Höchstbetragsberechnung und Günstigerprüfung bei der Einzelveranlagung von Ehegatten
Hintergrund: Zuordnung von beschränkt abziehbaren Sonderausgaben bei der Einzelveranlagung
Zu entscheiden war, ob bei einem Antrag nach § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG die Sonderausgaben vor oder nach Durchführung der Höchstbetragsberechnung hälftig aufzuteilen sind.
A (Ehefrau) beantragte für 2013 die Einzelveranlagung nach § 26a EStG. Übereinstimmend mit ihrem Ehemann (B) beantragte sie außerdem, die Sonderausgaben gemäß § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG hälftig aufzuteilen.
Das FA berücksichtigte den Höchstbetrag der Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 4a EStG nach der für A günstigeren Regelung des § 10 Abs. 3 EStG (in der für das Kalenderjahr 2004 geltenden Fassung) zuzüglich des Erhöhungsbetrags nach Satz 3 (Günstigerprüfung mit Erhöhungsbetrag). Hierzu ermittelte das FA Vorwegabzug, Grundhöchstbetrag, hälftigen Höchstbetrag und Erhöhungsbetrag, indem es bei beiden Ehegatten zunächst die Vorsorgeaufwendungen ansetzte, welche A und B jeweils getragen hatten. Anschließend berechnete es die Summe der beiden Abzugsbeträge und verteilte diese hälftig auf die Ehegatten. Abgezogen wurde bei A letztlich die Hälfte aus dem Ergebnis ihrer Höchstbetragsberechnung zuzüglich der Hälfte der Höchstbetragsberechnung des B (2.981 EUR).
Hiergegen wandte A ein, die Aufwendungen, nicht die Abzugsbeträge, seien hälftig aufzuteilen. Zunächst seien die Aufwendungen zu addieren und den Ehegatten zur Hälfte zuzuordnen. Erst im Anschluss daran sei bei jedem Ehegatten die Günstigerprüfung durchzuführen. Mit den so auf beide Ehegatten hälftig aufgeteilten Sonderausgaben kam A auf einen abziehbaren Betrag von 4.557 EUR.
Das FG gab der anschließenden Klage statt. Dagegen wandte sich das FA erfolglos mit der Revision.
Entscheidung: Günstigerprüfung nach hälftiger Zuordnung der Aufwendungen
Nach § 26a Abs. 2 Satz 1 EStG werden Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und die Steuerermäßigung nach § 35a EStG (haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse und Dienstleistungen) demjenigen Ehegatten zugerechnet, der die Aufwendungen wirtschaftlich getragen hat. Abweichend davon werden sie nach Satz 2 auf übereinstimmenden Antrag der Ehegatten jeweils zur Hälfte abgezogen. Der BFH teilt die Auffassung des FG, dass die Vorsorgeaufwendungen beider Ehegatten vor der Günstigerprüfung unabhängig davon, wer sie wirtschaftlich getragen hat, den jeweiligen Ehegatten hälftig zuzurechnen sind und dass erst im Anschluss daran die Günstigerprüfung bei jedem Ehegatten getrennt durchzuführen ist.
- Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift. Denn das Wort "sie" in § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG bezieht sich auf die in Satz 1 genannten Aufwendungen und nicht auf die "Sonderausgaben…" oder Abzugsbeträge (so auch ausdrücklich Bericht des Finanzausschusses in BT-Drs. 17/6146, S. 14). Dem steht nicht entgegen, dass Satz 2 – anders als Satz 1 – vom "Abziehen" statt vom "Zurechnen" spricht, da beide Worte im Kontext des § 26a EStG synonym verwendet werden.
- Bestätigt wird dies auch durch die ebenfalls in § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG in Bezug genommenen außergewöhnlichen Belastungen und die Steuerermäßigung nach § 35a EStG. Denn auch hier ist eine Aufteilung der Aufwendungen vorzunehmen. Im Bereich der außergewöhnlichen Belastungen ergibt sich dies aus § 33 Abs. 1 EStG. Denn § 33 Abs. 1 EStG definiert die außergewöhnliche Belastung als Aufwendungen, die noch nicht durch die zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG gemindert sind. Wenn § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG den hälftigen Abzug von außergewöhnlichen Belastungen regelt, so muss das heißen, dass die Aufwendungen, die ein Ehegatte getragen hat, beim anderen zur Hälfte anzusetzen sind. Erst nach der Aufteilung wird unter Berücksichtigung der zumutbaren Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) der abziehbare Betrag ermittelt.
- Entsprechendes gilt für die Steuerermäßigungen nach § 35a EStG. Hier kann nicht die Steuerermäßigung zur Hälfte abgezogen werden, abziehbar sind vielmehr Aufwendungen, die zur Steuerermäßigung führen. Sie sind bei Antragstellung hälftig auf die Ehegatten aufzuteilen.
- Zu Unrecht meint das FA, dass nur die Verteilung der Abzugsbeträge der vom Gesetzgeber gewollten Steuervereinfachung gerecht würde. Vielmehr erübrigt sich durch die hälftige Aufteilung der Aufwendungen die Prüfung, wer von beiden Ehegatten die jeweilige Belastung wirtschaftlich getragen hat.
- Diesem Ergebnis steht auch nicht das Prinzip der Individualbesteuerung entgegen. Denn § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der Individualbesteuerung dar.
Hinweis: Parallele zur Aufteilung des Behinderten-Pauschbetrags
Der BFH widerspricht der Verwaltungsauffassung, die Sonderausgaben erst nach Durchführung der Höchstbetragsberechnung hälftig aufzuteilen. Die Entscheidung fügt sich an das Urteil v. 20.12.2017, III R 2/17 (BFH/NV 2018, 573), das den Abzug des hälftigen Behinderten-Pauschbetrags nach § 33b EStG bei der Einzelveranlagung betrifft. Danach regelt § 26a Abs. 2 Satz 2 EStG eine Ausnahme vom Grundsatz der Individualbesteuerung. Die in dieser Ausnahme zum Ausdruck gekommene Wertung des Gesetzgebers, dem Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten (§ 1360 BGB) auch bei der Zuordnung bestimmter Aufwendungen in beschränktem Umfang Geltung zu verschaffen, rechtfertigt auch eine abweichende Zuordnung des Pauschbetrags.
BFH Urteil vom 28.11.2019 - III R 11/18 (veröffentlicht am 16.04.2020)
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