Grunderwerbsteuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern
Bestimmung des herrschenden Unternehmens
Die Beteiligten streiten über die Bestimmung des herrschenden Unternehmens bei Anwendung des § 6a GrEStG. Die Klägerin, eine aktiv tätige GmbH (u. a. Erwerb, Entwicklung und Vermarktung von Immobilien etc.), war bis zum 15.8.2011 zu 100 % an der D-GmbH beteiligt, in deren Eigentum sich ein Grundstück befand. Gesellschafterin der Klägerin war zu 100 % die E-GmbH (laut Handelsregister ebenfalls im Bereich der Immobilienentwicklung, Vermarktung und deren Verwaltung tätig), deren Anteile wiederum vollständig durch die F-AG gehalten wurden.
Aufgrund Vertrags vom 5.8.2011 wurde zum 15.8.2011 (Eintragung ins Handelsregister) die D-GmbH als übertragende Gesellschaft auf die Klägerin als übernehmende Gesellschaft verschmolzen. Zum Zeitpunkt der Verschmelzung bestand die dargestellte Beteiligungskette mehr als fünf Jahre ununterbrochen. Alle Gesellschaften waren Organgesellschaften desselben umsatzsteuerlichen Organkreises mit der F-AG als Organträgerin. Bis zum Jahr 2008 war die G-Stiftung umsatzsteuerliche Organträgerin gewesen, die im Jahr 2008 25,01 % ihrer Beteiligung an die F-AG verkaufte.
Im Bescheid vom 23.4.2012 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer (Verschmelzung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) verneinte der Beklagte die Voraussetzungen des § 6a GrEStG, da die F-AG als oberste Rechtsträgerin aufgrund der Organschaft mit der G-Stiftung nicht während der gesamten Vorbesitzzeit von fünf Jahren vor der Verschmelzung Unternehmerin im Sinne des Umsatzsteuergesetzes gewesen sei.
Sind die Voraussetzungen nach § 6a GrEStG gegeben?
Es erging ein Änderungsbescheid, in dem der Beklagte nunmehr die Voraussetzungen des § 6a GrEStG bejahte. Als herrschendes Unternehmen sei die F-AG anzusehen. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Steuerbefreiung mit Wirkung für die Vergangenheit u. a. dann entfalle, wenn die Mindestbeteiligung von 95 % von der F-AG an einer der am Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaften innerhalb von fünf Jahren nach der Verschmelzung unterschritten werde. Nachdem die F-AG ab dem 5.7.2013 (Verkauf von 26,8 %) die Anteile an der E-GmbH nach und nach verkauft hatte, versagte der Beklagte im geänderten Bescheid vom 12.9.2016 die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG. Diese sei nach § 6a Satz 4 GrEStG mit Wirkung für die Vergangenheit entfallen. Die Nachbehaltensfrist von fünf Jahren sei nicht eingehalten worden, da die F-AG als herrschendes Unternehmen nicht länger mittelbar über die E-GmbH zu mindestens 95 % an der Klägerin beteiligt sei. Das Einspruchsverfahren war erfolglos, es erging eine Einspruchsentscheidung. Die Klägerin beantragt, den Bescheid (in Form des Einspruchsentscheides) aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen bzw. hilfsweise die Revision zuzulassen.
Grunderwerb ist steuerbar und steuerbegünstigt
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Zwar ist der im Bescheid erfasste Grunderwerb der Klägerin steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. Er ist jedoch in voller Höhe steuerbegünstigt, da die Verschmelzung der D-GmbH auf die Klägerin vom Begünstigungsbereich des § 6a GrEStG umfasst ist.
Die Begründung lautet u. a. wie folgt:
Die Steuer wird nach § 6a GrEStG nicht erhoben, wenn an einem – wie im Streitfall – steuerbaren Umwandlungsvorgang im Sinne des Umwandlungsgesetzes ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a Satz 3 GrEStG). Abhängig ist eine Gesellschaft gemäß § 6a Satz 4 GrEStG, an deren Kapital das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahre nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
F-AG ist nicht das herrschende Unternehmen
Als herrschendes Unternehmen im Sinne der Vorschrift ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht die F-AG anzusehen. Unerheblich ist, dass weder die E-GmbH noch die Klägerin Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne (§ 2 UStG) sind. An den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des herrschenden Unternehmens sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn das herrschende Unternehmen über die Beteiligung am abhängigen Unternehmen am Markt teilnimmt. Sowohl die Klägerin als auch die E-GmbH (jedenfalls über ihre Beteiligung an der Klägerin) nehmen unstreitig am Markt teil. Entgegen der Ansicht des Beklagten, muss das herrschende Unternehmen nicht stets der oberste Rechtsträger in der Beteiligungskette (und damit in der Regel die Konzernspitze) sein. Vielmehr kann nach Überzeugung des Senats herrschendes Unternehmen auch eine weitere – von der Konzernspitze abhängige – Gesellschaft in Bezug auf nachfolgende Gesellschaften sein, wenn diese abhängige Gesellschaft ihrerseits – wie hier der Fall – die weiteren Voraussetzungen des § 6a GrEStG erfüllt.
Revision wurde zugelassen
Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen – wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts. Höchstrichterliche Entscheidungen zur Frage, wie das herrschende Unternehmen in einer Beteiligungskette zu bestimmen ist, sind nicht ersichtlich.
FG Düsseldorf Urteil vom 20.05.2020 - 7 K 820/17 GE
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