Keine Hinzurechnung von Schuldzinsen aus Erwerb einer Beteiligung an Finanzdienstleistungsinstitut

Hintergrund: Zinsaufwand zur Finanzierung einer stillen Beteiligung
Die M-KG führte in den Jahren 2009 bis 2013 ausschließlich Finanzierungsleasing und damit Finanzdienstleistungen i.S. von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 10 des Kreditwesengesetzes (KWG) durch.
In den Jahren 2009 bis 2013 bestand eine stille Beteiligung der L-KG an der M-KG. Die L-KG hatte ihre Einlage zum Teil fremdfinanziert. Die dafür von der L-KG aufgewandten Zinsen machte die M-KG im Rahmen ihrer Gewinnfeststellungserklärungen erfolgreich als Sonderbetriebsausgaben der L-KG geltend.
Nach einer Außenprüfung ging das FA davon aus, die von der L-KG zur Finanzierung ihrer Einlage bei der M-KG gezahlten Schuldentgelte seien nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG hinzuzurechnen.
Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab. Der Ausnahmetatbestand des § 19 Abs. 4 GewStDV liege nicht vor. Denn die Schuldentgelte seien nicht unmittelbar für das durch die M-KG betriebene Immobilien-Finanzierungsleasing (Finanzdienstleistungen i.S. des § 1 Abs. 1a Satz 2 KWG) gezahlt worden, sondern zur Finanzierung der Einlage der L-KG.
Entscheidung: Keine Hinzurechnung bei atypisch stiller Beteiligung
Der BFH verwies die Sache an das FG zur weiteren Sachaufklärung zurück. Die Hinzurechnung hängt davon ab, ob eine typisch oder atypisch stille Beteiligung vorliegt. Der BFH zeigt beide Lösungsvarianten auf:
Hinzurechnung bei typisch stiller Beteiligung
Die typisch stille Beteiligung wird ertragsteuerrechtlich trotz ihres gesellschaftsrechtlichen Charakters wie eine Kapitalforderung behandelt (BFH v. 28.11.2019, IV R 54/16, BFH/NV 2020, 420, Rz 41). Sie ist keine Mitunternehmerschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Die Gesellschafter können deshalb kein Sonderbetriebsvermögen haben, denn Sonderbetriebsvermögen setzt eine mitunternehmerische Beteiligung voraus.
Wird im Streitfall eine typische stille Beteiligung angenommen, hätte dies einerseits die entlastende Wirkung, dass die Hinzurechnung der Zinsen beim Gewinn nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG unterbleiben müsste. Andererseits würde eine – die Entlastung übersteigende – belastende Wirkung dadurch eintreten, dass der gesamte, bisher berücksichtigte Betriebsausgabenabzug der von der L-KG gezahlten Schuldentgelte beim Gewerbeertrag ausgeschlossen wäre. Einer dadurch rechnerisch möglichen gewerbesteuerlichen Verschlechterung stünde allerdings das finanzgerichtliche Verböserungsverbot entgegen (z.B. BFH v. 22.1.2020, XI R 26/19, BStBl II 2020, 421, Rz 22), so dass im Ergebnis die Klage erfolglos wäre.
Die Hinzurechnung unterbleibt bei atypisch stiller Gesellschaft
Bestand zwischen der L-KG und der M-KG dagegen eine atypisch stille Gesellschaft (Mitunternehmerschaft), mindern die von der L-KG geleisteten Zinsen für das Darlehen zur Finanzierung ihrer Beteiligung den Gewerbeertrag der Gesellschaft. Denn Darlehen zur Finanzierung der Beteiligung des Mitunternehmers an der Mitunternehmerschaft sind passives Sonderbetriebsvermögen II des Mitunternehmers bei der Mitunternehmerschaft. Die dafür geleisteten Schuldzinsen sind Sonderbetriebsausgaben dieses Mitunternehmers (BFH v. 27.11.1984, VIII R 2/81, BStBl II 1985, 323). Sie mindern den Gewerbeertrag der Mitunternehmerschaft (BFH v. 3.4.2008, IV R 54/04, BStBl II 2008, 742).
Keine Hinzurechnung der Zinsen nach § 19 Abs. 4 Satz 1 GewStDV
Die als Sonderbetriebsausgaben abziehbaren Zinsen wären allerdings nicht nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG hinzuzurechnen. Denn sie sind nach § 19 Abs. 4 Satz 1 GewStDV privilegiert. Danach unterbleibt eine Hinzurechnung von Schuldentgelten bei Finanzdienstleistungsinstituten i.S. von § 1 Abs. 1a KWG, soweit die Entgelte unmittelbar auf Finanzdienstleistungen i.S. des § 1 Abs. 1a Satz 2 KWG entfallen. Der erforderliche Zusammenhang ist weit zu verstehen. Es genügt ein notwendiger Veranlassungszusammenhang zwischen Schuldzins und privilegierter Finanzdienstleistung. Deshalb ist die Ausnahme von der Hinzurechnung auch auf indirekt zuordenbare Aufwendungen zu erstrecken, wenn diese den Finanzdienstleistungen nach einem sachgerechten Verteilungsschlüssel zugeordnet werden können.
Die Zuordnung von Schuldzins zur privilegierten Finanzdienstleistung kann sich auch aus dem Verwendungszweck des Darlehens ergeben, wenn das Kapital ausschließlich zur Finanzierung der Finanzdienstleistungen und nicht für andere Tätigkeiten des Finanzdienstleistungsinstituts eingesetzt wird. So verstanden erfasst der Wortlaut des § 19 Abs. 4 GewStDV auch Schuldentgelte aus dem Sonderbetriebsvermögen, die der Finanzierung eines Darlehens dienen, mit dem eine Einlage bei einem als atypisch stille Gesellschaft organisierten Finanzdienstleistungsinstitut finanziert wird, das – wie im Streitfall – ausschließlich Finanzdienstleistungen i.S. von § 1 Abs. 1a Satz 2 KWG erbringt.
Kein Unterschied zwischen passivem Gesamthandsvermögen und Sonderbetriebsvermögen II
Für eine Differenzierung der von der Hinzurechnung ausgenommenen Schuldentgelte nach ihrer Zugehörigkeit zum passiven Gesamthandsvermögen oder dem passiven Sonderbetriebsvermögen II bestehen keine Anhaltspunkte. Die Ausnahmeregelung differenziert nicht nach der Rechtsform des Unternehmens. Die Vorstellung, dass nicht nach der Rechtsform des Unternehmens zu differenzieren ist, liegt auch dem zum "Bankenprivileg" ergangenen BFH-Urteil zugrunde (BFH v. 23.8.2000 I R 98/96, BStBl II 2002, 207).
Hinweis: Weites Verständnis der Privilegierung nach § 19 Abs. 4 Satz 1 GewStDV
Im Schrifttum wird zum Teil vertreten, für das "unmittelbare Entfallen" i.S. von § 19 Abs. 4 GewStDV müssten die Schuldentgelte konkreten Finanzdienstleistungen zugeordnet werden können; eine nur rechnerische oder statistische Zuordenbarkeit genüge nicht. Demgegenüber vertritt der BFH ein weiter gehendes Verständnis des erforderlichen Zusammenhangs. Er erstreckt die Ausnahme von der Hinzurechnung auch auf indirekt zuordenbare Aufwendungen. Das kann bei Schuldzinsen zur Finanzierung einer mitunternehmerischen Beteiligung an einem Finanzdienstleistungsunternehmen der Fall sein.
BFH Urteil vom 16.07.2020 - IV R 30/18 (veröffentlicht am 01.02.2021)
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