Kein ermäßigter Umsatzsteuersatz bei Überlassung digitaler Medien
Hintergrund
Die K-GmbH ließ sich von einer Vielzahl von Verlagen Nutzungsrechte an geistig geschützten Werken (E-Books) einräumen. Aufgrund dieser Verwertungsrechte räumte die GmbH inländischen Bibliotheken entgeltlich Nutzungsrechte ein. Die von den Bibliotheken jeweils konkret bestellten Nutzungsrechte (Lizenzen) berechtigten diese, die digitalisierten Werke den Bibliotheksnutzern über eine virtuelle Bibliothek (Online-Ausleihe) zur Verfügung zu stellen.
Die digitalisierten Werke befanden sich physisch auf den von der GmbH betriebenen Servern. Über diese wurde den Bibliotheksnutzern der Zugriff auf die für ihre Bibliothek lizenzierten digitalisierten Inhalte u.a. über das Internet ermöglicht. Die GmbH stellte die "ausgeliehenen" digitalisierten Werke technisch unmittelbar dem jeweiligen Nutzer zur Verfügung (Download der digitalisierten Inhalte auf ein entsprechend geeignetes Endgerät, z.B. E-Book-Reader, Computer).
Die GmbH unterwarf die Umsätze aus der Bereitstellung der digitalisierten Inhalte aufgrund der Bestellungen durch die Bibliotheken dem ermäßigten Steuersatz (7 %). Sie war der Auffassung, sie habe entgeltlich Nutzungsrechte i.S. des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) eingeräumt (begünstigt nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG). Das FA wandte dagegen den Regelsteuersatz an. Die gegen den entsprechend geänderten Vorauszahlungsbescheid erhobene Klage wies das FG mit der Begründung zurück, den Bibliotheken werde kein eigentliches Nutzungsrecht übertragen. Die Rolle der einzelnen Bibliothek beschränke sich auf die Zurverfügungstellung einer "Ausleihplattform" im Rahmen ihres Bibliotheksauftritts. Sie vermittle lediglich den "Kontakt". Die GmbH räume erst den Bibliothekskunden - nicht den Bibliotheken - aufgrund einer eigenen Leistungsbeziehung ein zeitlich befristetes Nutzungsrecht ein. Dadurch "nutze" die Bibliothek das Werk nicht selbst, sondern "benutze" dieses lediglich. Das sei nicht begünstigt.
Entscheidung
Digitale (elektronische) Sprachwerke (E-Books) sind keine Bücher, für deren Vermietung der ermäßigte Steuersatz gilt (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Anlage 2 Nr. 49 Buchst. a UStG). Die Vorschrift ist richtlinienkonform einschränkend auszulegen. Das Tatbestandsmerkmal "Bücher" setzt einen physischen Träger voraus, auf dem das Buch materialisiert ist. Digitale oder elektronische Sprachwerke fallen nicht darunter. Denn bei Einführung der Steuerermäßigung waren nur Bücher in Papierform im Handel. Der Wortlaut zwingt daher nicht dazu, aufgrund der technischen Entwicklung neue Erscheinungsformen von Schriftwerken unter diesen Begriff zu fassen.
Die Leistungen der GmbH unterliegen auch nicht der Steuerermäßigung für die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem UrhG ergeben (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG). Der ermäßigte Steuersatz gilt unionsrechtlich nur für Dienstleistungen von Schriftstellern, Komponisten und ausübenden Künstlern sowie diesen geschuldete urheberrechtliche Vergütungen. Eine solche Leistung wird jedoch von der GmbH nicht erbracht. Sie erbringt lediglich eine elektronische Dienstleistung. Darauf ist der ermäßigte Steuersatz nicht anwendbar. Elektronisch erbrachte Dienstleistungen sind von der Steuersatzermäßigung ausdrücklich ausgenommen (Art. 98 Abs. 2 Unterabs 2 MwStSystRL).
Die Revision der GmbH wurde daher zurückgewiesen.
Hinweis
Der BFH hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung offen gelassen, ob § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG unionsrechtskonform auszulegen ist. Diese Urteile sind nach Inkrafttreten von Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL bzw. der Änderung der Sechsten EWG-Richtlinie überholt. Da der BFH sonach keine Zweifel daran hat, dass die GmbH durch die Einräumung von Nutzungsrechten von der Steuerermäßigung ausgeschlossene elektronische Dienstleistungen erbracht hat, bestand für eine EuGH-Vorlage keine Veranlassung.
Im Übrigen hatte die GmbH mit den Bibliotheken gesonderte Verträge über die Zurverfügungstellung und Nutzung der für die Onlineausleihe erforderlichen technischen Einrichtungen abgeschlossen. Diese Leistungen wurden gesondert vergütet und dem Regelsteuersatz unterworfen.
Der BFH hatte im Streitfall nicht darüber zu entscheiden, ob auch die Lieferung von E-Books dem Regelsteuerersatz unterliegt. Nach den Urteilsgründen dürfte dies allerdings zu bejahen sein.
Zu Beginn der Legislaturperiode wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, die Steuersatzermäßigung auch auf "E-Books, E-Paper und andere elektronische Informationsmedien" auszuweiten. Dies würde allerdings eine unionsrechtliche Änderung voraussetzen, zu der es bisher nicht gekommen ist.
BFH, Urteil v. 3.12.2015, V R 43/13, veröffentlicht am 10.2.2016
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