgeräten gegen Gemeinschaftsrecht?
Hintergrund:
Die Klägerin betrieb in Hamburg und Umgebung verschiedene Spielhallen, in denen sie Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit aufstellte. Durch örtliche Satzungen der jeweiligen Gemeinden bzw. durch Landesgesetz wird eine Vergnügungsteuer oder Spielvergnügungsteuer (kommunale Aufwandsteuer) nach örtlich unterschiedlichen Sätzen und Bemessungsgrundlagen und teilweise mit einem Mindestbetrag oder durch eine Pauschale pro Gerät erhoben.
Der Betreiber ermittelte durch elektronische Verfahren die Kasseneinnahmen (also den „Spielüberschuss“) und rechnete daraus die darin enthaltene Umsatzsteuer heraus. Die darauf entfallende Umsatzsteuer meldete sie bei dem Finanzamt an, war jedoch der Auffassung, dass die Umsätze aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen nicht der Umsatzsteuer unterworfen werden dürften.
Entscheidung:
Das Finanzgericht Hamburg hat das Verfahren ausgesetzt und den EuGH angerufen. Das Gericht hat zu seinem Vorlagebeschluss die folgenden Leitsätze gebildet:
1. Der Kasseninhalt als Bemessungsgrundlage bei Spielgeräteumsätzen verstößt gegen den Grundsatz der Proportionalität der Mehrwertsteuer. Es ist klärungsbedürftig, ob er gleichwohl eine unionrechtskonforme Bemessungsgrundlage darstellt.
2. Es ist ungeklärt, ob die Abwälzbarkeit der Mehrwertsteuer Voraussetzung ihrer Erhebung ist, insbesondere bei bruttopreisbegrenzenden Rechtsvorschriften.
3. Es ist wegen des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer zweifelhaft, ob die Umsatzsteuer betragsgenau auf eine nationale, nicht harmonisierte Sonderabgabe angerechnet werden darf.
Nach der schon früher ergangenen Rechtsprechung des EuGH, Urteil v. 5.5.1994, C-38/93, Glawe, HI60580 wird bei der Besteuerung der Geldspielgeräte mit Geldgewinnmöglichkeit nicht der Umsatz (also der Spieleinsatz) als Bemessungsgrundlage herangezogen, sondern nur der Kasseninhalt (also der Überschuss aus den Geldspielgeräten); jeweils abzüglich der darin enthaltenen Umsatzsteuer. Nach Auffassung des Gerichts ist aber dadurch der Grundsatz der Proportionalität verletzt, da der Zusammenhang zwischen dem von dem einzelnen Spieler aufgewendeten Preis (Einsatz) und der Umsatzsteuer verloren geht. Außerdem sieht das Gericht Probleme, da seit der Entscheidung des EuGH die nationalen Rahmenbedingungen verändert wurden und keine Mindestgewinnquote mehr vorgeschrieben ist, sondern eine Begrenzung von Einsatz und Verlust pro Zeiteinheit vorgeschrieben ist.
Da der Gesetzgeber nach dem Urteil des EuGH v. 17.2.2005, C-453/02, Linneweber, HI1316874 die Vorschriften in § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG angepasst hatte und die Umsätze der öffentlichen Spielbanken ebenfalls der Umsatzsteuer unterworfen hat, wird regelmäßig die zu entrichtende Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe angerechnet. Da die anderen Betreiber von Geldspielautomaten regelmäßig Vergnügungsteuer zusätzlich zur Umsatzsteuer zu entrichten hätten, könnte sich eine Diskriminierung ergeben.
(FG Hamburg, Beschluss v. 21.9.2012, 3 K 104/11)
Praxishinweis:
Die Besteuerung der Glücksspielumsätze ist ein Dauerthema in der Umsatzsteuer. Allerdings war nach den bisher ergangenen Urteilen des EuGH (zuletzt Urteil v. 10.06.2010, C-58/09, Leo-Libera GmbH, HI2344851) nicht mehr unbedingt damit zu rechnen, dass ein Gericht den EuGH erneut anrufen würde.
Nun muss sich der EuGH wiederum mit einem umfangreichen Fragenkatalog zu der Besteuerung der Glücksspielumsätze beschäftigen. Ob sich hieraus wertvolle Erkenntnisse für das Umsatzsteuerrecht ergeben werden, vermag allerdings zweifelhaft sein, da der EuGH schon grundsätzlich festgestellt hatte, dass die besonderen Umstände der Glücksspielumsätze einen Sonderbereich darstellen, die nicht geeignet sind die allgemeinen systematischen Grundsätze des Umsatzsteuerrechts anzulegen.
Ob es hier zu einer tatsächlich angemessenen Besteuerung kommen wird, ist ebenfalls fraglich. Da sich die Rahmenbedingungen für die Geldspielgeräte seit den ersten Urteilen des EuGH geändert haben, könnte fraglich sein, ob es bei einer Besteuerung alleine des Überschusses aus dem Glücksspiel bleibt – andererseits wird eine tatsächliche Erfassung der Einsätze der Spieler nicht in allen Fällen möglich sein, wenn z. B. an das „klassische Spiel“ in Spielbanken gedacht wird. Eine korrekte Erfassung der Einsätze der Spieler ist dort nicht möglich.
Sollte der EuGH zu einer Umsatzsteuerbefreiung der Glücksspiele kommen, würde dies wahrscheinlich auch nur ein vorübergehender Sieg der Branche sein, da sich diese Überlegung sicher in den regionalen Vergnügungsteuergesetzen niederschlagen wird.
Es verbleibt die Entscheidung des EuGH abzuwarten – ob dann langfristig Gewinner oder Verlierer vorhanden sein werden, kann doch bezweifelt werden. Bis dahin sollten aber die Betreiber von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit ihre Steuerfestsetzungen offen halten und mit Hinweis auf das anhängige Verfahren das Ruhen des Verfahrens beantragen.
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