Großzügigere Anerkennung von Angehörigen-Arbeitsverhältnissen
Hintergrund
Mit dieser Grundsatzentscheidung lockert der BFH die Anforderungen an die Anerkennung von Arbeitsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen.
X betrieb in den Streitjahren 2005 bis 2007 als Einzelunternehmer eine Werbeagentur. Mit seinen Eltern hatte er Arbeitsverträge abgeschlossen. Sie sollten Bürohilfstätigkeiten im Umfang von 10 bzw. 20 Wochenstunden erbringen. Das FA und auch das FG versagten den Betriebsausgabenabzug mit der Begründung, die Arbeitsverträge seien nicht vereinbarungsgemäß durchgeführt worden, weil die Eltern mehr als die vertraglich festgelegten Wochenstunden gearbeitet hätten. Außerdem seien keine Aufzeichnungen über die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden geführt worden.
Entscheidung
In Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung vertritt der BFH eine großzügigere Auffassung. Das FG-Urteil wurde aufgehoben.
Der BFH betont zunächst den Grundsatz, dass für die Abgrenzung, ob Verträge zwischen nahen Angehörigen durch die Einkunftserzielung oder durch private Zuwendungen oder Unterhaltsleistungen motiviert sind, die gesamten objektiven Gegebenheiten maßgeblich sind. Voraussetzung für die Anerkennung ist, dass die Hauptpflichten klar und eindeutig vereinbart sind und dem Vereinbarten entsprechend durchgeführt werden. Jedoch schließt nicht jede geringfügige Abweichung vom unter Fremden Üblichen die Anerkennung aus. Vielmehr sind einzelne Kriterien des Fremdvergleichs im Rahmen der Gesamtbetrachtung unter dem Gesichtspunkt zu würdigen, ob sie den Rückschluss auf eine privat veranlasste Vereinbarung zulassen.
Bezogen auf den Streitfall bedeutet dies:
In der Leistung von Mehrarbeit liegt keine Abweichung der tatsächlichen Durchführung des Arbeitsverhältnisses vom vertraglich Vereinbarten. Denn die unbezahlte Mehrarbeit lässt die vollständige Erfüllung der vertraglichen Hauptleistungspflicht unberührt.
Die unterbliebene Führung von Arbeitszeitnachwiesen betrifft nicht die Frage der Fremdüblichkeit, sondern den Nachweis, dass Arbeitsleistungen im vertraglich vereinbarten Umfang erbracht wurden. Wenn daher aufgrund anderweitiger Erkenntnisse feststeht, dass der Angehörige über die vereinbarten Arbeitsstunden hinaus gearbeitet hat, ist ein weiterer Nachweis durch Aufzeichnung der konkreten Arbeitstunden nicht erforderlich.
Hiervon ausgehend, war der Betriebsausgabenabzug für den Arbeitsvertrag mit dem Vater anzuerkennen. Da jedoch hinsichtlich des Arbeitsvertrags mit der Mutter ausreichende Feststellungen fehlten, musste die Sache an das FG zurückverwiesen werden.
Hinweis
Der BFH hebt hervor, dass der Fremdvergleich weniger strikt durchzuführen ist, wenn der Unternehmer ohne die Beschäftigung eines Angehörigen einen fremden Dritten hätte einstellen müssen. Anders ist es, wenn ein Angehöriger für Tätigkeiten eingestellt wird, die üblicherweise vom Unternehmer selbst oder unentgeltlich von Familienangehörigen erledigt werden. An der Fremdüblichkeit kann es ferner fehlen, wenn bei nicht vergüteter Mehrarbeit das Entgelt im Verhältnis zur Arbeitsleistung so niedrig ist, dass es schlechterdings nicht mehr eine Gegenleistung für die Tätigkeit sein kann und deshalb angenommen werden muss, dass sich die Beteiligten nicht rechtsgeschäftlich binden wollten.
BFH, Urteil v. 17.7.2013, X R 31/12 (veröffentlicht am 23.10.2013)
Alle am 23.10.2013 veröffentlichten BFH-Entscheidungen im Überblick
-
Vermietung an den Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
812
-
BVerfG verhandelt im November zum Solidaritätszuschlag
707
-
Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld nach § 268 AO ist unwiderruflich
690
-
Abschreibung für eine Produktionshalle
632
-
Selbst getragene Kraftstoffkosten bei der 1 %-Regelung
544
-
Berechnung der Zehn-Jahres-Frist bei sanierungsrechtlicher Genehmigung
519
-
Abzug von Fahrtkosten zur Kinderbetreuung
493
-
Neue Grundsteuer B in Baden-Württemberg ist verfassungsmäßig
473
-
Sonderausgabenabzug für einbehaltene Kirchensteuer auf Kapitalerträge aus anderen Einkunftsarten
465
-
Anschrift in Rechnungen
421
-
Alle am 21.11.2024 veröffentlichten Entscheidungen
21.11.2024
-
Keine Rückstellung für vorläufig festgesetzte Zinsrückzahlung
21.11.2024
-
Erfordernis der Glaubhaftmachung gem. § 52a Abs. 6 FGO
20.11.2024
-
Betriebsausgabenabzug für steuerfreie Photovoltaikanlagen auch in 2022 möglich
18.11.2024
-
Keine AdV bei geltend gemachter Verfassungswidrigkeit der Grundsteuerwertermittlung
18.11.2024
-
BFH zur Vorteilsminderung bei der 1 %-Regelung
18.11.2024
-
Bestattungskosten als Nachlassverbindlichkeiten bei Zahlung aus einer Sterbegeldversicherung
18.11.2024
-
Erbschaftsteuerlicher Freibetrag bei Erbverzicht der Elterngeneration
18.11.2024
-
Hinzurechnungsbesteuerung und Kapitalverkehrsfreiheit bei Schweizer Tochtergesellschaften
15.11.2024
-
Keine Kfz-Steuerbefreiung bei untergeordneter land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeit
15.11.2024